Windkraft in Vaterstetten:Hauch des Zweifels

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Die Bürger von Vaterstetten sind grundsätzlich für Windenergie, scheuen aber im Augenblick ein Ja zum Standort an der A94.

Lars Brunckhorst

Norbert Neugebauer hat sich mehr erhofft. Schließlich war der Ebersberger, der sich für die Energiewende des Landkreises und die Nutzung der Windkraft engagiert, in "großer und freudiger Erwartung" nach Vaterstetten gefahren, wie er sagt. "Es wäre der erste Beschluss einer Gemeinde pro Windenergie geworden", sagt Neugebauer über die Sitzung des Gemeinderats vorige Woche, auf der eigentlich eine Grundsatzentscheidung für den Bau eines Windrads im Norden von Parsdorf fallen sollte - zwölf Jahre nachdem Pläne für ein Windrad auf dem Neufarner Berg am Widerstand von Bürgern gescheitert waren. "Das war eine große Motivation für mich."

Doch nach vier Stunden im schwül-heißen Rathaussaal musste Neugebauer, der nicht in seiner Eigenschaft als Büroleiter des Landrats, sondern als Mitglied des Arbeitskreises zur Förderung der Bürgerakzeptanz der Windenergie nach Vaterstetten gefahren war, dass er umsonst gekommen war. Zwar fand die Windenergie einhellig Unterstützung im Gemeinderat, auch der Standort im Winkel von A94 und A99, doch nach längerer Diskussion vertagte das Gremium eine Entscheidung. Der Mehrheit fehlte für einen Beschluss zum derzeitigen Zeitpunkt ausreichend Information.

Das wiederum kann Peter Fleckner nicht verstehen. Auch der Sprecher des Arbeitskreises Energiewende Vaterstetten hatte sich von der Sitzung mehr erwartet. "Wir sind in Gänze schon etwas enttäuscht", sagt Fleckner über das versäumte Signal für ein Windrad zwischen Parsdorf und Grub. "Wir haben uns als Arbeitskreis intensiv in die Diskussion eingebracht und es hätte genügend Möglichkeiten gegeben, sich zu informieren."

Vor vier Monaten hatte der Arbeitskreis seinen Abschlussbericht dem Gemeinderat vorgestellt und darin insgesamt neun Standorte aufgezeigt, an denen er sich Windenergieanlagen vorstellen könnte. Einer davon liegt nördlich der Autobahn A94 Richtung Grub. Dieser Standort wird auch vom Umweltausschuss des Kreistags favorisiert, um dort das erste Windrad im Landkreis Ebersberg zu errichten. Der Umweltausschuss hatte vor zwei Monaten mit den Stimmen aller Fraktionen beschlossen, zwischen Vaterstetten und Poing eine Windkraftanlage "auf den Weg" zu bringen und dafür Gespräche mit allen Beteiligten zu führen. Eine Nabenhöhe von 138 Metern soll das Windrad nach den Planungen haben, mit dem Rotorblatt 190 Meter in den Himmel ragen - so weit wie die Aussichtsplattform des Münchner Olympiaturms.

Der Grund, warum Vaterstetten jedoch vor einer Entscheidung zurückschreckte: Ein Ja zu dem Standort zum jetzigen Zeitpunkt könnte es später massiv erschweren, andernorts Windräder im Gemeindegebiet abzulehnen. Grundsätzlich besteht für Gemeinden die Möglichkeit, für die Errichtung von Windenergieanlagen im Flächennutzungsplan bestimmte Konzentrationszonen auszuweisen und im Gegenzug auch Tabuzonen. Dieses würde der Gemeinde die Möglichkeit geben, den Bau von Windrädern zu steuern. Das Bundesverwaltungsgericht knüpft an eine solche Bauleitplanung aber hohe Anforderungen. So müsste das gesamte Gemeindegebiet zuvor systematisch auf geeignete Standort untersucht werden. Verboten ist überdies eine reine Verhinderungsplanung.

"Das ist ein aufwändiges und riskantes Verfahren", sagt etwa SPD-Gemeinderat Sepp Mittermeier. Auch Grünen-Fraktionschef Robert Winkler, als Mitglied des Arbeitskreises Energiewende ein Befürworter von Windrädern, warnt: "Das ist nicht trivial." Bei mangelnder Sorgfalt riskiere die Gemeinde Normenkontrollklagen gegen diese Änderung des Flächennutzungsplans, erklärt der Baujurist. Betroffene könnten am Ende möglicherweise sogar Schadensersatzansprüche gegen die Gemeinde geltend machen.

Verzichtet Vaterstetten jedoch auf die Ausweisung von Konzentrationsflächen, dann verzichtet die Gemeinde auch auf ihre Einflussmöglichkeiten. Windräder könnten in diesem Fall von Investoren überall außerhalb geschlossener Ortschaften gebaut werden, solange die Vorschriften des Immissions-, Landschafts- und Naturschutzes eingehalten werden: also Abstandsflächen zur Bebauung und Grenzwerte für Schattenwurf und Lärm der Rotoren. Denn Windenergieanlagen sind planungsrechtlich privilegiert, wer außerhalb von Ortschaften ein Windrad bauen will, hat bei Einhaltung der Vorschriften einen Anspruch auf Genehmigung. Dennoch hält Grünen-Politiker Winkler eine Steuerung seitens der Gemeinde zumindest zum gegenwärtig Zeitpunkt nicht für unbedingt erforderlich. "Wir sind ja nicht in der Situation, dass Windradbetreiber bei uns Schlange stehen und eine Verspargelung der Landschaft droht."

"Das ist natürlich eine schwerwiegende Entscheidung", räumt auch Peter Fleckner vom Arbeitskreis Energiewende ein. Gleichwohl hält er die Vertagung für überflüssig: "Es gab im Vorfeld Untersuchungen, wonach es mindestens fünf gute Standorte gibt. Das sollte also nichts Neues mehr für den Gemeinderat sein." Auf dieser Grundlage könne die Gemeinde ihre Standortanalyse und Bauleitplanung aufbauen. Fleckners Sorge: Je länger die Gemeinde mit einer Entscheidung warte und am Ende das baurechtliche Planungsverfahren dauere, umso später stehe das erste Windrad im Landkreis. "Ich hätte mir daher schon mehr Mut vom Gemeinderat erhofft."

Windkraftbefürworter Neugebauer ist dagegen trotz anfänglicher Enttäuschung über die Sitzung des Gemeinderats nicht unzufrieden. "Es wurde zumindest positiv über die Windkraft gesprochen." Und die Verzögerung durch die Vertagung sei nur "theoretisch" - schließlich stehe noch kein Investor vor der Tür.

© SZ vom 17.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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