Süddeutsche Zeitung

"Weniger Ärger. Mehr Spaß. Bessere Stimmung.":Ein Mischpult für Menschen

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Zur Feier ihrer Spendenaktion legten die zwei ehrenamtlichen DJs "Mindbreakers" wieder Musik auf, für Leute mit und ohne Behinderung

Von Victor Sattler, Aßling

Simon Wackerbauer spricht nicht, er kommuniziert, indem er auf Bilder und Fotos zeigt. Das heißt nicht, dass er ein Stubenhocker wäre. Was früher böse Blicke auf ihn zog - federnd, hüpfend, schreiend war er in den Straßen Aßlings unterwegs - macht ihn heute zur ultimativen Stimmungskanone des Dancefloors.

Wackerbauer ist Autist. Damit hat er seinen Bruder Christoph Friedrich inspiriert, die Kunst des DJs in den Dienst der Inklusion zu stellen: Friedrich und sein Kollege Markus Michalik geben deshalb als "Mindbreakers" Partys, die sich besonders um Menschen mit Behinderungen bemühen. Am Samstagabend bedankten sie sich mit einer solchen Feier auch bei den Aßlingern für die Spenden der vergangenen Wochen, die der hiesige Rewe für sie sammelt.

"Der deutsche Disco-Gänger braucht drei Wodka Bull, dass er überhaupt die Jacke auszieht", sagt Friedrich, der die Spezies viele Jahre in München und Umgebung als DJ studieren konnte. "Aber wenn unsere Gäste mit den Fahrdiensten von den Betreuungszentren kommen, ist sofort die Hölle los, bis zur letzten Minute." Die beiden "Mindbreakers" finden, dass Leute mit und ohne Behinderung, auf ihren Partys voneinander profitieren könnten. "So eine Stimmung hat's noch nicht gegeben, davon sollten wir Normalos uns eine Scheibe abschneiden: Was es bedeutet, einfach frei und glücklich zu sein", so Friedrich. "Unser Ziel wäre, dass so viele 'Normale' wie möglich auf die Feiern kommen, damit sich die Gruppen mischen", sagt Michalik. Dem Kennenlernen mit jenen Aßlingern, die ansonsten keine Berührungspunkte hätten, diente jetzt das Sommerfest.

Christoph Friedrich und Markus Michalik haben ihre Aufgabe erst Anfang des Jahres von Michaela Baldauf übernommen, einer Mitarbeitern des Betreuungszentrums Steinhöring, die sich 20 Jahre lang mit "Outside-Handicap" um das gleiche Ziel verdient gemacht hatte. "Wir haben grad alles so erzählt, wie's wirklich war", verspricht Michalik, als Baldauf ins Gespräch dazustößt. Die winkt nur ab, sie vertraut den beiden. Das Vermächtnis ihres verstorbenen Lebensgefährten Dietrich Kerstens, der die Idee zur Inklusions-Disco hatte, liegt hier in guten Händen. Friedrich und Michalik haben noch einiges an technischer Ausrüstung aufgefahren, außerdem ergänzten sie das Konzept um eine bunte Reihe an Wettbewerben, Spielen und Motto-Events. "Wir haben Großes vor", sagt Friedrich, "wir wollen das so weit treiben wie möglich, auch bis zu einer Europa-Tournee, weil es uns so viel Spaß macht."

Europäische Dimensionen hatte der Besucher-Zustrom am Samstag zwar nicht; die Einladung sei für viele Fahrdienste zu spät gekommen. Aber im Kleinen gab es auf dem Sommerfest fabelhaft zusammengestellte Outfits und ganz ungestellte Ekstase-Mienen zu entdecken. Man erlebte die Gäste bei einem Tanz, der nur für sie selbst und ihr Gegenüber war, der sich sonst um keine Blicke scherte. Oder, mit den präziseren Worten von Markus Friedrich, der sich mit Asperger-Syndrom auf die Tanzfläche traute: "Weniger Ärger. Mehr Spaß. Bessere Stimmung."

Am 26. Oktober geben die "Mindbreakers" ihre nächste Party, diesmal mit einem Halloween-Motto. Im Gasthof Stechl (Rott am Inn) freuen sie sich ab 19 Uhr über alle Gäste.

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Quelle:
SZ vom 01.07.2019
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