Wahlverhalten im Landkreis:Tiefschwarz mit Farbtupfern

Lesezeit: 5 min

Die Landkreisbürger wählen überwiegend konservativ, das zeigen die Ergebnisse der vergangenen 27 Jahre. Regional gibt es aber große Unterschiede, besonders bei Grünen und SPD hängt das Ergebnis von der Kommune ab

Von Wieland Bögel

Je näher eine Wahl rückt, desto mehr Leute wollen wissen, wie sie denn ausgehen wird - nicht dass man versehentlich für die Verlierer stimmt. Daher veröffentlichen die Demoskopen aktuell in rascher Folge die neuesten und allerneuesten Prognosen zur Bundestagswahl. Allerdings geben diese lediglich Auskunft über die Trends in Bund und Land, nicht jedoch darüber, wie denn in der Nachbarschaft gewählt wird. Vielleicht hilft hier ja ein Blick auf die Ergebnisse der vergangenen Wahlen, um doch noch zu einem Ebersberger Landkreistrend zu kommen.

Grundlage sind die Daten des Statistischen Landesamts seit 1990, also der ersten Bundestagswahl nach der Wiedervereinigung, für den Landkreis Ebersberg und seine 21 Kommunen. Klarer Gewinner aller sieben vergangenen Bundestagswahlen war im Landkreis stets die CSU, 2013 entfiel genau die Hälfte aller Zweitstimmen im Landkreis auf sie. Ihr bislang schlechtestes Ergebnis erzielte sie 2009 mit 42,9, ihr bestes 2002 mit 58,3 Prozent. Zweiter wurde stets - mit gehörigem Abstand - die SPD, 18,2 Prozent der Wähler stimmten 2013 für die Sozialdemokraten, immerhin 3,3 Prozentpunkte besser als 2009, als die SPD ihr schlechteste Ergebnis im Landkreis einfuhr. Am besten abgeschnitten hat die SPD 1998, damals kam sie auf 30,2 Prozent.

Die Spitzenkandidaten für den Wahlkreis stellen sich auf Plakaten vor. (Foto: Christian Endt)

Auf den dritten Platz bei der vergangenen Wahl kamen die Grünen mit 9,6 Prozent. Ihr bestes Ergebnis erzielte die Ökopartei vier Jahre zuvor mit 13,1 Prozent - was damals dennoch nur für Platz vier reichte, denn 2009 war das Rekordjahr der FDP. Ganze 16,9 Prozent der Landkreisbürger entschieden sich damals für die Liberalen - nur 5,8 Prozent waren es dann noch 2013, das zweitschlechteste FDP-Ergebnis nach 5,5 Prozent 2002.

Keine nennenswerte Rolle bei den Ebersbergern spielt dagegen die Linkspartei. Kein einziges Mal seit die Partei - zunächst noch unter dem Namen PDS - zur Wahl stand, kam sie über fünf Prozent. 2013 machten 2,8 Prozent der Wähler ihr Kreuzchen bei den Linken, bestes Ergebnis waren 4,2 Prozent vier Jahre zuvor, schlechtestes gerade 0,2 Prozent 1990.

Spannend dürfte dieses Mal allerdings werden, wie die 13,7 Prozent der Wähler abstimmen, die 2013 für die "Sonstigen" votierten, also Parteien, die neben der FDP den Einzug ins Parlament ebenfalls verpasst hatten. Darunter waren damals die Freien Wähler - im Kreistag aktuell immerhin die viertgrößte Fraktion - die Bayernpartei, die zwei Kreisräte stellt, genau wie die damals erstmals angetretene AfD. 2013 erreichte die AfD im Wahlkreis Erding/Ebersberg immerhin 5,1 Prozent, für den Landkreis Ebersberg alleine lautete das Ergebnis damals 4,99 Prozent.

Auch bei Podiumsdiskussionen, wie hier beim SZ-Forum vor zehn Tagen, treten die Spitzenkandidaten auf. (Foto: Christian Endt)

Interessant ist auch, dass die Parteien in den Kommunen unterschiedlich beliebt sind. So erzielte die CSU in einigen Gemeinden bei Bundestagswahlen stets eine absolute Mehrheit, nämlich in Baiern, Frauenneuharting, Hohenlinden und in Emmering - hier holte die CSU sogar ihr bisher bestes Ergebnis, 2002 bekam sie dort sagenhafte 81,9 Prozent.

Von solchen Werten kann man bei den Genossen nur träumen, dennoch hat auch die SPD ihre Hochburgen. Besonders in Kirchseeon, Poing und Markt Schwaben scheint es viele SPD-Wähler zu geben, in den beiden nördlichen Gemeinden hatten die Genossen 1998 auch ihr bisher bestes Ergebnis: 36,5 Prozent der Poinger und Markt Schwabener votierten damals für die SPD. Was allerdings immer noch gut zwei Prozentpunkte unter dem schlechtesten Ergebnis liegt, das die Christsozialen im Landkreis bei einer Bundestagswahl je erzielten. 2009 war das - und damals ebenfalls in Poing und Markt Schwaben.

Der Vorsprung der CSU ist deutlich, besonders in ländlichen Teilen. In Kommunen mit S-Bahn-Anschluss wohnen hingegen meist mehr SPD-Wähler, deren Zahl noch zunimmt, je näher die Gemeinde an München liegt. Umgekehrt fährt die SPD auf dem Land meist nur Ergebnisse um die zehn Prozent ein, Negativrekord waren bei der Wahl 2009 lediglich 5,5 Prozent in Emmering. Dort blieben die Genossen auch bei der vergangenen Wahl einstellig, genau wie in Baiern und Frauenneuharting, den Hochburgen der CSU.

Weniger eindeutig ist das Stadt-Land-Verhältnis bei den Grünen. Sie scheinen dort stark zu sein, wo die CSU schwächer, die SPD aber nicht stärker wird. Etwa in Ebersberg und Grafing. In der Kreisstadt kam die Ökopartei bei Bundestagswahlen seit 2002 immer auf zweistellige Ergebnisse, 2009 waren es sogar 16 Prozent, 2013 bei der für die Grünen desaströsen Wahl immerhin noch 10,2. Ähnlich in Grafing, hier knackten die Grünen 1994 erstmals die Zehn-Prozent-Marke, 16,2 Prozent waren es 2009, 13,3 vor vier Jahren. Währenddessen bewegten sich die Ergebnisse von CSU und SPD kaum, und wenn dann nach unten. Erstere schwankt in beiden Städten um die 50, zweitere um die 20 Prozent. In Ebersberg und Grafing haben die Grünen 2009 sogar die SPD überholt. In Ebersberg sehr knapp mit 16 zu 15,8 Prozent, in Grafing mit 16,2 zu 14,4 schon deutlicher.

Besonders auf dem Land laufen die Grünen immer mehr der SPD den Rang ab. Etwa in Baiern, wo sie 2009 wie 2013 mit je acht Prozent auf gut zwei Punkte mehr als die SPD kamen. In Emmering eroberte die SPD 2013 Platz zwei mit 8,9 zu 8,8 Prozent ganz knapp zurück, vier Jahre zuvor lagen die Grünen noch klar vorn. Auch in Baiern, Frauenneuharting und Oberpframmern lag 2009 Grün vor Rot, in Moosach erzielte die Partei damals sogar 17,5 Prozent, ihr bisher bestes Landkreisergebnis.

Bei der FDP scheint mehr der Bundestrend als der Ort eine Rolle zu spielen. So wurden die Liberalen 2009 in allen Landkreis-Kommunen mit zweistelligem Ergebnis gewählt. In Vaterstetten kamen sie sogar auf 21,1 Prozent, so viel wie nie zuvor - und auch nie wieder. Denn vor vier Jahren kam die FDP in gerade einmal in elf Kommunen überhaupt noch über fünf Prozent, im Landkreis lag sie immerhin noch bei 5,8 Prozent. Vier Jahre zuvor - im Jahr des bislang schlechtesten CSU-Ergebnisses im Landkreis - waren die Liberalen noch vor der SPD auf Platz zwei. 2013 wanderte wohl ein Teil der Wähler wieder zurück - und zur AfD, die damals noch einen radikal wirtschaftsliberalen Kurs fuhr. Deren Ergebnisse fielen vor vier Jahren besonders dort gut aus, wo 2009 noch die FDP punkten konnte. Ähnlich scheint die Wählerwanderung zwischen SPD, Grünen und Linken zu funktionieren. Letztere kamen bei Bundestagswahlen im Kreis nur 2009 überhaupt jemals in die Nähe der fünf Prozent, darüber lagen sie auch damals nur in Kirchseeon, Markt Schwaben und Poing - wo sonst die SPD ihre Hochburgen hat. Auch für die Grünen brachte 2009 das bisher beste Ergebnis.

Daraus kann man folgern, dass die Milieus im Landkreis relativ stabil sind: Offenbar waren 2009 viele konservative wie auch sozialdemokratische Stammwähler mit der damaligen großen Koalition unzufrieden, genau wie 2013 Wähler von FDP, Linken und Grünen. Sie entschieden sich darum zwar für andere Parteien, aber solche mit einer ähnlichen politischen Ausrichtung - oder sie blieben ganz Zuhause.

Denn seit 2005 ist die Wahlbeteiligung im Landkreis stetig gesunken, am stärksten war der Einbruch 2009, als nur noch 77,7 Prozent der Landkreisbürger ihre Stimme abgab - 6,7 Prozentpunkte weniger im Vergleich zur vorangegangenen Bundestagswahl. Der niedrigste Wert wurde dann mit nur noch 77 Prozent bei der vergangenen Wahl erreicht - was allerdings durch das Bevölkerungswachstum etwas kompensiert wurde: So gingen 2013 in der Summe gut 2000 Landkreisbürger mehr zur Wahl, als vier Jahre zuvor.

© SZ vom 23.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: