"Wenn jemand eine Rakete einbaut, wäre das auch o.k.":Einsatz mit 3000 PS

Der Grafinger Markus Huber ist Traktor-Puller. Der Motor eines Kampfflugzeugs gibt seiner Maschine eine Menge Power.

VALERIE SCHÖNIAN

Grafing- Wenn es ein Auto schafft, innerhalb von sechs Sekunden auf 100 Kilometer pro Stunde zu beschleunigen, beginnen die Herzen der meisten Geschwindigkeitsfanatiker schon höher zu schlagen. Für Markus Huber ist das nichts. Sein Traktor könnte es in einer Sekunde auf 140 Kilometer pro Stunde schaffen. Der Motor, der alle Messgeräte zum Durchdrehen bringt, hat ein stolzes Gewicht von einer Tonne und kommt damit auf eine stattliche Leistung von 3000 PS. 1944 in England gebaut, war er geschaffen als Motor eines Kampfflugzeuges und schon im Krieg im Einsatz. Seinen Ruhestand verbringt er jetzt im Traktor unter Markus Huber.

Seit 2005 ist der Grafinger Fahrer beim "Tractor Pulling Team Allgäu" und mit Leidenschaft dabei: "Es ist beeindruckend: die Kraft und die Tonnen, die bewegt werden." Beim sogenannten Traktor-Pulling zieht er mit Hilfe seines Super-Motors 100 Meter lang einen Bremswagen hinter sich her. Deshalb ist er trotz der Stärke von Tausenden Pferden nicht schneller als ein veralteter Kombi. Denn das Gewicht auf dem Bremswagen verändert die Zugkraft des Traktors und macht das Fortkommen immer schwieriger. Es gibt verschiedene Klassen beim Traktor-Pulling, die nach dem Gewicht der Fahrzeuge eingeteilt sind. Dementsprechend variieren auch die Schwere der Anhänger, in den höheren Klassen können es bis zu 29 Tonnen sein, die ein Traktor ziehen muss. Hubers fährt in der Klasse mit einem Maximalgewicht von 2,5 Tonnen für Fahrzeug und Fahrer zusammen. Aber an Ausstattung ist alles erlaubt. "Wenn jemand eine Rakete einbaut, wäre das auch okay", sagt Huber.

Bei den Rennen tragen die Fahrer geprüfte Rennanzug, absolut feuerfest, ebenso wie die Helme. Wenn es wieder so weit ist, klettert Huber in voller Montur in seinen Traktor, zwängt sich in den Sitz, nimmt sein Handgas zwischen seine rechten Finger und stellt jeweils einen Fuß auf das rechte und linke Bremspedal - so hat er den 3000-PS-Tonner im Griff. Ein Kollege kommt, um mit einer 24-Volt-Batterie, den Flugzeugmotor zu starten. Wenn er geht und das Startsignal ertönt, drückt Huber aufs Gas. Bei den ersten Strecken der Wettbewerbe schaffen die Traktoren die 100 Meter noch in zehn Sekunden, aber die Bremswagen machen das Fortkommen immer schwieriger. Huber schiebt sich mit seinem Fahrzeug Meter um Meter nach vorne, am Ende nur noch im Schritttempo. Aber um die Zeit geht es dabei nicht, sondern um die Kraft, die im Spiel ist. Die Vorderräder heben dabei ab, Huber kann nur noch mit seinen Bremsen lenken. Bremst er rechts, zieht der Traktor dort hin, und natürlich umgekehrt.

Die Tonnen, die bewegt werden, spüren er und sein Publikum am Staub und Dreck, der aufgewirbelt wird. "Für die Zuschauer ist das einfach spektakulär", findet Huber. Aber auch für ihn. "Das ist nichts Alltägliches, sondern was ganz Besonderes, man muss ein bisschen verrückt sein dafür." Das ist er und deswegen bleibt er bei seinem Hobby, auch wenn er für alle Kosten, die entstehen, selbst aufkommen muss. Es ist immer noch eine Randsportart, deswegen seien die Sponsoren knapp, so Huber. Drei oder vier Mal im Jahr nimmt er mit seinem Team an Wettbewerben in Europa teil. Vor seinen Zeiten ist sein Team mehr als zehn Mal in einem Jahr zu Wettbewerben gefahren. Meistens treten sie dort außer Konkurrenz auf, nur um mal wieder die PS unter sich zu spüren. Es gibt aber auch Meisterschaften in Europa, auch in Deutschland - bei letzteren ist das Allgäu-Team schon Meister geworden, in Europa gab es Vize-Titel.

Zwar hat Huber selbst noch keinen geholt, dafür hat er schon viel gesehen. Sein Hobby hat ihn nach Schweden, Ungarn, England und in einige Nachbarländer von Deutschland gebracht. Denn außerhalb der Wettbewerbe kann Huber seinen Traktor nur in der Garage bewundern - stehend. Nur bei offiziellen Wettbewerben sind die Sicherheitsstandards hoch genug, um die Traktoren im Zaum zu halten. Sein Fahrzeug ist in Memmingen untergebracht, dort lebt auch der Rest seines Teams. "Ich bin der einzige Exot", sagt Huber lachend. Mit Technik habe er nicht so viel zu tun, deswegen kümmert er sich um die Veranstaltungstechnik und die Koordination im Team.

Die Allgäuer sind die einzigen Traktorpuller in Bayern, die selbst einen Wettbewerb organisieren, bei Krumbach. Jedes Jahr am ersten Julisonntag locken sie so die Motorkolosse in das Land. Sie kommen aus dem Rest Europas und Deutschland - im ganzen Bundesgebiet gibt es 45 solcher Teams. Huber ist zuversichtlich, dass das mehr werden. "In ganz Europa sind wir auf einem guten Weg, es gibt immer mehr Teams und immer mehr Veranstaltungen." Die Leute würden sich interessieren, weil es eben was anderes ist, so Huber: "Alles ein bisschen mehr, alles ein bisschen mehr Leistung."

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