Energiepolitik:Was Söders Windkraftpläne für Bayerns Wälder bedeuten

Energiepolitik: Eine Aufnahme aus dem Staatswald im Ebersberger Forst, Revier Ingelsberg.

Eine Aufnahme aus dem Staatswald im Ebersberger Forst, Revier Ingelsberg.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Regierung will den Bau von Windrädern in den Staatsforsten erleichtern. Doch die Pläne polarisieren, wie sich im Ebersberger Forst zeigt.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg/München

Darf man im Wald Windräder errichten? Kaum eine Frage polarisierte im Landkreis Ebersberg zuletzt mehr als diese. Das zeigt auch die neueste politische Pirouette von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Der CSU-Mann hat nun angekündigt, die Platzierung von Windkraftanlagen in bayerischen Staatswäldern zu erleichtern. Und damit ist die Debatte um das Für und Wider neu eröffnet.

Eine interaktive Karte der bayerischen Staatsforsten zeigt die staatlichen (dunkelgrün) und privaten Wälder (hellgrün). In den südöstlich von München gelegenen Regionen ist gut zu erkennen, was Söders Idee konkret für Wald und Windkraft bedeuten könnte. Etwa für den Hofoldinger Forst, den Autofahrer vor allem von der A8 durch die Windschutzscheibe kennen. Oder den Ebersberger Forst, den keine Autobahn durchkreuzt, weswegen sich dieses Waldgebiet den Ruf eingehandelt hat, besonders zu sein, weil besonders groß und besonders undurchschnitten (sieht man von zwei Staatsstraßen ab).

Energiepolitik: Der Hofoldinger Forst, durch den die Autobahn A8 führt, und der Ebersberger Forst, südlich beziehungsweise östlich von München.

Der Hofoldinger Forst, durch den die Autobahn A8 führt, und der Ebersberger Forst, südlich beziehungsweise östlich von München.

(Foto: Quelle: Bayerische Staatsforsten, Bearbeitung: SZ)

Beide Forste, den Hofoldinger und den Ebersberger, eint, dass sie einen sehr hohen Anteil an Staatswald haben. Sollten Söders Pläne also zustandekommen, wären diese Wälder stark betroffen - im Sinn von: dort könnten dann - je nachdem wie pointiert Söders Gesetz umsetzbar ist - nicht wenige Windräder errichtet werden. Die Frage ist: wo genau?

Sollten Söders Ideen kommen, hätten Gegner von Windkraft in Wäldern "ein wirklich treffendes Argument weniger"

Die Antwort darauf fällt Beobachtern nicht ganz leicht, eher gar schwer. "Die einen zittern, die anderen jubeln", sagt etwa Heinz Utschig, Leiter des Forstbetriebs Wasserburg und damit für 7500 Hektar Staatswald im insgesamt 9000 Hektar großen Ebersberger Forst zuständig - und für 2000 weitere Hektar Staatswald im Revier Glonn. Er zählt sich weder zu den Zitternden noch Jubelnden.

Aus seiner Sicht ist - für etwaige Windkraftpläne des Ministerpräsidenten im Ebersberger Forst - der Status dieses Waldes ein zentraler Punkt. Bisher ist es ein nahezu nicht realisierbares Projekt, in einem Landschaftsschutzgebiet Windräder zu bauen. Damit sich das ändere, so Utschig, "müsste diese Schutzkraft effektiv ausgehebelt werden". Sollte dies kommen, hätten die Gegner von Windkraft in Wäldern "ein wirklich treffendes Argument weniger".

Dass die Änderung eines solchen Status in der Theorie bereits möglich ist, zeigen die Vorgänge rund um den Bürgerentscheid im Ebersberger Forst, bei dem die Landkreisbewohner vor gut einem Jahr für bis zu fünf Windräder im Ebersberger Forst votierten. Bis zu diesem Punkt brauchte es aber eine zehn Jahre lang dauernde Vorbereitung. Und falls die Anlagen überhaupt errichtet werden, dürfte es noch einige weitere Jahre dauern, bis sie den Betrieb aufnehmen können.

Nicht wenige sind der Überzeugung, dass Windräder in Wäldern allgemein und im Ebersberger Forst speziell keinesfalls etwas verloren hätten. Zu ihnen zählt Kerstin Mertens, die Sprecherin der Schutzgemeinschaft Ebersberger Forst. Aus ihrer Sicht macht es "überhaupt keinen Sinn, hier Windräder zu bauen". Mangels Windstärke und wegen des zu hohen Preises. Weil Wald CO2 und Kälte speichert. Sollte der Schutzstatus des Ebersberger Forsts per söderschem Dekret aufgehoben werden, "werden wir den Klageweg" gehen, so Mertens. Dies sei ihren Recherchen zufolge weiter möglich.

Nicht wenige Beobachter finden es plausibel, Windräder unweit von Autobahnen und Industriegebieten zu platzieren

Ganz oder auch halb genau weiß noch niemand so recht, was da kommt und wie es wird. Auch nicht Olaf Rautenberg von der Ebersberger Kreisgruppe des Bundes Naturschutz, die im Vorlauf des Bürgerentscheides für das Windradprojekt im Ebersberger Forst eingetreten war. "Im Prinzip ist das eine gute Idee", sagt Rautenberg. "Was genau erreicht werden soll, ist unklar." Der Ministerpräsident mache Andeutungen, ohne ins Detail zu gehen. "Vor ein paar Jahren wollte er noch 1500 Windräder, jetzt 800. Nachdem wegen 10 H überhaupt keine mehr gebaut wurden, musste er sich Gedanken machen."

Südwestlich vom Ebersberger Forst liegt der Hofoldinger Forst, der bei dem Versuch Wald und Wind zu einer energetischen Mixtur zu vereinen eine dritte Zutat bietet, die in Ebersberger Wäldern fehlt: eine Autobahn. Hört man sich unter Beteiligten der Debatte um, so sehen nicht wenige unter ihnen hier einen Ansatz. Also bei Autobahnen generell oder wenn es sein muss eben durch Wälder. Windräder entlang einer Strecke, wo sie am wenigsten anrichten, weil eh schon einiges angerichtet ist. Wegen Störungen durch Lärm oder Licht und Schatten, Verschandelung der Landschaft oder anderer Beeinträchtigungen. Industrie- und Gewerbegebiete werden ebenfalls gerne als Kandidaten genannt.

In den kommenden Wochen sollen dem Vernehmen nach Entscheidungen getroffen und Gesetze abgeändert werden, vom Münchner Landtag bis zum Berliner Bundestag. Nicht unwahrscheinlich, dass dann auch der Begriff "10 H" fällt, womit in Bayern die exklusive Verhinderungsklausel für Windräder per Abstandsgebot zu Siedlungen bezeichnet wird. Oder wie es der Wasserburger Forstbetriebschef Heinz Utschig ausdrückt: "Wo es nicht stört, wo eh dauernd Krach ist, ist 10 H kontraproduktiv." Flexibler zu sein, so Utschig, würde es aus seiner Sicht leichter machen, gute Standorte zu finden. "Sonst sind wir ganz tief drin im Wald, wo es uns allen weh tut."

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