Süddeutsche Zeitung

Landkreis am Limit, Folge 6:Willkommen im Ebersberger Osten

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Zwischen Bruckhof, Dettendorf und Rott am Inn liegt der östlichste Punkt des Landkreises. Eine Entdeckungsreise zwischen Entwässerungsgräben.

Von Thorsten Rienth, Emmering

Hier geht's nicht weiter: Das haben alle Punkte gemeinsam, die die SZ Ebersberg in einer kleinen Serie vorstellt. Denn es handelt sich um geografische Extreme - der sechste Teil führt zum östlichsten Punkt in der Gemeinde Emmering:

Wenn Heinz Feldhäuser am frühen Morgen hier entlang kommt, stehen äsende Rehe im taubenetzten Gras. Zwischendrin schauen hellbraune Löffel heraus. Die gehören zu den Feldhasen, die sich in dieser halboffenen Landschaft zwischen dem Emmeringer Ortsteil Schalldorf und der Gemeinde Rott am Inn eingerichtet haben. "Wenn man Glück hat, sieht man auch mal einen Dachs", erzählt er. Der Landwirt bewirtschaftet beide Seiten entlang eines kleinen Grabens, der die Landkreise Ebersberg und Rosenheim etwa in der Nord-Süd-Achse trennt. Ein kleiner Knick markiert den östlichsten Ebersberger Punkt.

Dass auf dem Graben nicht gleichzeitig auch die landwirtschaftliche Bewirtschaftungsgrenze verläuft, liegt an einem Trend, der auch hierzulande nicht aufzuhalten ist. "Damit sich die Landwirtschaft rentiert, müssen die Nutzflächen immer größer werden", erzählt Feldhäuser. An den Fixkosten seiner Maschinen und Gerätschaften könne er nichts ändern. Wohl aber an den Flächen, auf denen er damit unterwegs ist. Der Rest ist Mathematik. "Wir haben also geschaut, wo wir an unseren Grundstücksgrenzen Land hinzupachten können." Südöstlich von Schalldorf ergab sich schließlich die Gelegenheit.

Jetzt stapft er in grün-orangefarbener Latzhose und gestreiftem Poloshirt quer über die Wiesen. "Zu tun ist immer was", sagt er. Der Hof der Feldhäusers liegt zwei Kilometer weiter im Osten. In Wurzach, einem der westlichen Ortsteile von Rott am Inn. Selbst auf dem Traktor sind es nur ein paar Minuten. In der Tendenz seien die zusätzlichen Areale sogar etwas ertragreicher als seine eigenen Flächen, erzählt er. "Meine liegen näher zum Wald hin, wo das Grundwasser merklich höher ist - für die Erträge ist das nicht so gut."

Ökologisch betrachtet sind die Furchen von Vorteil

Der Graben, in dem sich das östliche Extrem des Ebersberger Landkreises zuspitzt, ist genauso tief wie breit, vielleicht einen halben Meter. Ein schlammiges Rinnsal, vor Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten als Drainagen gegraben, um wassergesättigte Wiesen für ertragsorientierte Landwirtschaft nutzbar zu machen - und um manchmal überhaupt mit schwerem Gerät drüberfahren zu können.

Ein Blick auf Satellitenbilder zeigt: Das gesamte Dreieck zwischen Bruckhof, Dettendorf und Rott am Inn ist von den Furchen durchzogen. Ökologisch betrachtet zieht das mittlerweile einen Vorteil nach sich.

Auf Feldhäusers Flächen ist auf diese Weise ein schmales, aber hunderte Meter langes Biotop entstanden. Kleine Schachtelhalme wachsen dort. Wenn der Landwirt wollte, könnte er sie zu einem sanften Scheuermittel verarbeiten. Bei Schachtelhalmen befindet sich in der Zellwand eingelagertes Silikat. Aufgekocht zur Jauche und wieder abgekühlt soll die dann entstandene Kieselsäure gegen Mehltau an Obstgehölzen und Tomatensträuchern helfen - und obendrein die Blattläuse vertreiben.

Zwischendrin stehen kurze weiße Schafgarben, etwas gelbe Natternwurz, dunkelblau-violette Vergissmeinnicht und jede Menge Schlangenknöterich. "Zahnbürschtel" hätten sie die als Kinder genannt, erzählt Feldhäuser. Weil ihre wie kleine Ähren angeordneten Blüten mit etwas Fantasie eben wie Zahnbürsten aussehen. In Kriegszeiten soll das Kraut als Spinatersatz oder vitaminreiche Suppenbeilage verwendet worden sein.

Auf der Roten Liste der besonders gefährdeten Arten ist zwar keine der Pflanzen. Trotzdem: Entwickelt habe sich die wertvolle Szenerie auch deshalb, betont der Landwirt, weil er seit je her beim Düngen einen größeren Abstand halte, als er eigentlich müsste. "Da werden wir Landwirte schon oft zu Unrecht kritisiert."

Den allermeisten von ihnen würde die Diversität genauso am Herzen liegen, wie anderen Naturliebhabern auch, sagt er. Nur dass sie eben als Landwirte um einen gewissen Grad an Monokultur nicht herumkämen. "Das ist halt Teil des Geschäfts."

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Quelle:
SZ vom 29.04.2019
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