Vor vollem Haus:Teamwork Schöpfung

Vor vollem Haus: Keinen Satz möchte man überhören, keine Geste übersehen: Hedwig Rost und Jörg Baesecke erzählen mitreißend davon, wie die Welt auf die Welt kam.

Keinen Satz möchte man überhören, keine Geste übersehen: Hedwig Rost und Jörg Baesecke erzählen mitreißend davon, wie die Welt auf die Welt kam.

(Foto: Christian Endt)

Die "Kleinste Bühne der Welt" zu Gast im Moosacher Meta Theater: Hedwig Rost und Jörg Baesecke finden in allen Kulturen Antworten auf die größte Frage der Menschheit

Von Ulrich Pfaffenberger, Moosach

Wer er wohl war, der Schöpfer der Welt? Noch wichtiger: Wie hat er das angestellt, mit Sonne, Mond, Erde und den Menschen? Rund um den Erdball haben sich im Lauf der Jahrtausende Menschen Gedanken über ihren Schöpfer gemacht und versucht, ihm Gestalt und Gesicht zu geben. Wie das Zwei-Personen-Stück "Wie die Welt auf die Welt kam" am Wochenende den Besuchern des Meta Theaters in Moosach zeigte, unterscheiden sich die Ansätze - und wie sie erzählt werden - mitunter sehr, führen aber, bekanntlich, alle zum gleichen Ergebnis. Sowie zu der Erkenntnis, dass dieser Schöpfer groß gewesen sein muss, sehr groß sogar, kurzum: ein Riese.

Vielleicht hat er Mbumba geheißen. Das vermutet das Volk der Bakuba im Kongo. Der hatte eines Tages eine Art Völlegefühl im Magen, das ihn so plagte, dass er ihm freien Lauf ließ und herauswürgte, was da keinen Platz mehr hatte. Erde inklusive. Oder war es vielleicht doch ein "gehender Mann", wie die Nordamerikaner vom Stamm der Pima erzählen? Auf einem staubigen Weg war er barfuß unterwegs, schuf dabei im Vorübergehen mit seinen Zehen eine immer größer werdende Dreckkugel und, zack, war die Erde fertig. Oder war es doch Taaroa, von dem die Bewohner Polynesiens berichten, der die Schöpfung aus einem Lied entstehen ließ? "Er sang das schwarze Auge der Maus", berichteten Hedwig Rost und Jörg Baesecke in Moosach und weckten im Publikum eine berührende Vorstellung davon, wie es damals gewesen sein könnte.

Dass die beiden Schauspieler als Die Kleinste Bühne der Welt unterwegs sind und sich gleichzeitig dem größten Thema der Menschheit widmen, ist alles andere als vermessen. Denn durch die Konzentration auf ein paar Quadratmeter und Minuten werden die Fragen nach dem "Woher?" und "Warum?", nach "Henne oder Ei?" sowie die Antworten darauf in einer Art und Weise nahbar, wie es einer größeren Bühne auch mit gewaltigen Anstrengungen kaum gelingen wird. Wie sich die beiden da gegenseitig ihre Fundsachen aus den Mythen des Universums zeigen, voller Neugier und Entdeckerfreude, voller Begeisterung und Zuneigung zu den wundersamen Figuren und ihren verblüffenden Handlungen, aber auch voll Respekt für die Schöpfer der verschiedenen Geschichten - das ist mitreißend erzählt und dramaturgisch packend. Keinen Satz möchte man überhören, keine Geste übersehen.

Mindestens genauso viel Kunst und Hingabe wie in ihre Texte, Gedichte und Melodien haben die beiden in ihr Bühnenbild gesteckt. Das präsentiert sich zunächst als schlichte schwarze Stoffwand mit einigen abstrakten Symbolen, einen Tisch mit zwei Stühlen, einem Geigenbogen und einem Gehstock mit einer Erdkugel als Knauf. Eine ziemlich pfiffige Darstellung des Nichts, aus dem einst alles entstanden sein muss, egal welcher Schöpfungsgeschichte man anhängt. Wie Zauberer öffnen sie dann Schubladen, Taschen und Schachteln, um daraus die Zutaten zu greifen, die ihre Erzählungen begleiten. Schildkröten und kleine Menschlein, bunte Bänder, Muscheln oder Steine. Wenn schon zwei einfachen Menschen diese Zutaten genügen, um die Schöpfung anschaulich und verständlich zu machen - welche Zweifel sind dann noch erlaubt, was ein Schöpfer-Riese damit anstellen kann? Zumal, wenn er die Geschichte nicht mit verkniffenem Ernst angeht, sondern aus Freude? Der Gott des Alten und Neuen Testaments jedenfalls findet seine Zutaten im Picknickkorb und die Götter der Azteken backen sich ihre Kreaturen aus Mais.

Die Dramaturgie des Bühnen-Duos bedient sich mit Gespür und Geschick der ganzen Bandbreite der Sprache. Vom Lied bis zur Pantomime, von der Deklamation bis zum Rap. Eins aber übertrifft in seiner Wirkung alle anderen Elemente dieses Stücks: der spielerische Einsatz von Gebilden und Gegenständen aus Papier. Für ihre Welten-Geschichte haben Rost und Baesecke den Scherenschnitt neu erfunden und ihm eine dritte und vierte Dimension hinzugefügt. Da entfalten sich Bilder und Symbole, da springt ein Dodekaeder aus der schützenden Hülle, da tun sich beim Umblättern Welten auf und wechseln beim Drehen und Wenden ihre Gestalt. Allein schon die Reduktion auf Schwarz und Weiß, nur ganz pointiert mal ein Farbklecks, erzeugt eine Kraft, die keinen im Publikum auslässt. Denn im Spannungsfeld von Licht und Dunkel entzünden sich die Funken der Fantasie und geben dem Gedanken Kraft: Ja, so könnte es gewesen sein. Oder so. So aber auch. Was letztlich die wichtigste Botschaft über unsere Welt ist: Egal, was einzelne Kulturen über ihre Entstehung vermuten, ist es doch immer die eine Welt. Eine Botschaft, die das voll besetzte Meta Theater in atemberaubte Spannung versetzte, die sich in begeistertem, fröhlichem Applaus entlud.

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