Windenergie:Die Angst ist verflogen

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Seit das Hamberger Windrad steht, ist klar, dass die Bewohner der umliegenden Ortschaften auch weiterhin in Ruhe auf ihren Terrassen sitzen können

Von Karin Kampwerth

Sehet hin und fürchtet euch nicht", diese Abwandlung des Bibelzitates aus dem Matthäus-Evangelium beschreibt die Stimmungslage unter den zahlreichen Gästen, die am Sonntag die Einweihung des Brucker Windrades samt kirchlichem Segen feierten. Viele Nachbarn aus Alxing, Eisendorf oder Eichhofen waren gekommen, um sich von der Anlage ein eigenes Bild zu machen. In den Jahren der Planung von 2011 bis 2016 war das Windrad ja virtueller Gegenstand von allerlei Schauermärchen geworden. Bedrängung und Bedrohung waren Begriffe, die im Zusammenhang mit dem Bau der Anlage fielen.

Verständlich, denn so richtig vorstellbar war nicht, wie das denn aussehen sollte, wenn da aus dem kleinen Wäldchen bei Hamberg plötzlich ein 138 Meter hoher Masten herausragen würde. Und was es bedeuten könnte, wenn nicht nur ein gleichmäßiger Wind die Flügel dreht, sondern zum Beispiel eine Sturmböe in den Rotor fährt. Im Netz kann man schließlich von zahlreichen Unfällen mit Windrädern lesen. Zuletzt im Januar war eine 94-Meter-Anlage bei Hamburg einfach umgeknickt.

Wer sich das Brucker Windrad am Sonntag angesehen hat, erkannte den Unterschied. Während die Unfall-Rotoren nur auf einem zwei, drei Meter Umfang messenden windigen Masten befestigt waren, muss man schon 50 große Schritte machen, um die Brucker Anlage einmal zu umrunden. Die 22 Segmente stehen bombenfest auf einem Fundamentenring, der 3,4 Meter tief im Erdreich verankert ist. Auch die weiteren Sicherheitsvorkehrungen erklärten die Betreiber bei der Eröffnungsfeier so geduldig wie auch begeistert.

Für die Anwohner das Wichtigste ist aber: Die Belästigung durch Lärm ist schlichtweg ausgeblieben. Die Nachbarn können weiter ihren Kaffee auf der Terrasse mit Blick ins Brucker Moos genießen, ohne dass die gute Landluft von den Flügeln des Windrades geräuschvoll zerschnitten würde. Letztlich reduziert sich die Kritik an der Anlage, seitdem sie steht, auf eine Frage der Perspektive. Die einen sehen in dem Windrad die Energiewende und finden das schön. Die anderen sehen das Gleiche, finden es aber trotzdem hässlich.

Selbst der Gerüchteküche konnte mit dem Tag der offenen Tür am Sonntag der Strom abgedreht werden. So hatten Skeptiker lanciert, dass der Rotor mithilfe eines Dieselmotors betrieben werden müsste, weil in Wirklichkeit gar nicht genug Wind wehe, um die Flügel zu drehen. Augenzwinkernd hatten die Betreiber hinter der Anlage einen kleinen Traktor so aufgestellt, als sei dieser mit der Anlage verbunden. "Der würde uns mit seinen elf PS immerhin 7,5 Kilowatt Zusatzleistung bringen", erklärte Geschäftsführer Hans Zäuner. Offenheit und Humor, das haben die Betreiber am Sonntag vorbildlich unter Beweis gestellt, können durchaus helfen, Ängste und Vorurteile in Luft aufzulösen.

© SZ vom 23.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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