Wahlkampf:Das Dilemma mit dem Fachkräftemangel

Wahlkampf: Auch Landrat Robert Niedergesäß ist zum Sozialempfang geladen. Hier begrüßt er Gertrud Hanslmeier-Prockl, die Leiterin des Einrichtungsverbunds. Neben ihr (in Pink): Sozialministerin Kerstin Schreyer.

Auch Landrat Robert Niedergesäß ist zum Sozialempfang geladen. Hier begrüßt er Gertrud Hanslmeier-Prockl, die Leiterin des Einrichtungsverbunds. Neben ihr (in Pink): Sozialministerin Kerstin Schreyer.

(Foto: Christian Endt)

Die bayerische Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) kommt auf Einladung ihres Ebersberger Parteikollegen Thomas Huber nach Steinhöring. Die Stimmung ist gut, nur am Schluss wird es kurz ungemütlich

Von Clara Lipkowski, Steinhöring

Zum Schluss wird es einmal ungemütlich. Kerstin Schreyer (CSU) funkelt Parteikollegin Martina Matjanovski an. Die hatte soeben der Sozialministerin nahegelegt, mehr für Frauen mit Gewalterfahrung im Landkreis zu tun. Darauf Schreyer: "Sie als Kreisrätin sind selbst zuständig für diese Fragen, das ist nicht Aufgabe des Landes." Dann aber betont sie, dass das Land - obwohl nicht zuständig - schon viel getan habe, man habe etwa die finanzielle Unterstützung für Frauenhäuser aufgestockt. "Ich gehe davon aus, dass das Dankesschreiben morgen da ist", ätzt sie.

Bis auf diesen Moment ist die Stimmung am Dienstagabend im Steinhöringer Einrichtungsverbund gut. Die Band Das rote Motorrad schmettert zur Begrüßung zwei Schlager und lässt die etwa 70 Zuhörer im Takt mitklatschen: "Jetzt keine Müdigkeit vortäuschen!" Der Ebersberger CSU-Landtagskandidat Thomas Huber hatte zum Sozialempfang geladen und, wie im Wahlkampf üblich, einen prominenten Gast mitgebracht. Gekommen sind zahlreiche Mitarbeiter sozialer Einrichtungen im Landkreis und Landrat Robert Niedergesäß. Kerstin Schreyer ist seit März 2018 bayerische Sozialministerin und hat in dieser Funktion unter anderem das umstrittene Familiengeld mit auf den Weg gebracht. Wie Thomas Huber hofft sie in der nächsten Legislaturperiode auf einen Sitz im Maximilianeum. Anlass für beide, das schon Erreichte zu loben.

Huber sagt: "Es geht uns gut, aber es geht nicht allen gleich gut". Das Landespflegegeld aber entlaste schon diejenigen, die Angehörige zu Hause pflegen. In das bayerische Teilhabegesetz habe er zudem praktische Erfahrungen aus Ebersberg aufnehmen können. Nun kämpfe er für einen Pflegestützpunkt im Landkreis und führe Debatten mit der Deutschen Bahn weiter, um die Mobilität für Menschen mit Behinderungen zu verbessern, etwa an den Bahnsteigen in Grafing-Bahnhof. "Man kommt von Gleis eins oder zwei schon gut barrierefrei nach München. Aber man muss ja auch wieder zurückkommen!" An Gleis vier und fünf unmöglich. Ein paar andere Bahnhöfe seien schon barrierefrei, aber die Züge, die dort halten, nicht. In Steinhöring behelfe man sich deshalb von Dezember an mit einem Hebelift, kündigt er an. Für Geheingeschränkte soll zudem in Ebersberg die Ampeltaktung besser werden. "Die zehn Sekunden sind für sie sehr kurz", sagt Huber.

Die Ministerin kommt naturgemäß auf größere Themen zu sprechen, nennt den Fachkräftemangel in Pflegeberufen und Kitas "ein Problem". Dort "den Personalschlüssel zu senken, würde bedeuten, dass andere Kinder nicht versorgt würden", fasst sie das Dilemma zusammen. Gertrud Hanslmeier-Prockl, Leiterin des Einrichtungsverbunds, hat zuvor darauf aufmerksam gemacht, dass bei ihr alle 34 Ausbildungsplätze für Heilerziehungspflege besetzt seien und trotzdem Mitarbeitermangel herrsche. "Und die behinderten Menschen zahlen's mit Leistungsverzicht." Schreyer wiederum betont, dass die CSU im Personalwesen schon viel geschafft habe, 2000 Stellen für Tagesmütter etwa. Und dann verteidigt sie das Familiengeld vehement. Die Kritik, dass es Hartz-IV-Empfängern mehr schade als helfe, weist sie weit von sich. "Wir zahlen jeden aus". Vielmehr sei ihr Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in die Parade gefahren und habe statt mit ihr, nur mit "der Zeitung" geredet. Heil hatte kritisiert, dass das Geld, wie es jetzt beschlossen ist, auf Sozialleistungen angerechnet werden müsse - was nicht stimme, so Schreyer.

Nach gut einer halben Stunde verlässt sie das Podium. Der Beifall ist kurz und kräftig. Ein paar Zuhörer haben vor allem die Kritik an der SPD geteilt. Auch Gertrud Hanslmeier-Prockl hat während der Rede oft genickt. Als Schreyer wieder neben ihr Platz nimmt, tippt sie sie am Arm. Sie hätte da trotzdem noch ein paar Fragen.

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