Weil Geld und Zeit fehlen:Urne statt Sarg

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Während Erzbischof Reinhard Marx die Feuerbestattung ablehnt, entscheiden sich im Landkreis immer mehr Menschen für eine Urnenbeisetzung - auch, weil sie günstiger ist

Sophie Rohrmeier

- Der Konflikt zwischen Glaube und Geld ist an einem Ort besonders sichtbar: am Grab. Und immer öfter siegt wohl das Geld - oder Angehörige ziehen es vor, die Folgen eines Sterbefalls pragmatisch zu regeln. Auch im Landkreis finden inzwischen immer mehr Verstorbene nach der Einäscherung in Urnen ihre letzte Ruhe. Aufwendige Grabpflege nehmen dagegen immer weniger Hinterbliebene in Kauf. Diese bayernweite Tendenz missfällt Erzbischof Reinhard Marx, der sich gegen die - preisgünstigere - Feuerbestattung ausgesprochen hat. Im Landkreis jedoch sieht die katholische Kirche darin keine Gefahr für die Religion.

"Die Bestattungsform ist auch eine kalkulatorische Frage - das mag sein. Aus Sicht des Glaubens ist das aber nicht entscheidend", sagt der Ebersberger Dekan Josef Riedl. Die Thematisierung durch Kardinal Marx hat ihn überrascht. Dieser hatte in seiner Predigt selbst darauf hingewiesen, dass nicht der materielle Leib auferstehe. Entscheidend, so Riedl, sei der respektvolle Abschied vom Verstorbenen. "Und soweit ich in Ebersberg mit Bestattern zusammenarbeite, gehen alle sehr respektvoll damit um - auch bei Feuerbestattungen." Deren Zunahme selbst sei "kein Anlass, dass man eine große Diskussion darüber entfacht", so der Stadtpfarrer.

Vor allem in den größeren Gemeinden des Landkreises steigt die Zahl der Urnenbestattungen merklich an. In Poing wurden 2012 sogar mehr Menschen in Urnen bestattet als in Särgen. Von insgesamt 51 Bestattungen waren nur 19 Sargbeisetzungen, aber 32 in Urnen. In der Gemeinde bestehe ein "verstärkter Trend der letzten Jahre zur Urnenbestattung hin", sagt Thomas Stark von der Poinger Friedhofsverwaltung. Auch die Friedhofsverwaltung der Stadt Ebersberg, die für den alten und den neuen Friedhof zuständig ist, verzeichnet eine deutliche Zunahme: Bis 2006 waren zwischen 13 und 25 Prozent aller Bestattungen Urnenbeisetzungen. Nach einem großen Sprung 2007 auf mehr als 39 Prozent ist von 2009 ein nahezu kontinuierlicher Anstieg auf heute rund 47 Prozent zu beobachten, wie das Ebersberger Standesamt mitteilt.

In Markt Schwaben sieht es ähnlich aus. Der Friedhof hat vor zehn Jahren 128 Urnennischen erstellt, die seit wenigen Wochen voll belegt sind. Zudem würden einige Urnen nicht in Nischen, sondern ebenfalls in einem Erdgrab untergebracht. Insgesamt steige die Zahl der Urnenbeisetzungen. Das Verhältnis "spielt sich inzwischen auf die Hälfte der Bestattungen ein", sagt Jürgen Ringelstein vom örtlichen Standesamt. Im Jahr 2012 wurden auf dem einzigen und gemeindlichen Friedhof der Marktgemeinde 44 Särge bestattet und 38 Urnen. Ein Blick zurück zeigt: Im Zeitraum seit 1997 hat es in Markt Schwaben zwar insgesamt mehr als doppelt so viele Sarg- wie Urnenbestattungen gegeben. Aber seit 2009 halten sich die beiden Formen in etwa die Waage; 2010 waren es sogar 51 Urnen und nur noch 48 Särge, die beigesetzt wurden.

Die Nachfrage nach Urnenbestattungen steigt also, vor allem auf gemeindlich betriebenen Friedhöfen. In Glonn wurde deshalb kürzlich ein neues Urnenfeld gebaut, seit Mai vergangenen Jahres stehen 30 Urnengräber mit Platz für bis zu vier Urnen zur Verfügung. Im vergangenen halben Jahr sind drei davon vergeben worden. In Oberpframmern gibt es seit zehn Jahren Urnennischen und es werden durchschnittlich 2,1 Nischen im Jahr belegt.

Die Gründe für die Zunahme von Feuerbestattungen sind vor allem die Kosten und der Aufwand. "Urnennischen sind günstiger als Erdgräber und viele haben keine Angehörigen vor Ort", erklärt Jürgen Ringelstein. Denn Urnennischen, wie sie Markt Schwaben, Poing oder Oberpframmern anbieten, verursachen keine Unterhaltskosten. Eine Grabplatte versiegelt die Nische, Kosten für steinerne Grabeingrenzung und Blumenschmuck entfallen. Selbst wenn die Urne in ein Erdgrab gesetzt wird, so ist dieses kleiner und schon bei der Bestattung fallen niedrigere Preise an. Ein Sarg erfordert vier Träger und einen tiefen Aushub: "Das kostet alles Geld", sagt Ringelstein. Die Gemeinde Poing zum Beispiel erhebt für ein Einzel-Erdgrab 280 Euro, eine Urnennische kostet 50 Euro weniger, ein Doppel-Erdgrab für bis zu vier Särge kostet 510 Euro, ein Urnengrab für ebenso viele mögliche Beisetzungen nur 300 Euro. Hinzu kommen Überführungsgebühren, Bestattungsgebühren, Verwaltungsgebühren und weitere Kosten.

Einige versuchen deshalb zu sparen, wie der Bestatter Franz Soderer vom Grafinger Unternehmen Imhoff täglich erfährt. Dekan Josef Riedl meint: "Die Wirtschaftskrise mag da sicher etwas ausmachen." Einen Zusammenhang mit den steigenden Kirchenaustritten sieht Riedl zumindest im Bereich der katholischen Bestattungen nicht. Eher spiele eine Rolle, wo sich Angehörige aufhielten, so der Ebersberger Stadtpfarrer.

Die pragmatischen Gründe für Feuerbestattungen scheinen in den kleineren Gemeinden und Orten deshalb weniger schwer zu wiegen. Auf dem einzigen kirchlichen Friedhof der Stadt Ebersberg etwa, in Egglburg, liegt keine einzige Urne, ebenso nicht in Jakobsbaiern, wie das Glonner Pfarrbüro mitteilt. Auf den kirchlichen Friedhöfen in Bruck und Alxing liegen nur wenige Urnen. Denn die alteingesessenen Familien in den kleinen Ortschaften haben oft Familiengräber - und Angehörige vor Ort, die sich häufig noch um die Grabpflege kümmern.

© SZ vom 07.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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