Süddeutsche Zeitung

Wasserburg:Kampf der Königinnen

Theater Belacqua zeigt Maria Stuart als Tanztheater

Von Johanna Feckl, Wasserburg

Nach der Ermordung ihres Mannes sucht die schottische Königin Maria Stuart Schutz am englischen Hof. Doch Englands Regentin Elisabeth sieht in ihr eine Rivalin, nimmt sie gefangen und befiehlt die Hinrichtung. In seinem Drama "Maria Stuart" beschreibt Friedrich Schiller die letzten Tage vor der historischen Urteilsvollstreckung als Machtkampf. Als Bindeglied und gleichzeitig Vermittler zwischen den Frauen steht der Graf von Leicester; er ist der Liebhaber von Elisabeth, aber gleichzeitig verliebt in Maria Stuart. Das Wasserburger Theater Belacqua bringt nun Schillers klassisches Werk in Form eines Tanztheaters auf die Bühne.

Im Juli feierte die Inszenierung nach einer Choreografie von Annett Segerer und Regina Alma Semmler Premiere. Für Segerer, die zudem die Rolle der Elisabeth übernommen hat, schaffe das hohe Maß an Pathos in Schillers Drama eine große Distanz zum Zuschauer, die nur schwer zu überwinden sei, sagt sie. Für sie Grund genug, sich dem Stoff in der Form des Tanzes anzunähern. So falle der ganze Schwulst weg.

Ihr Konzept ist nüchtern und eindringlich. Wenn das Publikum den Theaterraum betrifft, verharren Maria Stuart, Elisabeth und Leicester unbewegt auf der dunklen Bühne. Segerer und Semmler haben sich auf diese drei tragenden Charaktere beschränkt. Es gibt kein Bühnenbild, keine Musik, keinen Wortwechsel. Nur einzelne Trompetentöne, die wie bedrohliche Schläge klingen.

Elisabeth, mit langem, wallenden Rock, richtet sich aus ihrer vornübergebeugten Haltung auf. Mit affektierten Bewegungen bindet sie ihr Haar zu einem Dutt zusammen, jeder Zoll Überheblichkeit. Maria Stuart hingegen, die Franziska Rimsl darstellt, trägt einen engen Rock, ihre Arme sind vor der Brust überkreuzt. Sie ist die Gefangene. Wenn Maria Stuart tanzt, dann im grazilen Stil klassischen Balletts, und beinah unhörbar für den Zuschauer. Ganz anders Elisabeth. Ihr Tanzstil ist eher modern, grob, ihre Sprünge werden begleitet von lautem Stampfen, die Bewegungen wirken impulsiv und hart. Die Gegensätze machen eines klar: Die beiden Frauen könnten unterschiedlicher kaum sein.

Leicester, gespielt von Lukas Aue, verlässt nun auch seine kauernde Position und wechselt in einen Kopfstand. Kurz danach beugt er die Knie, seine Beine kommen auf dem Boden auf. Seinen Rumpf zieht er nach oben, bis er aufrecht steht. Sein Tanz ist geprägt von Akrobatik. Mehrmals erinnern seine Bewegungen an Yoga-Übungen. Wenn er zu einer Drehung auf dem Kopf ansetzt, ist die Assoziation zum Breakdance nicht weit. Sein tänzerischer Eifer spiegelt die Bemühung wider, zwischen den Königinnen zu vermitteln. Elisabeth bittet er, das Hinrichtungsurteil auszusetzen, an Maria Stuart appelliert er, die Dominanz von Elisabeth zu akzeptieren. Offenbar erfolglos.

Als Signal für den bevorstehenden Kampf legen die Frauen ihre Röcke ab. Die machthungrige Elisabeth trägt weitgeschnittene Hosen, während Maria Stuart in engen Leggings auftritt. Leicester stellt vier Eisenstangen an den Ecken der Bühne auf wie bei einem Boxring. Ein Glockenschlag ertönt, ganz wie beim Einläuten von Boxrunden. Die symbolträchtige Umrahmung durch einen Boxkampf mag zwar thematisch passend erscheinen, trägt jedoch nichts zum Verständnis der Handlung bei. Die Choreografen hätten hier mehr den tänzerischen Fähigkeiten ihres Ensembles vertrauen dürfen.

Die dokumentieren allein durch ihre Körpersprache sehr überzeugend, wie das Machtverhältnis allmählich kippt. Erstmals wirken Marias Bewegungen ebenso hart und angestrengt wie die von Elisabeth. Und aus deren Dutt lösen sich mehr und mehr Haarsträhnen, die Krone wackelt. Diese Ebenbürtigkeit ist aber nur von kurzer Dauer. Maria Stuart verändert abermals ihre Körperhaltung, sinkt in sich zusammen, senkt den Blick, faltet flehend die Hände, sie kann der Dominanz ihrer Konkurrentin nicht langfristig standhalten. Nun löst auch Graf Leicester sich aus seiner Passivität und kürt Elisabeth zur Siegerin, indem er, ganz in Boxermanier, ihren Arm empor reißt. Als Maria Stuart und Leicester die Bühne bereits verlassen haben, steht Elisabeth immer noch da in Siegerpose, mit erhobenem Arm und starrem Blick. Vielleicht ist sie ebenso wie Maria Stuart gefangen - in ihrem eigenen Machthunger.

Die nächsten Vorstellungen von Maria Stuart zeigt das Belacqua Theater Wasserburg am Freitag und Samstag, 30. und 31. Oktober, um jeweils 20 Uhr. Karten im Vorverkauf gibt es in der Wasserburger Buchhandlung Fabula sowie über den Online Ticketshop der Theaterwebsite.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2714755
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.10.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.