Süddeutsche Zeitung

Vor dem Landgericht:Unter Auflagen frei

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Der Mann, der einen Lkw entführt hat, bekommt eine neue Chance

Ein 23-jähriger Elektro-Helfer, der im Mai dieses Jahres auf das Führerhaus eines Sattelzuges geklettert war und den Fahrer dazu zwang loszufahren, ist am Donnerstag vor dem Landgericht München II zur Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik auf Bewährung verurteilt worden. Da sich der Beschuldigte, der seit der Tat einstweilig im Isar-Amper-Klinikum untergebracht ist, behandeln lässt und seine Medikamente nimmt, sei eine Entlassung "vertretbar", sagte eine behandelnde Ärztin. Auch ein psychiatrischer Sachverständiger stimmte dem zu. Das Gericht schloss sich dieser Einschätzung an. Der Elektro-Helfer kommt nun in eine therapeutische Wohngruppe, in der für die nächsten Jahre auch bleiben muss. Außerdem erließen die Richter eine Reihe von Weisungen, an die sich der 23-Jährige halten muss. Andernfalls droht ihm erneut die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses.

Nach Überzeugung des psychiatrischen Sachverständigen litt der Elektro-Helfer zum Zeitpunkt der Tat an einer bipolaren affektiven Störung. Diese rührt vermutlich vom Drogenkonsum des 23-Jährigen her. Es sei nicht auszuschließen, so der Forensiker, dass die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten aufgehoben war. Aus diesem Grund wurde der Elektro-Helfer auch nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.

Bei der Urteilsbegründung betonte Richter Martin Hofmann, was für dramatische Folgen die Tat für den Lkw-Fahrer, aber auch für die Polizisten hatte. Der Elektro-Helfer hatte an der Kreuzung der B 304/Karl-Böhm-Straße in den frühen Morgenstunden des 27. Mai ein Umleitungsschild mitten auf die Straße gestellt, worauf der Fahrer des Sattelzuges anhalten musste. Als der 23-Jährige daraufhin auf das Dach des Führerhauses gestiegen war, forderten ihn Polizisten auf, herunterzukommen. Da die Beamten davon ausgingen, dass der Elektro-Helfer bewaffnet ist, zog einer von ihnen seine Dienstwaffe. Er habe Glück gehabt, sagte Richter Hofmann zu dem 23-Jährigen, dass der Polizist keinen Gebrauch von der Waffe gemacht und sich zurückgezogen hat. Der Elektro-Helfer hatte den Fahrer daraufhin aufgefordert loszufahren. Nach etwa acht Kilometern wurde der Lkw von weiteren alarmierten Polizisten gestoppt. Bei seiner Vernehmung vor Gericht sagte der Beamte, der bereits seine Pistole gezogen hatte: "Das war die härteste Aktion, die ich in meinem polizeilichen Dienst erlebt habe." Der 30-Jährige Lkw-Fahrer habe sich nach der Festnahme des Elektro-Helfers übergeben müssen und habe am ganzen Leib gezittert.

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Quelle:
SZ vom 13.12.2019 / sal
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