Süddeutsche Zeitung

Wanderung durch die Geschichte:Drei Tage wie vor 400 Jahren

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Michael Münch aus St. Christoph bei Steinhöring macht die Vergangenheit lebendig

Georg Reinthaler

Wer Michael Münch (Foto: Hinz-Rosin) besucht, wird von einem jungen Mann im historischen Gewand der Bayerischen Armee empfangen. Der 21-Jährige aus Sankt Christoph bei Steinhöring zeigt stolz auf einen Glaskasten an der Wand, der mehrere hundert Jahre alte Hufeisen und verrostete Werkzeugteile enthält. Es sind Relikte aus einer Zeit, in welcher Hufschmiede noch weit verbreitet waren. "Für mich war immer klar, dass ich einen alten Beruf lernen wollte, den es sonst fast nicht mehr gibt," sagt Münch. Während eines landwirtschaftlichen Berufsschuljahres hat er dann tatsächlich eine Lehrstelle als Hufschmied an der Trabrennbahn in Daglfing gefunden. Nebenbei muss Michael Münch auch noch das Handwerk des Kunstschmieds erlernen, um einen Ausbildungsabschluss zu erlangen. "Ich bin jetzt im dritten Lehrjahr und aufgrund der wenigen vorhandenen Arbeitsplätze als Hufschmied wird es wohl auf eine selbständige Tätigkeit im bayerischen Raum hinauslaufen." Doch zuvor wartet noch eine ganz besondere Mission auf ihn: An diesem Freitag bricht er bereits früh am Morgen mit etwa 200 weiteren Teilnehmern zu einem historischen Feldzug nach Wasserburg auf.

Im Rahmen des Vorprogramms für die im Sommer stattfindenden Wallenstein-Festspiele in der mittelalterlichen Kleinstadt am Inn muss die "dicke Berta" schon jetzt sicher ans Ziel gebracht werden. Die viereinhalb Tonnen schwere Kanone, eigens hierfür angefertigt, bildet das Wahrzeichen der Veranstaltung. Mit Hilfe von Pferdegespannen soll das Kunststück gelingen, eine 30 Kilometer lange Strecke über matschige Feldwege und durch dichte Wälder bis Sonntagnachmittag zu absolvieren. Eine entscheidende Rolle spielt dabei Michael Münch: "Ich werde mein Hufschmiedwerkzeug dabeihaben und im Notfall alles tun, damit der Zug nicht stecken bleibt." Sollte beispielsweise ein Hufeisen bei einem Ross locker werden, sind sein Fachwissen und seine Fingerfertigkeit gefragt. Als Mitglied der fiktiven Bayerischen Armee ist er bei nachgestellten Angriffen einer Horde schwedischer Soldaten zudem für die "Verteidigung" der Kanone verantwortlich. Die Gefechte werden publikumswirksam in Dörfern entlang der Trasse inszeniert. Wie zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges vor knapp 400 Jahren wird Michael Münch ein einfaches Leben ohne Mobiltelefon oder Auto führen müssen. Übernachtet wird in Heuböden und Scheunen von Bauernhöfen. "Naja, unter dem historischen Gewand ziehe ich mir aber schon extra warme Unterwäsche an, damit ich nicht zu sehr friere", gibt der Schmied zu.

In seiner Freizeit betätigt sich Michael Münch sonst als Hobbyhistoriker und ist seit der Kindheit fasziniert von der Epoche des Mittelalters. Er spielt Geige und ist sogar Mitglied einer historischen Tanzgruppe. "Das Langsame und Bodenständige der damaligen Zeit reizt mich besonders." Auch wenn seine Mutter ihn diesbezüglich für verrückt halte, freue er sich riesig auf das Gemeinschaftserlebnis beim Wallenstein-Marsch.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2013
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