Vorstellungen im Grafinger Kino:Glückselig auf dem Vulkan

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Der Chiemgauer Naturfilmer Stefan Erdmann ist fasziniert von ursprünglichen, weiten Landschaften. Seine Filme, zum Beispiel über Island und die Kanaren, kommentiert er live

Von Valentin Tischer

An der gleichen Stelle, an der er vor Jahren einmal ein Lager für die Nacht errichtet hat, ist kein Leben mehr möglich: Eine riesige Vulkanspalte hat sich geöffnet, ein Lavastrom fließt durch die Landschaft. Stefan Erdmann erzählt mit großer Faszination und Demut von dem Moment, den er während eines Vulkanausbruchs auf Island erlebt hat. Der Chiemgauer ist leidenschaftlicher Reisender und Filmemacher. Wenn er seine Werke im Kinosaal zeigt wie nun in Grafing, kommentiert er sie live.

Begonnen hat das alles schon sehr früh. Bereits als Jugendlicher habe ihn das Medium Film interessiert, sagt Erdmann, heute 52 Jahre alt. Seine Zukunft hatte er aber anders geplant, denn nicht minder begeistert war er von der Musik. "Früher wollte ich eigentlich Rockstar werden", erzählt er. Beide Leidenschaften brachte er damals zusammen, indem er Videos über seine eigene Musik drehte. Als das Berufsleben dann richtig losging, schlug Erdmann jedoch erst einmal einen anderen Weg ein: Er gründete eine Werbeagentur. Als sich dann aber einige Jahre später einer seiner Mitarbeiter selbständig machte und ihm den Hauptkunden abwarb, beschloss Erdmann endgültig, etwas zu ändern - und einen Film über Island zu drehen.

Der Inselstaat spielt für Erdmann schon lange eine wichtige Rolle, bereits als Kind war er von den nordischen Landschaften fasziniert gewesen. Mit einer kleinen Kamera bewaffnet zog er also los, um dann im November 2007 seinen ersten Film über das Land zu veröffentlichen. Mehr als 30 Reisen hat er mittlerweile in Richtung Norden unternommen. Die absolute Abgeschiedenheit, die Weite der Landschaft und die ursprüngliche Natur faszinieren den Filmemacher bis heute.

Neben seiner langjährigen Leidenschaft für Island hat sich Erdmann aber auch anderen Regionen der Erde zugewandt, dem Himalaja und seiner Heimat, dem Chiemgau. Sein neustes Projekt sind die Kanaren. Die Inseln sind ja eher bekannt für Hotelburgen und Massentourismus, aber Erdmann hat auch dort viele Orte gefunden an denen er Ruhe und Einsamkeit erleben konnte. Zum Beispiel in den Gebirgszügen im Nordosten und Westen von Teneriffa habe eine "fast schon heile Welt" entdeckt, sagt er. Die spanische Inselgruppe ist wie Island vulkanischen Ursprungs, was ihn 2013 entscheidend beeinflusste, dort zu drehen. Premiere feierte dieser Film erst im Januar.

Bei seinen Dreharbeiten ist Erdmann meist alleine unterwegs. "Manchmal muss ich an einer Location sechs, sieben oder acht Stunden warten. Irgendwann kommt dann der Ausdruck, den ich festhalten möchte", sagt er. Besonders die äußeren Bedingungen erschweren ihm dabei oft die Arbeit: Was andere als gutes Wetter bezeichnen würden, hat er nicht so gern. "Strahlend blauer Himmel ist für einen Filmemacher kein gutes Wetter", sagt Erdmann. Wolken, Schatten und verschiedene Lichtverhältnisse böten viel bessere Filmbedingungen, erklärt er. Bei Sturm filme er aber auch nicht gerne: Bei Dreharbeiten daheim wurde Erdmann fast von einem Baum erschlagen, als er den Chiemsee während eines Orkans filmen wollte.

Erdmanns Dreharbeiten sind also gefährlich und auch körperlich anstrengend. "Schlussendlich ist das aber noch der einfachste Teil", sagt er. "Die größte Herausforderung ist es nämlich, 250 Stunden Material zu sichten und daraus einen Zwei-Stunden-Film zu machen." Dabei eine Dramaturgie einzuhalten, einen Spannungsbogen aufzubauen und trotzdem ruhige Momente zu schaffen, dieser Prozess sei sehr arbeitsintensiv erklärt Erdmann. Auch im Scheideraum arbeitet der Chiemgauer weitgehend alleine.

Ein wichtiger Aspekt, das "große Ganze zu schaffen", wie Erdmann es nennt, ist die musikalische Untermalung der Aufnahmen. "Die Musik ist fünfzig Prozent vom Bild: Mit der falschen kann man viel zerstören, mit der richtigen die Emotionen unterstützen und die Bilder erlebbar machen", erklärt er. Zusammen mit dem Hamburger Komponisten Jens Lück und der Sängerin Isgaard erarbeit der Filmemacher die richtige Klangbegleitung seiner Dokumentationen. Eine Narration gibt es hier nicht, diese Filme bestehen nur aus Musik und Bild, denn bei den Aufführungen kommentiert Erdmann seine Werke live auf der Bühne. Durch ganz Deutschland und Österreich reist er, um seine Werke zu zeigen. "Das Erzählen ist für mich die Essenz meiner Arbeit", erklärt er. Mit jedem Bild verbinde er Emotionen und Erlebnisse, die er so in die Vorstellungen einbringen wolle. Für Erdmann sind dies zwei Stunden "pure Glückseligkeit" - und es freue ihn immer zu spüren, wie seine Filme auch das Publikum bewegten.

Stefan Erdmann im Capitol Filmtheater Grafing: Für "Island 63° 66° N" am Sonntag, 31. März, gibt es kaum mehr Karten, für "Kanaren 27° 29° N" am Freitag, 5. April, um 20 Uhr aber schon. Weiter Veranstaltungen sind geplant.

© SZ vom 22.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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