Vortragskritik:Überraschend nüchtern

Vortragskritik: Beim Versuch, sein Programm lebendig vorzutragen, bleibt es bei Bastian Sicks Auftritt im Alten Speicher.

Beim Versuch, sein Programm lebendig vorzutragen, bleibt es bei Bastian Sicks Auftritt im Alten Speicher.

(Foto: Endt)

Bastian Sick, Retter des vom Tode bedrohten Genitivs, erweist sich im Alten Speicher eher als belehrend denn als begeisternd

Von Ulrich Pfaffenberger, Ebersberg

Am Samstag sind die bedrohliche Feststellung "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" und deren Autor Bastian Sick erstmals gemeinsam in Ebersberg angekommen. Im ordentlich, aber nicht voll besetzten Alten Speicher durfte sich ein an Jahren fortgeschrittenes und im kritischen Umgang mit Sprachschludereien begeisterungsfähiges Publikum eine satte Portion Stil-, Rechtschreib- und Grammatikkritik einverleiben. Die fröhlichen Lacher entlang des mehrgängigen Menüs an Aufgespießtem, Durchgenudeltem und Filetiertem zeugten von der Bekömmlichkeit des Servierten - schwere Kost war es nicht.

Regelmäßige Leser der Kolumnen und Bücher Sicks erlebten während des zweistündigen Auftritts so manches Déjà-vu. Aber dafür geht man ja zu solchen Veranstaltungen: um die zweite, mit persönlicher Aura angereicherte Variante des Bekannten zu erleben. Allerdings bediente der einstige Dokumentationsjournalist und heutige Autor der Spiegel-Online-Kolumne "Zwiebelfisch" diese Wünsche überraschend nüchtern. Ein sympathischer Mensch ist er ganz ohne Zweifel; ein kundiger obendrein, der gewandt, präzise, kompakt und gut verständlich erklärt. Aber er ist keiner, dem die Herzen zufliegen, selbst wenn er den Entertainer herauskehrt und die eine oder andere Gesangsnummer einstreut. Da haben wir in Ebersberg schon Kabarettisten gesehen, die das anmutiger auf die Bretter brachten.

Bastian Sick ist keiner, der auf der Bühne improvisiert: Sein Ablaufplan ist fixiert, seine Texte sind, im buchstäblichen Sinne, Schriftdeutsch. Von einer Beschaffenheit also, die fachlich höchsten Ansprüchen genügt, aber im Vortrag keine dauerhafte Beziehungsebene zwischen ihm und seinem Publikum gedeihen lässt. Säße er doch wenigstens da und läse gemütlich aus seinem Buch vor. Ließe er doch den Dozenten im Gepäck und gäbe er den pedantisch-liebenswürdigen Ohrensessel-Kritiker. Doch er simuliert lieber einen lebendigen Vortrag; ganz dynamischer Vorstandsvorsitzender der Sprachreinigungs-AG. In dieser Rolle zieht er es vor, an einem Pult zu stehen und gelegentlich einige Schritte und Gesten zu bieten.

Aber dabei fesseln ihn auf dem Pult liegende Stichwortzettel, an denen er sich entlangarbeitet, so wie er auch fortlaufend den Monitor seines Laptops im Blickwinkel behält. Angesichts der Tatsache, dass er mit der Nummer vom todgeweihten Genitiv schon mehr als zehn Jahre durch die Lande tingelt, ist derlei doch überraschend ungelenk.

Überraschend absehbar zeigten sich die Inhalte seines Programms: Die Gedanken über Getrennt- und Zusammenschreibung hat er - genauso wie die Attacke auf "Denglisch" und die Kritik an der Sprache der "political correctness" - schon zu oft und zu ausführlich formuliert, als dass er damit noch Aha-Effekte erzielen sollte. Er erzielt sie trotzdem, weil ein von schlechtem Sprachgebrauch umbrandetes und von der Rechtschreibreform verunsichertes Publikum sich darüber freut, dass das eigene Misstrauen und Unbehagen offenbar doch begründet ist. Nach dem Motto: Wenn das der Sick schon sagt - und der war beim Spiegel.

Banal sind die Inhalte Sicks allerdings nicht. Zweifellos sind etymologische Ausritte in die Herkunft und Mehrdeutigkeit von Worten eine Anregung für den Geist. Selbstverständlich freut man sich über die Idee, eine "Ode an den Konjunktiv" vorgesungen zu bekommen. Nur zu gern nimmt man rätselnd Teil an den kleinen Werbeinseln für Sicks neue Sprach-Quiz-App. Oder man fühlt sich zutiefst berührt, dass Vogelnamen im deutschen Sprachgebrauch so oft für Negatives herhalten müssen.

Aber spätestens, wenn es an die Verballhornung von Redensarten wie "Schweigen ist Reden und Silber ist Gold" geht, erinnern sich die Älteren daran, wie dies ein Heinz Erhardt zu mitreißender Kunst verwandelte. Von dieser spielerischen Leichtigkeit ist Sick weit entfernt. Würde er indes tiefer schürfen und sich im satirisch-kritischen Dialog verstärkt den Gründen für die Leiden der deutschen Sprache zuwenden, könnte er ihr und ihren Nutzern vermutlich so sehr helfen wie bisher dem Genitiv.

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