Wir sehen uns vor Gericht:Pliening will Poing verklagen

Der Vorwurf: Die Wachstumsgemeinde plane, ihre Verkehrsprobleme auf Kosten des kleineren Nachbarn zu lösen. Ein Kompromiss ist derzeit nicht in Sicht.

Von Alexandra Leuthner, Pliening

Nimmt man von Pliening die Poinger Straße Richtung Süden, durchquert man das Dorf Ottersberg. Ein paar Häuser, bäuerliches Ambiente, 365 Einwohner. Kurz nach der Plieninger Ortsgrenze kommt man am Ortsschild Poing vorbei. 16 463 Einwohner, Mehrfamilienhäuser, Neubauten; eine Gemeinde wie eine Kleinstadt. 2017 hatte der Ort noch 270 Einwohner weniger, im Jahr 2007 waren es gar 3000 Menschen weniger. Spätestens bis zum Jahr 2025 soll Poing 20 000 Einwohner haben, so sieht es der Regionalplan vor. Seit 1994 steht das im Flächennutzungsplan. Pliening hat an Nachbar Poing vor Jahrzehnten 101 Hektar abgetreten und die Entwicklung unterstützt.

Pliening Roland Frick Interview.

Plienings Bürgermeister Roland Frick will gegen die Neubaupläne des Nachbarorts Poing klagen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch der Plieninger Widerstand gegen die Pläne im Süden wächst seither, nun will die Gemeinde gar eine Normenkontrollklage anstrengen, wenn sich die Poinger Nachbarn nicht bewegen. Der Plieninger Bauausschuss hat sich am Donnerstagabend einstimmig für eine erneute Ablehnung des bereits konkretisierten Bebauungsplans für das Wohngebiet 7 und für die Änderung des Flächennutzungsplans ausgesprochen, der die Wohngebiete W 7 und W 8 umfasst. "Abgetropft" sei man bei den Nachbarn mit seinen Einsprüchen, stellte Bürgermeister Roland Frick (CSU) fest.

Wir sehen uns vor Gericht: Der Poinger Rathauschef Albert Hingerl hält aber trotzdem am Bevölkerungswachstum in seiner Gemeinde fest.

Der Poinger Rathauschef Albert Hingerl hält aber trotzdem am Bevölkerungswachstum in seiner Gemeinde fest.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bereits im Sommer hatte der Plieninger Ausschuss die Poinger Pläne abgelehnt, als klar wurde, dass dort in W 7 und W 8 aufgemörtelt würde, aus 2000 Einwohnern 4000 werden sollten. Insgesamt ändert das an der Wachstumsprognose für Poing nichts, aber die Plieninger stehen bereits jetzt morgens in ihrer verstopften Durchgangsstraße und vermuten, dass ein Großteil ihres Verkehrs aus Poing kommt. 4000 weitere Neubürger, die dort 200 Meter von der Plieninger Ortsgrenze quasi vor der eigenen Haustür einziehen sollen, könnten den endgültigen Infarkt auslösen, so die Angst. Für eine Umfahrung an den Plieninger Ortsteilen vorbei konnte 2013 keine Trasse gefunden werden, welcher die Nachbargemeinden Poing und Kirchheim zugestimmt hätten.

Normenkontrolle

Eine Normenkontrollklage muss unter anwaltlicher Unterstützung vor einem Verwaltungsgericht ausgefochten werden. Dort kann überprüft werden, ob - wie es im Juristendeutsch heißt - "höherrangiges Recht eingehalten" ist. Beim strittigen Bebauungsplan zwischen Pliening und Poing wäre zu prüfen, ob sich die Gemeinde bei der Schaffung von neuem Baurecht an die Vorschriften des Baugesetzbuchs gehalten hat. Der Antragsteller, also die Gemeinde Pliening, müsste geltend machen, dass sie tatsächlich in ihren Rechten von der Planung Poings betroffen ist. Pliening kritisiert eine Nichtbeachtung ihrer Einwendungen durch die Nachbarn und könnte eine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebotes geltend machen. aja

Als er vor 43 Jahren nach Pliening gezogen sei, erzählte Frick "war Poing noch so groß wie wir". Dass sich das ändern würde, sei immer klar gewesen, aber dass seither keine einzige Straße dazu gekommen sei, "das ist das Problem." Er wolle noch nicht mal der Gemeinde Poing einen Vorwurf machen, "aber die übergeordneten Behörden, den Planungsverband und die Regierung von Oberbayern will ich in die Pflicht nehmen." Auch sein Fraktionskollege, der Zweite Bürgermeister Franz Burghart, erklärte: "Meiner Meinung nach ist die Erschließung nicht gesichert." Josef Bauer-Eberhart (CSU) kritisierte eine Verkehrsprognose des Sachverständigenbüros Kurzak, in dem eine Senkung der Verkehrsbelastung im betreffenden Bereich für 2025 mit Blick auf die älter werdenden Bevölkerung Poings prognostiziert werde. "Wie kann ich so etwas da reinschreiben, ich glaube, ich kriege einen Vogel."

Nicht nur der Verkehr, auch dass in W 7 nun vier- statt zweistöckiger Gebäude entstehen sollen, erbost das Gremium. Bauamtsleiter Martin Schmidt-Roschow bemühte sich um Sachlichkeit. "Poing darf dort bauen, das ist seit 1984 klar, was stört, ist die massive Nachverdichtung." Was den Verkehr angehe, habe Pliening mit der Umfahrung eine "Lösung auf dem Silbertablett präsentiert". Pliening will nicht nachgeben. Das bekräftigte Bürgermeister Frick am nächsten Tag. Er wäre zwar froh über einen Kompromiss. Aber eine Normenkontrollklage sei bei einer erneuten Ablehnung logische Konsequenz.

Eher verhalten reagierte Poings Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) auf die Vorwürfe des Nachbarn. "Wie sähe denn so ein Kompromiss aus?", fragte er. Die Umgehung, wie sie sich Pliening vorgestellt habe, sei auch an Kirchheim gescheitert. Aber in Poing hätte die Straße wenige Meter "an unseren Wohngebieten vorbeigeführt, wo Tausende von Leuten wohnen." 40 Prozent der dichteren Bebauung solle sozialer Wohnungsbau werden. Er habe aber hohen Respekt vor den Anliegen der Nachbarn, natürlich müsse man auf den Verkehr schauen. Die neuen Einwände aus Pliening würden nun mit Gutachtern besprochen und dem Gemeinderat vorgelegt. Wenn sich keine neuen Erkenntnisse ergäben, werde das Ergebnis dort dasselbe sein. "Wenn dann eine Normenkontrollklage für Pliening der Weg ist, werde ich das auch akzeptieren."

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