Wirtschaftsserie, Teil 5: "Vater, Mutter, Firma":Arbeitsteilung nach Geschwisterart

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Christine Hattensperger beliefert mit ihrer Metzgerei Hotel und Gasthaus ihrer Schwester Viktoria Eberl-Stefan. Damit haben es die beiden bei der Fachzeitschrift "Feinschmecker" unter die 350 besten Adressen Bayerns geschafft.

Von Manfred Amann, Hattenhofen

Es ist Nachmittag gegen 15 Uhr. Ein Auto mit Düsseldorfer Kennzeichen fährt vor dem Hotel Eberl in Hattenhofen vor und der Fahrer erkundigt sich an der Rezeption nach einem Appartement oder einem Familienzimmer. Auf halber Strecke zwischen München und Augsburg und einen Katzensprung entfernt vom Ammersee will er mit seiner Familie ein paar Tage ausspannen.

Die beiden Kinder tollen bereits auf dem großen Spielplatz, der abseits von der Bundesstraße im Schutze des Hotelgebäudes und der Gastwirtschaft Eberl angelegt ist. Die Mutter nimmt indes wohlwollend zur Kenntnis, dass zum Wirtshaus eine Metzgerei gehört, und studiert die Speisekarte.

Viktoria Eberl-Stefan (links) und Christine Hattensperger haben den Betrieb 2007 von ihrem Vater übernommen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

"Die Eberl-Gaststätte dürfte die einzige noch erhaltene Metzgerwirtschaft weit und breit sein", merkt Viktoria Eberl-Stefan an. Aufzeichnungen zufolge werden schon seit 1571 an Ort und Stelle Menschen in einer Tafernwirtschaft verköstigt und können dort übernachten. Die Mittdreißigerin leitet seit acht Jahren das Wirtshaus. Sie hat auch in der Küche das Sagen. Ihr ist es mittlerweile gelungen, die Metzgereigaststätte Eberl, die auch Catering anbietet, in der Fachzeitschrift "Feinschmecker" unter den 350 besten Adressen Bayerns zu platzieren. Überdies wurde ihre bayerische Küche schon mehrfach ausgezeichnet.

Die Fleischerei mit zwei angestellten Metzgern wird ebenfalls seit acht Jahren von Eberl-Stefans etwa zehn Jahre älteren Schwester Christine Hattensperger geführt. Anfang 2007 hat Vater Andreas Eberl den seit Jahrzehnten überregional bekannten und traditionsreichen Familienbetrieb an seine beiden Töchter übergeben, nachdem er sich hatte sicher sein können, dass Wirtshaus und Metzgerei in seinem Sinne weitergeführt werden.

Bei der Übergabe hatte der Seniorchef auch dafür Sorge getragen, dass seine alten Hausrezepte übernommen werden. "Papa und Mama helfen auch heute noch mit, wo immer es geht. Sie sind uns eine große Stütze", sagt Christine Hattensperger.

Bald nach der Übernahme des Betriebs, den ihr Urgroßvater 1910 erworben hatte, haben die Schwestern Gaststätte und Metzgerei nach und nach umgebaut und zukunftsfähig gemacht. Zudem ist aus dem einstigen Nebengebäude ein Hotel mit Drei-Sterne-Standard geworden. Dort stehen insgesamt 29 Gästezimmer und zwei Appartements für Besucher zur Verfügung. Zusätzlich gibt es vier Komfort-Doppelzimmer sowie Räumlichkeiten verschiedener Größe für Seminare und Feiern, die für Geburtstage und Hochzeiten gerne genutzt werden.

Die Auslastung liegt bei mehr als 80 Prozent, wobei hauptsächlich Leute übernachten, die beruflich unterwegs sind. "Wir hatten auch schon eine indische Hochzeit. Das war zwar eine neue Herausforderung, aber auch ein sehr schönes Erlebnis", erzählt Viktoria Eberl-Stefan. Täglich mit wechselnden Gästen umzugehen, mit einem gut harmonierenden Team Menschen zufrieden zu stellen und gleichzeitig bei der Familie zu sein und sich um die Kinder kümmern zu können - "das ist mein Leben, das ich für nichts eintauschen würde", schwärmt die Wirtin, die ihre Kochlehre in namhaften Häusern absolviert und im Jahre 1999 im Oberallgäu als Beste im Landkreis abgeschnitten hat.

Viktoria Eberl-Stefan setzt in ihrer Küche auf traditionelle Speisen der Region, ohne sich Trends zu verschließen. Mediterrane Kost und vegetarische Gerichte stehen daher ebenso auf der Speisekarte wie Innereien oder Lamm, je nachdem, was die Metzgerei gerade hergibt. Die Tageskarte wird täglich gewechselt und von Mittwoch bis Sonntag werden unter dem Motto "Wos is heit für a Dog" Schweinebraten, Schnitzel, Fisch oder auch Gans und Enten als Tagesspezialität angeboten.

Die Kombination Metzgerei/Wirtshaus sei ein großer Vorteil, weil man gemeinsam planen könne, meint Christine Hattensperger. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass das bei den Eberl-Schwestern recht gut klappt. "Ich habe nur einmal erlebt, dass die Schnitzel ausgegangen sind. Wir können eigentlich immer aus dem Vollen schöpfen", sagt Schwester Viktoria Eberl-Stefan. "Wir verstehen uns gut, und das überträgt sich auch auf das Betriebsklima", versichert sie, lächelt ihrer Schwester Christine zu und bekommt ein bestätigendes, freundliches Nicken zurück.

Beide Schwestern haben drei Kinder, die im Familienbetrieb aufwachsen und nun, wie Hattenspergers ältester Sohn, nach und nach eingebunden werden. Die Chefin der Metzgerei hat im Jahre 1988 die Ausbildung zur Fachverkäuferin als zweite Kammersiegerin der Handwerkskammer München abgeschlossen und zusätzlich 1995 eine Ausbildung an der Hotel-Berufsfachschule Kermess in München mit einer glatten Eins absolviert. Wie ihre Schwester legt sie großen Wert darauf, dass alle Produkte aus der näheren Umgebung kommen.

Die Eberl-Schwestern führen den Familienbetrieb gemeinsam als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wobei der Metzgereibereich und die Gastwirtschaft als GmbH & Co. KG getrennt verwaltet werden. Das Hotel wird von beiden geleitet und ist in der Verwaltung der Wirtschaft zugeordnet.

Und das funktioniert? "Ja, sogar prächtig", betont Viktoria Eberl-Stefan. Zum einen weil sich ihr Schwager Christian Hattensperger als Betriebswirt um die Verwaltung kümmert, zum anderen "weil wir offen über alles reden, was ansteht und was eventuell korrigiert werden muss". Auch Viktoria Eberl-Stefans Ehemann, der auch Christian heißt, ist fest eingebunden, "er ist als Mann für alles Technische unentbehrlich", lobt seine Frau. Das Reden miteinander sei im Hause Eberl wichtig, sagt die Wirtin: "Natürlich haben wir eine Hierarchie, aber wir bauen sehr auf die Ideen unserer Mitarbeiter."

Etwa 40 Angestellte mit unterschiedlichen Arbeitszeiten sind im Familienbetrieb beschäftigt, darunter auch immer wieder Lehrlinge. In diesem Jahr haben drei den Abschluss gemacht und werden übernommen, "weil sie gut sind und ins Team passen", und ein Neuer kommt dazu. Auch Sebastian Bodin hat bei den Eberl-Schwestern Hotel und Gastronomie gelernt, erweiterte dann ein Jahr lang "in der Fremde" seine Kenntnisse, bis er vor einem Jahr wieder zurückkehrte. "Ich hatte Sehnsucht nach den netten Chefinnen", sagt er und lächelt leicht verlegen.

© SZ vom 06.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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