Süddeutsche Zeitung

Mitten in Ebersberg:Bikini oder Beanie?

Vor allem bei einer Frage können Eltern derzeit morgens viel falsch machen: Was zieht mein Kind an?

Glosse von Franziska Langhammer, Ebersberg

Wer wird vielen Funktionen gerecht und muss viele Bedürfnisse befriedigen? Geht man nach dem Duden, ist man als Elternteil multifunktional unterwegs. Ein Bedürfnis aber ist derzeit schwer zu bedienen: die richtige Garderobe zu finden. Gerade in diesem Herbst kann man da viel falsch machen.

Morgens ist es manchmal schon so bitterkalt, dass Schal und Handschuhe sein müssen, sonst bibbert das Kind schon auf dem Hinweg zur Schule. Eigentlich für den tiefsten Winter war die mehrfach gesteppte Daunenjacke gedacht, die nun eilig aus dem Keller gekramt und hoffähig gemacht wird. Auch reicht die einfache Baumwoll-Beanie für den Kopf nicht mehr aus, es muss die dicke Wollmütze mit dem Bommel drauf sein. Bevor irgendjemand auf die Idee kommt, im September schon nach dem Schneeanzug zu fragen, wird dieser schnell in der hintersten Ecke des Schranks versteckt.

Mittags dann hat es die Sonne auch geschafft, sich hinter den Wolken hervor zu quälen; es ist sogar richtig warm. Spätestens wenn dann die ersten Passanten auf der Straße im T-Shirt vorbei spazieren, tauchen die ersten Gewissensbisse auf. Haben die Kinder auch genug zu trinken dabei, um die Sauna-Temperaturen in ihren Tiefwinter-Daunenklamotten kompensieren zu können? Nicht selten ist das Gejammer nach Schul- und Kindergartenschluss groß: "Ich schwiiiitze so", heißt es dann, oder "Warum muss ich immer diese blöde Jacke anziehen?" Selbst Schulranzen oder Kindergartenrucksack sind leider nicht groß genug, um die pluderigen Thermostücke adäquat zu verstauen, also wird über den Boden geschleift, am Rucksack festgezurrt oder einfach auf dem Weg verloren. Und zu Hause muss man dann gute Argumente finden, warum ein Bikini nicht die richtige Kleidung für diese Jahreszeit ist.

Nein, man kann es einfach nicht richtig machen dieser Tage. Vielleicht wäre eine Möglichkeit, es so zu machen wie Joe Tribbiani aus der Kult-Sitcom Friends: Um seinen Freund und Mitbewohner Chandler zu ärgern, zieht Joe dessen vollständigen Kleiderschrankinhalt - Unterhosen, Hemden, Hosen, Krawatten - übereinander an. Zwiebeltechnik nennt man das. Oder man legt sich eine schicke Jacke zu, bei der man entweder die Ärmel abnehmen kann. Oder das Innenfutter heraustrennen. Leicht transportierbar, mehrfach verwendbar. Multifunktional halt.

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