Wegen Drogenbesitzes vor Gericht:Illegales Schnäppchen

Ein junger Mann, der 100 Gramm Marihuana gekauft hat, wird vom Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Dass er so viele Drogen besessen hat, dafür hat der Angeklagte eine kuriose Begründung

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Manche Angebote sind einfach zu gut, um daran vorbeizugehen. So ging es nach eigenen Angaben auch einem 32-Jährigen aus dem westlichen Landkreis. Er kaufte vor knapp zwei Jahren 100 Gramm Marihuana. Dumm nur, dass sich der Verkäufer einige Zeit darauf in Polizeigewahrsam befand - mitsamt seiner Kundenliste, auf der eben auch der 32-Jährige stand. Er musste sich nun wegen Drogenbesitzes vor dem Amtsgericht Ebersberg verantworten, das ihn letztlich zu einer Bewährungsstrafe verurteilte.

Angeklagt war der Lagerarbeiter zunächst sogar wegen Drogenhandels. Denn bei einer Durchsuchung seiner Wohnung im April vorigen Jahres hatten die Ermittler neben 36 Gramm Marihuana auch eine Feinwaage gefunden - für die Staatsanwaltschaft ein Indiz, dass der junge Mann die Drogen für den Verkauf in kleinere Dosen unterteilt hat. Der Angeklagte war wegen Drogenhandels bereits vorbestraft, vor sechs Jahren war er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Dass er nun eine Menge von 100 Gramm erworben hatte, sprach für die Vertreterin der Anklage dafür, dass der junge Mann sein früheres Gewerbe wieder aufgenommen hatte.

Der Angeklagte räumte ohne Umschweife ein, dass der Großkauf stattgefunden hatte, nicht jedoch, dass er das Marihuana weiterverkauft hatte. Er habe es ausschließlich zum Eigengebrauch erworben. Die große Menge erklärte der junge Mann mit seinem damaligen hohen Konsum. Etwa ein Gramm Marihuana habe er pro Tag geraucht, an den Wochenenden sogar noch mehr, nach etwa zwei bis drei Monate war der gesamte Kauf in Rauch aufgegangen. Zudem sei der Preis konkurrenzlos billig gewesen, insgesamt 650 Euro sollen für die 100 Gramm den Besitzer gewechselt haben. Das habe deutlich unter dem sonst üblichen Marktpreis gelegen.

Anbieter war eine Art Dealer-Unternehmen, das bis vor eineinhalb Jahren im gesamten süddeutschen Raum aktiv war. Dies schilderte ein als Zeuge geladener Polizeibeamter. Er und seine Kollegen hatten im Frühjahr vorvergangenen Jahres im Raum Augsburg mehrere Verdächtige verhaftet, die im großen Stil Marihuana und Amphetamin unter die Leute gebracht hatten.

Dabei waren die Dealer durchaus professionell zu Werke gegangen. Zunächst ließen sie sich kiloweise Marihuana - laut Polizei bis zu 250 Kilogramm in zwei bis drei Jahren - aus den Niederlanden liefern. Dort hatten sie, um den dauerhaften Nachschub sicherzustellen, offenbar eine Art Vertragspartner. Zentrale war laut Ermittler eine Wohnung in Augsburg. Dort wurden die Drogen in kleinere Portionen verpackt und an weitere Mitglieder der Bande geschickt, die in jeder größeren Stadt in der Region eine Art Niederlassung unterhielt.

Marihuana Konsum

Ein Gramm Gras will der Angeklagte in Spitzenzeiten konsumiert haben.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Über einen solchen Mittelsmann war auch der nun Angeklagte mit dem etwas anderen Lieferunternehmen in Kontakt gekommen. Die Ware habe er per Post bekommen und das Geld anschließend dem örtlichen Niederlassungsleiter der Drogenbande in bar übergeben. Darin, dass er so einfach ein halbes Monatsgehalt für Drogen ausgeben konnte, sah die Staatsanwaltschaft ein weiteres Indiz, dass der Angeklagte nicht nur einfach Kunde, sondern ebenfalls Verkäufer gewesen war. Genau das Gegenteil sei der Fall, so der Angeklagte: "Das war einfach viel billiger, als wenn man es klein kauft."

Im Drogen-Preisvergleich dürfte der 32-Jährige einige Erfahrungen gemacht haben. Laut seiner Aussage ist er seit seinem 17. Lebensjahr regelmäßiger Marihuana-Konsument, "so wie andere Zigaretten rauchen".

Allerdings habe er sein Leben seit der Hausdurchsuchung und einer darauffolgenden Verurteilung wegen Drogenbesitzes drastisch geändert. Er habe das Kiffen komplett aufgegeben und auch bereits mehrere Sitzungen bei der Drogentherapie absolviert. "Ich bin drogenfrei und werde es auch bleiben", beteuerte der Angeklagte. "Jetzt nutze ich meine Zeit sinnvoll." Derzeit macht er eine Weiterbildung zum Logistik-Kaufmann, er hat sich nach eigenen Angaben verlobt und will eine Familie gründen.

Diese Entwicklungen im Leben des Angeklagten war es wohl letztlich, die ihn vor einem Gefängnisaufenthalt bewahrten. Zwar glaubte die Staatsanwältin nach wie vor nicht an die Geschichte vom Eigenbedarf, sie beantragte dennoch eine Bewährungsstrafe für den 32-Jährigen. Der Verteidiger forderte eine Geldstrafe, da das Handeltreiben mit Drogen seinem Mandanten nicht nachzuweisen sei.

Dieser Argumentation folgten Richter Markus Nikol und die Schöffen nur teilweise. Den Vorwurf des Marihuanahandels sah das Gericht zwar nicht bestätigt, wegen der großen Menge der beschafften Drogen und der Vorstrafen des Angeklagten verhängte es trotzdem eine Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten - ein halbes Jahr weniger, als die Staatsanwaltschaft gefordert hatte.

Die Strafe wurde für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem muss der Verurteilte 2500 Euro in Raten zu 150 Euro an die Drogenberatungsstelle Condrobs zahlen und dem Gericht regelmäßig per Drogentests seine weitere Abstinenz beweisen.

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