Windkraft ist sinnlos! Windkraft ist gesundheitsschädlich! Windkraft schreddert Vögel! Diese und viele weitere Argumente werden immer wieder vorgebracht, wenn über Windenergieanlagen diskutiert wird. Aussagen, mit denen auch die Angestellten der Energieagentur Ebersberg-München gGmbH immer wieder konfrontiert sind - teilweise verbunden mit persönlichen Anfeindungen. In einer aktuellen Stellenausschreibung hat die Energieagentur nun darauf reagiert. Im Anforderungsprofil an die Bewerber wurden dementsprechend Vorkenntnisse in den Bereichen Akzeptanzmanagement, Konfliktkommunikation und Mediation definiert.
Maria Burghardt, die im Fachbereich Windenergie arbeitet, weiß: "Windenergie ist ein Thema, das immer mit sehr starken Emotionen verbunden ist". Im Interview berichtet sie gemeinsam mit Pressesprecher Benjamin Hahn von emotionalen Anfeindungen, wie man persönlich aber auch als Unternehmen damit umgeht und was man aus vergangenen Fehlern auch lernen kann.
SZ: Was bedeutet Konfliktkommunikation für Sie?
Benjamin Hahn: Es bedeutet vor allen Dingen, dass man bereit ist, mit den Menschen in ein Gespräch zu kommen. Dass man bereit ist, zuzuhören. Dass man aber auch den Mut hat, sich den teilweise sehr emotionalen Anfeindungen zu stellen, dann aber auch mit wissenschaftlich fundierten Fakten versucht, gegen mögliche Missverständnisse oder falsche Interpretation vorzugehen.
Stehen Sie oft "emotionalen Anfeindungen" gegenüber?
Maria Burghardt: Windenergieprojekte gehen meist damit einher, dass nicht alles eitel Sonnenschein ist, sondern dass es zu gewissen Sorgen, Ängsten und in der Folge auch zu Konflikten kommen kann. Deswegen halten wir ein begleitendes Kommunikationsmanagement für unverzichtbar. Das ist mindestens genauso wichtig wie die technische Planung.
Wie begegnen Sie diesen Emotionen und kann man sich davon persönlich distanzieren?
Maria Burghardt: Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Mein Ansatz ist immer: Jede Sorge, jede Angst und auch jede Wut hat einen Kern und darin ihre Berechtigung. Aber umso wichtiger ist es, dass man es anspricht und dass man darüber redet. Ein pauschales "Ich will aber keine Windräder, weil die blöd ausschauen" ist vielleicht ein bisschen zu kurz gegriffen. Aber die meisten Leute haben ja Themen, die ihnen wirklich Angst machen, über die sie sprechen wollen. Die kann man dann wirklich inhaltlich und fachlich begleiten und dem etwas erwidern.
Benjamin Hahn: Man merkt allerdings auch schon in der Art und Weise, wie die Menschen mit einem sprechen, ob man vielleicht nur Kummerkasten ist in dem Moment, und die Menschen vielleicht einfach nur eine Sorge haben, von der sie gerne möchten, dass man sie aus dem Weg räumt. Es kann aber auch vorkommen, dass man merkt, dass es Menschen sind, die wirklich ideologisch ein Problem mit Windenergie haben. Da kann es dann schon passieren, dass man sich das dann zwar anhört, aber man auch nicht mehr so wahnsinnig viel Energie in eine Erwiderung steckt, weil man vermutlich nicht mehr durchdringen und überzeugen kann.
Benjamin Hahn und Maria Burghardt sprechen über Konfliktmanagement in der Windenergie.
(Foto: privat/oh)Wenn man ein Fachgebiet studiert hat, kann es vorkommen, dass man im Beruf ganz andere Erfahrungen sammelt, plötzlich mit widersprüchlichen Meinungen, Stimmungen und Emotionen konfrontiert ist. Damit umzugehen, muss man doch auch erstmal lernen, oder?
Maria Burghardt: Ja, und man muss auch akzeptieren, dass es so ist. Als Ingenieurin sieht man ganz klar die Anforderungen und die Möglichkeiten - also die Umsetzung. Man kann das alles durchrechnen und sehr gut modellieren. Aber dann kommt der Faktor Mensch mit rein. Wie bei so Vielem. Deshalb ist es umso wichtiger, dass man das berücksichtigt. Aber das ist auch etwas, das mit der Arbeitserfahrung und der Zeit dann kommt.
Was muss man denn alles beachten in der Konflikt-Kommunikation und im Akzeptanzmanagement? Gibt es so etwas, wie einen "goldenen Weg"?
Maria Burghardt: Bei Windenergieprojekten ist keins wie das andere. Es ist ein permanentes Lernen, weil auch immer ganz unterschiedliche Player mit dabei sind. Wer ist Projektträger? Macht das die Kommune oder ist es ein privates Unternehmen, wie es damals beim Bürgerentscheid in Ebersberg der Fall war. Immer dann, wenn man vor einem neuen Projekt meint, man habe schon alles gesehen und einen gangbaren Weg gefunden, dann zeigt sich doch: Nein, es ist eine neue Situation und es ist eine ganz neue Herangehensweise gefordert.
Welche Lehren haben Sie aus Ebersberg gezogen?
Benjamin Hahn: Meine persönliche Erkenntnis, von der ich versuche, sie in die zukünftigen Projekte einzubauen, ist, dass wir Räume zum Zuhören schaffen. Weil man ansonsten das Problem hat, dass die Menschen sich irgendwo über das Projekt unterhalten und sich dort möglicherweise auch gegenseitig anstacheln, und das in eine völlig falsche Richtung geht. Dazu werden zum Beispiel Facebook-Gruppen oder andere Kanäle genutzt. Natürlich wird man das nie verhindern können und natürlich sollen die Menschen auch überall da miteinander reden, wo sie über ein Projekt reden wollen - und das auch gerne kritisch. Nur denke ich, dass es auch für Projektbeteiligte wichtig ist, Räume zu schaffen, in denen sich Menschen artikulieren können. Und dies eben nicht nur mit Infoständen, sondern auch bei Veranstaltungen, wo man direkt mit den Menschen ins Gespräch kommen kann. Ob man sie am Ende davon überzeugt bekommt, dass das, was man macht, das Richtige ist, steht auf einem anderen Blatt Papier. Aber es ist wichtig, zu zeigen, dass man ihnen wirklich zuhört und ihre Sorgen ernst nimmt.
Besonders wenn Windräder in Sichtweite gebaut werden sollen, regt sich Widerstand. Etwa hier in Purfing, wo seit 2011 gegen die Rotoren im nahen Forst protestiert wird.
(Foto: Peter Hinz-Rosin)Gibt es denn Momente, in denen Sie einem Skeptiker zuhören oder Nachrichten lesen und denken: Dieser Mensch hat recht?
Benjamin Hahn: Das kommt, glaube ich, immer drauf an, wie man Dinge bewertet. Wenn ich zum Beispiel die Visualisierungen der Windenergieanlagen sehe, dann denke ich mir persönlich manchmal schon: Ja, das ist doch etwas Massives, was wir da hinstellen. Auf der anderen Seite sind wir es alle gewohnt, dass der Strom irgendwie aus der Steckdose kommt, und ich glaube, dass wir lernen müssen, uns selbst damit auseinanderzusetzen, wo eigentlich unsere Energie herkommt. Wir verdrängen das. Der große Vorteil der dezentralen Versorgung, den wir durch die Energiewende erreichen wollen, ist die Demokratisierung der Erzeugung. Dass jeder seinen Anteil daran zu tragen hat. Auch in der Art und Weise, wie man auf Anlagen blickt. Dass man sich damit auseinandersetzen muss, dass man in seinem Blickfeld ein Windrad hat, weil dieses Windrad für den Strom sorgt, der wiederum das Handy betreibt, auf das man selbst nicht verzichten möchte. Was ich damit sagen will, ist, dass ich manchmal Argumente nachvollziehen kann. Zum Beispiel, wenn gesagt wird, dass die Anlagen sehr mächtig wären und der Anblick persönlich stören kann - andererseits muss man sich dann aber die Frage stellen, was in Sachen Treibhausgasen passieren würde, wenn man das nicht macht und weiter fossile Energieträger verbraucht. Natürlich greift man in einer gewissen Art und Weise in einen Naturhaushalt ein, wenn man Anlagen baut. Auf der anderen Seite steht aber die Frage: Was passiert denn, wenn wir den Klimawandel weiter so diesen freien Lauf lassen, wie wir es derzeit tun?
Maria Burghardt: Ja, das ist immer ein Kompromiss, nicht wahr? Und manchmal nicht so leichte Gratwanderungen. Auch in der Rolle, die wir als Energieagentur einnehmen, in der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Ich glaube, wir können hier für quasi alle Mitarbeiter sprechen. Wir sind ja schon, ich sage es mal überzogen, Überzeugungstäter. Wir machen das, weil wir erkannt haben, dass wir eine Wende weg von den fossilen Energieträgern hin zu den Erneuerbaren brauchen. Wir wollen das unterstützen und geben unsere Arbeitsleistung ganz bewusst und mit vollem Engagement da rein. Diese Einstellung führt in der Außenwahrnehmung aber schon hin und wieder dazu, dass uns die Menschen, gerade bei der Windenergie, skeptisch gegenüberstehen und uns als Gefahr wahrnehmen. Weil wir als Energieagentur in deren Augen die Windenergie sowieso "ohne Rücksicht auf Verluste" ausbauen. Das ist natürlich nicht so. Alles, wofür wir stehen, uns einsetzen und für was wir unsere Beratungen machen, ist ein ökologisch und ökonomisch sinnvoller Einsatz der Windenergie. Deswegen machen wir ja die vielen Untersuchungen dafür. Aber es ist trotzdem wichtig, darüber zu reflektieren und dann zu merken, dass man bei einem Thema vielleicht selbst mal falsch lag.
Kurz nach Ausbruch des Ukrainekrieges hatten Sie erneut eine Veranstaltung im Höhenkirchner Forst - haben Sie das Gefühl, dass sich mittlerweile die Diskussion vor Ort aber auch im Allgemeinen gegenüber der Windenergie verändert hat?
Maria Burghardt: Ja ganz massiv. Im Grunde ist es doch so: Es muss immer erst etwas Schlimmes geschehen, dass ein Umdenken stattfindet. Das war damals in Fukushima so, und jetzt ist es der Krieg. Ein Krieg, der uns auch heftig in unserem Alltag trifft, mit unserer Energieversorgung und den steigenden Energiepreisen. Aber da haben wir ganz deutlich Veränderungen gespürt. Auch bei der großen Bürger-Infoveranstaltung im Höhenkirchner Forst. Sonst werden bei solchen Terminen eigentlich immer nur seitens der Skeptiker Fragen, Ängste und Sorgen laut. Hier aber war der große Tenor: Wann ist es endlich so weit, dass die Anlagen stehen? Und wann können wir uns wie beteiligen? Es war tatsächlich so eine Veränderung da. Ich glaube, die Fürsprecher trauen sich nun mehr, die Dinge anzusprechen und fühlen sich durch diese allgemeine Situation bestärkt. Die Skeptiker und Gegner gibt es trotzdem noch - aber die sind gerade ruhiger. Das Entscheidende ist ja die große goldene Mitte dazwischen. Und meine Einschätzung ist, dass diese erkannt hat, dass Energie essentiell ist und wir eine gute, zuverlässige, günstige Energieversorgung brauchen, und dass die Abhängigkeiten von anderen Staaten vielleicht nicht das langfristige Ziel sind.