Süddeutsche Zeitung

"Wir müssen draußen bleiben" - Folge 2:Stock im Gras

Crossgolf ist die urbane Variante des klassischen Sports. Alles, was man braucht, sind ein Schläger und Bälle. Die bisher einzige Abteilung Oberbayerns gibt es in Schwabhausen

Von Jacqueline Lang

Das Ziel, das kann ein nahegelegener Mülleimer, Brunnen, Pfosten oder auch einfach der Stamm eines Baumes sein. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, ein geeignetes Loch zu finden - es muss nämlich gar keines sein. Das angepeilte Ziel heißt trotzdem "Loch", nicht nur beim klassischen Golf, sondern auch bei der unkonventionelleren Variante, dem Crossgolf, auch Urban Golf genannt. Dabei sind die Spieler weder auf den getrimmten Rasen eines Golfplatzes angewiesen, noch ist die Platzreife oder irgendeine andere Etikette notwendig. Alles, was man benötigt, sind ein Schläger, Bälle - und natürlich Spaß am Spiel.

Im Landkreis Dachau ist Golf als Sport bislang nicht sonderlich verbreitetet, ganz zu schweigen von Crossgolf. Doch das könnte sich nun ändern: Im März dieses Jahres hat sich die Abteilung Golf beim TSV Schwabhausen gegründet. Die neue Abteilung ermöglicht es den Mitgliedern, den Sport auch dann auszuüben, wenn man nicht einem klassischen Golfklub beitreten möchte, bei dem die Mitgliedschaft häufig kostspielig ist. Die Schwabhausener Abteilung ist in ihrer Form einmalig im Landkreis, ja sogar in ganz Oberbayern.

Mit gutem Beispiel voran gehen die Schwabhausener Thomas Kirmaier, Thomas Hack und Alexander Laue. Alle drei sind Mitglieder der neu gegründeten Golf-Abteilung, die neben dem klassischen Golf eben auch die Cross-Variante anbietet. "Nicht zu viel nachdenken, sondern einfach mal machen", lautet die Devise, mit der sie unter Gelächter und mit ein paar dummen Sprüchen die Bälle aus hohem Gras und dichtem Gebüsch Richtung Ziel befördern. Kirmaier hat seine Schläger in einer Golftasche mit integriertem Ständer verstaut, Hack trägt seine zwei Schläger in einer ganz normalen Tasche mit sich herum. Laue verzichtet gar gänzlich auf eine Tasche und konzentriert sich auf das Wesentliche: Schläger und Ball. Alle tragen sie normale Straßenschuhe statt professionelle Golfschuhe, Jeans statt Bermudashorts. Erlaubt ist, was gefällt. Das gilt beim Outfit ebenso wie bei der Spielweise.

Anders als sonst beim Golf üblich, muss man den Ball auch nicht in einem kleinen Loch versenken. Es reicht, wenn man sich auf eine Schlägerlänge dem Ziel annähert. Die Chance, das Ziel zu treffen, steigt damit. Insgesamt habe man 13 Schläge und drei Bälle pro Spielrunde, erklärt Hack. Die Bälle erlangten jedoch nur ein Drittel der Fluggeschwindigkeit eines gewöhnlichen Golfballes, sagt Hack. Zudem sei der Ball glasbruchsicher konzipiert, Fenster auf der Strecke haben also eine gute Chance, heile zu bleiben. Nur so sei das Spielen im urbanen Raum möglich, erklärt Hack. Gewinner ist am Ende der Spieler, der das Ziel mit den wenigsten Schlägen erreicht hat.

Voll cross

Der TSV Schwabhausen hat die einzige Golf-Abteilung in ganz Oberbayern. Die Mitglieder treffen sich immer am letzten Donnerstag eines Monats, das nächste Mal am 31. Mai um 17 Uhr auf dem Golfplatz von Gut Häusern. Grundsätzlich kann man rund um das Gelände des TSV Schwabhausen an der Jahnstraße jederzeit Crossgolf spielen. Im nahegelegenen Gasthof Zur Post, Augsburger Straße 19, bietet sich im Anschluss eine Einkehr an. Infos per Mail an golf@tsv-schwabhausen.de, unter Tel. (08138) 66 94 45 oder unter www.tsv1929.de/golf. Zusätzlich zu der Abteilung in Schwabhausen gibt es eine Crossgolf Gruppe, die regelmäßig im Münchner Olympiapark spielt. Infos unter www.crossgolfmuenchen.de jala

Überliefert ist, dass Crossgolf die ursprüngliche Form des Golf war und nicht jene, die heute verbreitet ist. Die Erfinder der Sportart, Schotten, spielten anfangs noch querfeldein, bis Mitte des 18. Jahrhunderts der erste Golfklub eröffnet wurde. Nicht verwechselt werden darf Crossgolf aber mit Golf Cross, einer neuseeländischen Variante, bei der statt eines runden Golfballs ein eiförmiger Ball verwendet wird. Das Ziel ist bei dieser Spielform ein Tor mit Netz auf einer Grünfläche, die dem Golfplatz ähnlich ist.

Den "Reiz des Crossgolf" macht für Hack, Kirmaier und Laue vor allem aus, dass es kaum Regeln gibt. So können die Spieler das Loch ganz spontan festlegen. "In Schwabhausen gibt es unendlich viele Löcher", sagt Hack. In der kleinen Gemeinde spielen sie zwar bislang noch nicht mitten auf der Straße, doch grundsätzlich kann die ganze Stadt beim Crossgolf in einen Spielplatz verwandelt werden.

Als weiteren Vorteil sieht Hack, dass Crossgolf vom Wetter unabhängig ist. "Unser Golfplatz hat das ganze Jahr geöffnet", sagt er. Mit einem Wintertee, einer kleinen Erhöhung für den Abschlag, könne man problemlos auch auf harten oder gar gefrorenem Boden spielen. Auch auf Wiesen erleichtere ein solcher Tee das Spiel, so Hack. Anders als andere Tees müsse man diese nicht in den Boden stecken, erklärt Hack.

Pro Runde finden sich die Spieler in der Regel in einer Gruppe von sechs Personen zusammen, die man Flight nennt. Der Spieler, dessen Ball am weitesten vom Loch entfernt ist, darf immer zuerst schlagen. Nach dem Abschlag habe jeder fünf Minuten Zeit, seinen Ball wiederzufinden, ansonsten gilt er als verloren und der Spieler kassiert einen Strafpunkt.

Auf offenem Feld kann aber manchmal schon das Wiederfinden des Balles eine Herausforderung darstellen. Doch darin liegt eben auch der Reiz von Crossgolf: Man weiß nie genau, was als Nächstes passiert.

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Quelle:
SZ vom 22.05.2018
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