Süddeutsche Zeitung

Wahltag im Landkreis Ebersberg:Von VIPs und letzten Postings

Endspurt an der Urne und im Netz: Die Wahlhelfer sorgen für einen reibungslosen Ablauf, die Direktkandidaten setzen sich online nochmal in Szene

Von Anja Blum und Korbinian Eisenberger

Die gute Nachricht ist: Die Politprominenz in Ebersberg und Erding weiß offenbar - ganz im Gegensatz zum Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet - ganz genau, wie man wählen geht: Die Zettel jedenfalls sind, das lässt sich in den sogenannten Sozialen Medien ja schön verfolgen, alle richtig herum gefaltet, so dass erst gar keine Diskussion über ungültige Stimmen aufkommen kann. CSU-Direktkandidat Andreas Lenz fährt in Frauenneuharting mit dem Rad rekordverdächtig schnell ins Wahllokal und versenkt seinen Stimmzettel mit dem starken Wurfarm im Kasten. Seine Konkurrentin Magdalena Wagner von der SPD trägt beim Urnengang in Egmating stilsicher ein rotes Kleid zum hoffnungsvollen Lächeln. AfD-Kandidat Peter Junker hingegen muss in Finsing im Landkreis Erding sein Partei-Kappi ablegen. "Gottseidank hatte ich kein AfD-Shirt an!", schreibt er, nicht ohne Selbstironie, auf Facebook. Und Grünen-Kandidat Christoph Lochmüller darf sich in Hohenlinden tatsächlich über eine grüne Urne freuen, in die er seinen Wahlzettel mit breitem Grinsen steckt.

Aber auch sonst scheint alles glatt zu laufen an diesem wichtigen Tag im Bundestagswahlkreis 213, der die beiden Landkreise Ebersberg und Erding umfasst. Die Bürger strömen jedenfalls zahlreich an die Urne. Die Pandemie ist nun schließlich schon ein paar Tage alt, man hat sich mittlerweile offenbar gewöhnt an Masken, Desinfektionsspender und Einbahnregelungen. Vermutlich sind auch viele der Wahlhelfer Wiederholungstäter und daher mit dem Prozedere bestens vertraut - wie zum Beispiel die SPD-Landtagsabgeordnete Doris Rauscher, die ihren Dienst in einer Ebersberger Turnhalle versieht. Sie klärt im Internet darüber auf, dass Spicken nicht erlaubt sei. "Vor 18 Uhr werden natürlich nur die Briefe geöffnet, noch nicht die Kuverts mit den Wahlunterlagen."

Außerdem lassen sich die Organisatoren der Abstimmungen vor Ort so einiges einfallen, um größtmögliche Sicherheit zu bieten und vor allem dichtes Gedränge zu vermeiden. Im Grafinger Gymnasium etwa stehen die Wahlhelfer per Walkie-Talkies in Kontakt. Gibt es irgendwo eine freie Kabine, wird das umgehend an den Einlass gemeldet. Die Türsteher rufen den entsprechenden Stimmkreis aus - wer ihn auf dem Zettel hat, darf an der Schlage der Wartenden vorbei gehen und eintreten. Die passende Wahlbescheinigung fungiert hier gewissermaßen als VIP-Ticket. Obendrein dürfen sich die Grafinger an diesem Sonntag nicht nur über den Segen der Demokratie freuen, sondern auch Kultur genießen: Die Gruppe Movimento lädt direkt neben der Schule zu einer Open-Air-Show mit Artistik, Tanz und Livemusik. In Vaterstetten hingegen feiert die neue Schule Premiere als Wahllokal - es ist also vermutlich für viele Bürger das erste Mal, dass sie das Gebäude von innen sehen.

Die zehn Kandidaten des Wahlkreises und ihre Parteifreunde machen freilich auch kurz vor Schluss nochmal Werbung in eigener Sache, vor allem im Netz. Der CSU-Landtagsabgeordnete Thomas Huber aus Grafing etwa postet ein Foto, auf dem die christsoziale Lokalprominenz ihrem Direktkandidaten plakativ den Rücken stärkt. Die Egmatingerin Magdalena Wagner präsentiert sich per Fotopost einmal mehr mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Im Geleit: ein ordentlich gefülltes Glas Weißbier aus ihrem Wahlkreis. Und das kleine "Genösschen Luna" aus Ebersberg fliegt in den Händen seiner Mutter durch die Luft.

Ansonsten dominieren Tiere den Wahlkampfendspurt: FDP-Mann Marc Salih zeigt sich bei einem Besuch in einem Dorfener Kuhstall, die ÖDP-Kandidatin Charlotte Schmid aus Poing beweist mit einem Video, dass sie nicht nur ein Händchen für Insekten hat, sondern auch für Instrumente. Tobias Boegelein von der Linken wiederum posiert auf einem Pferde-Gnadenhof in Bruck, und auch Birgit Obermaier aus Pastetten streichelt sich wahlkämpfend durch ihren Heimatlandkreis Erding: In Forstern trifft sie Alpakas. Ganz klassisch am Wahlstand hat sich Simone Binder aus Grafing fotografieren lassen, die Kandidatin der Bayernpartei. Nur Alexandra Motschmann von Die Basis hält sich online weitestgehend zurück.

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SZ vom 27.09.2021
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