Bundesweiter VorlesewettbewerbKeine Angst vor Bandwurmsätzen oder Zungenbrechern

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Sie dürfen sich über Buchgeschenke freuen: Fantasy-Liebhaberin Olivia Reichard (wurde dritte), Kreisentscheid-Gewinner Martin Mehlbrech und die Zweitplatzierte, Katja-Brandis-Fan Magdalena Wildmann (von links).
Sie dürfen sich über Buchgeschenke freuen: Fantasy-Liebhaberin Olivia Reichard (wurde dritte), Kreisentscheid-Gewinner Martin Mehlbrech und die Zweitplatzierte, Katja-Brandis-Fan Magdalena Wildmann (von links). (Foto: Christian Endt)

Beim Vorlesewettbewerb auf Kreisebene treten 13 hervorragende Talente gegeneinander an. Gewinner Martin Mehlbrech präsentiert dem Publikum zwei Lausbuben, wie sie im Buche stehen.

Von Michaela Pelz, Grafing

Lesen, so heißt es, sei Kino im Kopf. Vorlesen macht daraus zweifelsohne einen prächtigen Farbfilm. Zunächst allerdings überwiegen an diesem Nachmittag in der Stadtbücherei Grafing, beim Kreisentscheid des bundesweiten Vorlesewettbewerbs, die vor Nervosität teilweise eher bleichen Gesichter der Kinder, die an ihren jeweiligen Schulen den Sieg davongetragen haben.

Hoch konzentriert sitzen sie in den ersten beiden Reihen, die acht Jungen und fünf Mädchen aus den Gymnasien, Mittel- und Realschulen des Landkreises sowie der Montessori-Schule Niederseeon und des Landschulheims Elkofen. Nachdem Organisatorin Daniela Molle-Thiel von der Bücherei nochmal auf die Vorzüge von Büchern hingewiesen hat, weil sich durch sie auch außergewöhnliche Dinge erleben ließen, stellen die „besten Lesekinder aus dem Landkreis“ ihre Künste unter Beweis.

Eine fünfköpfige Jury hat die schwere Aufgabe, einen Sieger oder eine Siegerin zu küren

Zunächst dürfen sie aus ihrem Lieblingsbuch drei Minuten lang eine selbst gewählte Stelle vortragen, während die Auswahl des unbekannten Textes, dessen Interpretation im zweiten Teil gefragt ist, den Veranstaltern überlassen bleibt. Diesmal hat man sich für den Klassiker „Momo“ von Michael Ende entschieden.

Anschließend hat die Jury aus Christian Bauer (Bürgermeister von Grafing), Ernst Müller (früherer Lehrer und ehrenamtlicher Vorleser), Ilona Nußbaum-Siegelin (Gemeindebücherei Kirchseeon), Carmen Ruhl (frühere Lehrerin und ehrenamtliche Vorleserin) und Michaela Pelz (Süddeutsche Zeitung) die schwere Aufgabe, den Sieger oder die Siegerin zu küren.

Die jungen Vorlesenden bieten Hochspannung pur, aber auch große Gefühle und Humor

Aufgabe der Teilnehmenden ist es, den voll besetzten Saal zu fesseln. Das ist ja gar nicht so einfach – selbst wenn im Publikum wohlwollende Eltern, Lehrkräfte und kleine Geschwister sitzen. Gerade Letztere sind der perfekte Gradmesser, um zu erkennen, wie gut es den Vortragenden gelingt, den Funken überspringen zu lassen und in den Zuhörenden den Wunsch zu wecken, das Buch besser kennenzulernen. Spoiler: Auch die ganz Jungen sitzen mit großen Augen bis zum Ende mucksmäuschenstill auf ihren Plätzen.

Hochspannung pur stellt sich ein, als ein Ex-Bankräuber mit rauchig-aggressiver Stimme zum Leben erwacht oder wilde Zweikämpfe zwischen Mensch und Tier packend präsentiert werden. Es gibt ein Wiedersehen mit Figuren aus der Welt von „Harry Potter“ und den „Woodwalkers“. Auch große Gefühle kann man erleben, manche mit zarter Stimme vorgetragene Passagen treffen mitten ins Herz. Und immer wieder darf herzlich gelacht werden.

Vorbild Papa: Sieger Martin Mehlbrech liebt vor allem lustige Geschichten

Am Ende gewinnt Martin Mehlbrech, der souverän, ausdrucksstark und mit erkennbar großem Spaß die Serie rund um „Miles & Niles“ (von Jory John und Mac Barnett) vorstellt. Zwei Lausbuben, wie sie im Buche stehen, die auch einander nicht schonen. Die köstlich dargebotene Szene, eine Fahrkartenkontrolle, bei der sogar das Publikum im Saal Blut und Wasser schwitzt, bevor es in Lachen ausbricht, ist ein perfekt ausgewähltes Beispiel dafür.

Ganz allein ist der Ebersberger, der das Gymnasium Grafing besucht, zu dem Wettbewerb gekommen. „Ich wollte niemanden dabeihaben, das hätte mich nur nervös gemacht“, erklärt Martin im Anschluss. Extra viel geübt habe er im Vorfeld nicht, Lesen sei nur eines seiner Hobbys, neben dem Spielen mit Freunden, Sport und Kartfahren. Sein Herz gehöre auf jeden Fall den lustigen Geschichten – vielleicht weil „Der kleine Nick“ beim Vater, der allabendlich vorliest, hoch im Kurs steht. Dessen Beispiel ist der Elfjährige sogar schon gefolgt, wie die stolze Mutter verrät, die Martin im Anschluss in Empfang nimmt. „Er hatte schon Vorlese-Einsätze im Kindergarten.“

Obwohl der zweite Text ein unbekannter ist, gelingt es allen Vorlesern, zu glänzen

Was unbedingt noch erwähnt werden soll: Besonders beeindruckend sind die Fertigkeiten aller Kinder beim Vortragen des Fremdtextes: Weder Bandwurmsätze noch Zungenbrecher wie die „Spülwasserpfützen hinter einer Spelunke“ bringen die Sechstklässler und Sechstklässlerinnen aus dem Takt.

Der Bundeswettbewerb steht dieses Jahr unter dem Motto „Meine Superkraft – Vorlesen“. Insofern kann man wohl mit Fug und Recht behaupten, dass hier in der Grafinger Bücherei 13 Superheldinnen und -helden versammelt waren, die hoffentlich auch in Zukunft ihre Kräfte einsetzen werden, um ihrem Publikum ein faszinierendes Kopf-Kino-Erlebnis zu bieten.

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