Vorpremiere in Pliening:Furiose "Rede" reißt das Publikum mit

Vorpremiere in Pliening: Kein Wahlkampf, aber durchaus politisch engagiert: Bruno Jonas präsentiert sein neues Programm im Bürgerhaus Pliening.

Kein Wahlkampf, aber durchaus politisch engagiert: Bruno Jonas präsentiert sein neues Programm im Bürgerhaus Pliening.

(Foto: Christian Endt)

Der Münchner Kabarettist Bruno Jonas stellt in Pliening mit einem brandneuen Programm sein rhetorisches Können unter Beweis

Von Wolfgang Langsenlehner, Pliening

Wenn der altgediente Kabarettist Bruno Jonas sein neues Programm "Meine Rede" nennt, so kann man von einem Understatement geradezu britischen Ausmaßes ausgehen. Der Ex-Barnabas vom Nockherberg hält eine einfache Rede? Weit gefehlt! Auch wenn der Rahmen inklusive Rednerpult und seinem Namen in überdimensionierten Buchstaben aussieht wie bei einem Wahlkampfauftritt, so bietet das Programm weitaus mehr. Es geht hier auch um das ganze Drumherum, die Ausschweifungen und Anekdoten, die die eigentliche Rede ausschmücken, sie erweitern, kommentieren und bereichern. Vor allem die Kommunikation mit dem Publikum im Plieninger Bürgerhaus spielt eine tragende Rolle, und das nicht nur als rhetorische Figur, sondern als treibende Kraft, die das Programm voranbringt.

So fällt es nicht leicht, das übergeordnete Thema der Rede zu benennen. Am besten lässt es sich mit einem allgemeinen "Was ich Ihnen schon immer einmal sagen wollte" umschreiben. Ausgehend von aktuellen politischen Ereignissen ist es ein Parforceritt vom Komplex Klimawandel, nein Klimakrise, über Energie- und Genderfragen bis hin zu Problemen der Kommunikation in Politik und Beziehung. Jonas übt klassische Sprachkritik, wenn er sich über die unsäglichen Modebegriffe wie "Diskurs" oder "Narrativ" auslässt und sich die sprachliche Verrohung in der Debatten sowohl im Bundestag als auch auf der Straße vornimmt. Wenn Begriffe wie "entsorgen" auf Menschen bezogen werde und auf Plakaten Slogans wie "Deutschland verrecke" auftauchten, dann müsse man sich nicht wundern, welche Taten folgen.

Doch auch das Gegensteuern mit positiven und guten Reden will bedacht sein. Werden die Reden von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von mancher Seite stark gelobt, so kritisiert Jonas seine Worte, einerseits in Bezug auf sein Handeln, das er beispielsweise beim Glückwunschschreiben an die iranischen Mullahs zum Nationalfeiertag nicht so gelungen findet; andererseits zitiert er Steinmeiers Ausdruck "Tätersprache Deutsch", die er in Yad Vashem vermeiden wolle. Jonas erinnert an die vielen Exilschriftsteller, die aus dem nationalsozialistischen Deutschland fliehen mussten und die genauso einen Anspruch auf diese Sprache hatten wie ihre Verderber. Namentlich erwähnt er Bertolt Brecht und Lion Feuchtwanger, doch auch Oskar Maria Graf mit seinem eindringlichen Appell "Verbrennt mich!" wäre hier noch zu nennen gewesen.

Grundlegend geht es Jonas um Lügen, die stetig, dreist und oft widerspruchslos verbreitet würden. Da kann er nicht verhindern, dass er in Wallung gerät. Die Rede von der "gesamteuropäischen Lösung in der Migrationsfrage", die noch gebraucht werde, lässt ihn schier ausflippen. Hatten die Regierungen mitsamt den EU-Gremien nicht genügend Zeit, diese Lösung zu verwirklichen? Was sind das für gemeinsame Werte, die immer wieder beschworen werden, aber wenn es darauf ankommt, in Vergessenheit geraten oder dem "Sachzwang" oder der "Alternativlosigkeit" zum Opfer fallen? Jonas lässt keinen Zweifel daran, dass er das Verhalten der Staatengemeinschaft bei den Eskalationen an der türkisch-griechischen Grenze schändlich und erbärmlich findet.

Da hilft nur Lyrik. Er rezitiert ein Poem über die Lüge im Allgemeinen und Speziellen, endend mit der Zeile: "Politiker, die wir immer wieder wählen, weil sie Gute-Nacht-Geschichten erzählen". Gefragt sind da Staatsmänner mit Format wie Außenminister Heiko Maas, der Jonas immer so vorkommt, "als hätt er seine Kommunionkerze vergessen". In schwierigsten weltpolitischen Situationen oder nach härtesten Verhandlungen verkündet er vollmundig: "Wir müssen im Gespräch bleiben." Na, da kann ja nichts mehr schiefgehen.

Jonas überzeugt mit einem vielseitigen Programm, das sich mit Alltagserlebnissen wie Warteschleifen und dem Handwerker Herbert genauso beschäftigt wie mit Wissenschaftskritik, Statistiken und jeder Menge Fachliteratur wie Hegel, Marx, Luhmann, Butler, Schellnhuber oder Münkler. Die Frische des Programms zeigt sich bei seltenen Versprechern oder nicht ganz stimmigen Gedankenführungen, die aber von Jonas' Spontanität, seiner trefflichen Einbeziehung des Publikums, von zündenden Pointen und hintersinnigem Witz, seinem hochsensiblen und kunstvollen Gebrauch der Sprache und seinem natürlichen Charme wettgemacht werden. Er macht seinem Ruhm als Kabarettist alle Ehre, und die Zuschauer danken es ihm mit Applaus zu unzähligen Gelegenheiten.

Höchstes Vergnügen bereitet Jonas mit anekdotischen Brechungen und Ausflügen auf die Metaebene. So gibt er nach einem längeren Exkurs zur Genderproblematik ein Gedicht zum Besten, bei dem die Buchstaben F-R-A-U, verstoßen aus einer genderbereinigten Sprache, bei ihm des nächtens vor der Tür stehen und um Asyl bitten. Ohne Zögern wird es ihnen gewährt, seither erfreut er sich an der Ausbreitung des "Ewig-Weiblichen" in seinen vier Wänden. Der krönende Abschluss ist der Griff zur Gitarre. Mit der Weltpremiere von "Die Guten" im Stil eines Hippie-Lieds empfiehlt sich Jonas mit dem Refrain "Brüder und Schwestern, böse waren wir gestern" - und hinterlässt ein beglücktes Publikum.

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