Süddeutsche Zeitung

Wahlkampf in Ebersberg:"Vielleicht gefällt den Leuten mein Kopf nicht"

Der Plakat-Vandalismus im Kreis Ebersberg ist intensiver als bei vergangenen Wahlen, besonders bei AfD und CSU. Wie die Spitzenkandidaten darauf reagieren.

Von Annalena Ehrlicher, Ebersberg

6100 Wahlplakate hat Hilmar Sturm (AfD) für den Wahlkampf im Landkreis Ebersberg bestellt. Sturm will für die Partei als Direktkandidat in den Landtag einziehen - und kommt vorbereitet. Denn: "In manchen Landkreisgemeinden wie zum Beispiel Steinhöring, Glonn und Grafing haben wir eine 100 Prozent Zerstörungsquote, teils innerhalb der ersten 24 Stunden", gibt er an. Insgesamt seien in den vergangenen Wochen knapp 800 Plakate beschmiert oder schlichtweg entfernt worden.

Zum Vergleich: Doris Rauscher, SPD-Direktkandidatin für den Landkreis, hat nach Rücksprache mit den einzelnen Ortsverbänden einen Gesamtbedarf von etwa 1000 Plakaten ermittelt. "Als Reserve haben wir noch ungefähr 200 weitere Exemplare in petto", sagt sie.

Vandalismus an Wahlplakaten und Aufstellern kommt im Landkreis derzeit häufiger vor, als bei vergangenen Wahlen, dies bestätigt die Polizei Poing. Und, für manche Parteien scheint dies nach Aussagen von deren Mitgliedern und Kandidaten mehr zu gelten, als für andere. Auch Mitbewerber schildern den Eindruck, dass besonders häufig die Wahlwerbung der AfD betroffen ist. "Aber das Ausmaß kann man sich gar nicht vorstellen", beteuert Sturm. Obwohl der Direktkandidat und seine Helfer die Plakate bewusst, sofern möglich, in mindestens drei Meter Höhe aufhängen, sei die Ausfallquote sehr hoch.

Auch die CSU hat in diesem Jahr mit Vandalismus zu kämpfen: "Wir haben in verschiedenen Ortsverbänden dieses Mal auffällig viele Sachbeschädigungen: heruntergerissene, übermalte oder übersprühte Plakate", berichtet der CSU-Direktkandidat Thomas Huber. Er ist in ständigem Austausch mit den Freiwilligen, die sich in den Gemeinden am Wahlkampf beteiligen. In Grafing sei es besonders in der ersten Woche, in der dort plakatiert wurde, "jede Nacht vorgekommen, dass einzelne Plakate entfernt oder beschmiert wurden."

Hammer und Sichel

Aus Aßling schildert Huber einen besonders drastischen Fall, der auch zu einer Anzeige seitens der CSU führte: In der Nacht von auf den vorvergangenen Samstag wurden sämtliche Plakate sowie die Bauzaunbanner mit Parolen beschmiert. "FCK CSU" ist an diversen Stellen zu lesen, aber auch das Antifa-Kürzel "161" sowie das Symbol für Anarchie. Auch in den Gemeinden Kirchseeon, Glonn und Anzing kam es vermehrt zu Beschädigungen. "Christlich? Religion schiebt niemand' ab", heißt es beispielsweise auf einem Portrait Hubers in Anzing. "Und in Grafing mussten wir am Anfang quasi jede Nacht nachplakatieren", sagt er.

Alexander Müller, Direktkandidat der FDP, hat den Eindruck, dass landkreisweit alle Parteien dieses Jahr unter stärkerem Vandalismus an ihrer Wahlwerbung leiden. "Trotzdem hat insgesamt der Sturm am Sonntag mehr angerichtet", fügt er hinzu. Nur in Vaterstetten kam es aufgrund der Zerstörung von Plakaten zu einer Anzeige. Zudem habe er verstärkt Schmierereien in Aßling und Ebersberg festgestellt: "An einer Plakatwand hat sich jemand grafisch ausgetobt und mir Hammer und Sichel übers Gesicht geschmiert", erzählt er.

Ähnliches berichtet der Direktkandidat der Bayernpartei Robert Böhnlein: Insgesamt hat er kaum Beschädigungen festgestellt - das abgerissene Plakat an einer Wand in Kirchseeon sieht er nicht als spezifisch gegen seine Partei gerichtet, da auch die Plakate von Mitbewerbern zerstört wurden. "Mir ist aufgefallen, dass eher die Kopfplakate kaputt gemacht wurden, als die auf denen nur unser Slogan steht - vielleicht gefällt den Leuten mein Kopf nicht", scherzt er.

Doris Rauscher hat nur einmal über eine Anzeige nachgedacht, nämlich als in der Floßmannstraße in Ebersberg eines ihrer Wahlbanner direkt vom Gartenzaun weggeklaut wurde. "Wer weiß, wo das jetzt hängt", sagt sie. "Ansonsten waren die Schäden im Rahmen des Normalen." In Egmating sei ihr Plakat von der AfD überklebt worden - Sturm sagt seinerseits, es habe sich um ein Missverständnis gehandelt, das auf der Plakatierverordnung der Gemeinde beruht. Unabhängig davon berichtet Rauscher von kleineren Schmierereien, beispielsweise in Grafing. "Ansonsten löst sich eben manchmal eine Ecke und sobald daran jemand zieht, hängt das ganze Plakat in Fetzen", erzählt sie.

Auch von Seiten der Grünen spricht man nicht von systematischen Zerstörungen: Wahlkampfmanager Wolfgang Huber beschreibt für Grafing zwar eine Ausfallquote von etwa zehn Prozent - allerdings sind darin Wetterschäden enthalten. "In Kirchseeon wurde mein Gesicht mal rausgeschnitten", fällt Direktkandidat Thomas von Sarnowski, ein "aber mal ehrlich, das passiert halt - insgesamt läuft es bei uns sehr zivilisiert ab."

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SZ vom 27.09.2018/koei
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