Vor allem im Netz wird gehetzt:Drohungen, Hetze und Gewalt

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Vor allem im Netz äußern sich viele Landkreisbürger fremdenfeindlich. (Symbolfoto) (Foto: dpa)

Immer wieder gibt es im Landkreis rassistische Vorfälle. Am Samstag positioniert sich eine Demo in Ebersberg dagegen.

Von Johanna Feckl

Das Ebersberger Bündnis "Bunt statt Braun" und der Kreisjugendring haben für Samstag zu einer Demonstration gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufgerufen. Ein wichtiges Zeichen toleranter Menschen, sagen die einen. Eine unnötige Aufplusterei sogenannter "Gutmenschen", die anderen. Wie ist das also mit rassistischen Taten im Kreis?

Ein Blick in die vergangenen Wochen: Da wären die Einbrecher, die im Grafinger Gymnasium unter anderem Hakenkreuze an Wänden und Schildern hinterlassen haben. Oder die Fassade des Ebersberger Jugendtreffs, die ebenfalls mit Hakenkreuzen und Drohungen beschmutzt wurde. Es war nicht das erste Mal, dass dort Vandalismus von rechts geschah, 2004 überfielen vier Neonazis das Jugendzentrum. An der Vaterstettener Realschule flog erst im Februar eine Whatsapp-Gruppe von Schülern auf, in der unter anderem verfassungsfeindliche Symbole und Bilder von Adolf Hitler geteilt worden waren.

Die jüngste Ballung rechtsextremer Taten stellt aber keine Ausnahme dar: In Grafing etwa gab es schon 2014 und 2015 Schmierereien. Ein KZ-Eingangstor mit der bekannten Aufschrift "Arbeit macht frei", darüber ein Hakenkreuz, daneben ein Zug, der eine Deportation zeigen sollte, und zwei Galgen. In eine Straßenunterführung bei Gsprait wurde eine schwarz-weiß-rote Nazi-Flagge gesprüht. Die Kriminalpolizei ging damals von unterschiedlichen Tätern aus, sie blieben unbekannt. Früher noch, 2011, blickten Lehrer und Schüler des Grafinger Gymnasiums schon einmal auf Wände mit Hakenkreuzen, SS- und SA-Symbolen sowie fremdenfeindlichen Parolen, etwa "Tod den Moslems" und "Sterbt den Ausländern". Wenige Tage später erreichte die Schule eine anonyme Bombendrohung. Die Ermittlung des Staatsschutzes ließ auf einen rechtsextremen Hintergrund schließen.

Solche Vorfälle geschahen nicht nur in Grafing: 2013 konnte man auf der Lärmschutzwand am Zornedinger Bahnhof "Ausländer raus" und "Deutschland lebt" lesen. In Poing wurden 2008 aus zwei Werbetafeln jeweils etwa 50 Zentimeter große Hakenkreuze herausgeschnitten. Für großes Aufsehen sorgte auch ein 20 mal 20 Meter großes Hakenkreuz, das in ein Maisfeld bei Aßling im Sommer 2010 getrampelt wurde. Das verfassungsfeindliche Symbol wurde bei einem Rundflug entdeckt - wenige hundert Meter entfernt fand zu dieser Zeit das Antersberger Flugplatzfest mit etwa 9000 Besuchern statt. Die Täter blieben auch hier unbekannt.

Rechtsextremismus war da aber für Aßling nichts Unbekanntes: 2004 gab es dort eine rechte Szene, deren Treffpunkt ein alter Bauwagen war. Polizei und Staatsschutz stellten bei einer Razzia eine Reichskriegsflagge sicher und fanden Hakenkreuzschmierereien. 17 Jugendliche wurden als Beschuldigte vernommen.

Es gibt auch Fälle, in denen die Orte der Sachbeschädigungen gezielt gewählt wurden: 2017 kletterten Unbekannte über den Zaun einer Unterkunft für knapp 50 geflüchtete Menschen in Grub und hinterließen dort rassistische Parolen wie "IS-Parasiten-Idyll" und "Wacht auf". Für die Polizei bestand Verdacht auf Volksverhetzung. Und auch in Poing wurde eine Unterkunft für Geflüchtete attackiert: Als Ende 2015 die Turnhalle der Seerosenschule als temporäre Unterkunft für Geflüchtete dienen sollte, wurde dort eine Scheibe eingeschlagen. Die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle (Aida) in München ordnete den Vorfall als rassistisch ein.

Und noch einmal Poing: 2015 prangten ein falsch geschriebener "Wihte-Power"-Schriftzug - eine von der neonazistischen Terrororganisation Ku-Klux-Klan geprägte Parole - und großflächige Hakenkreuzgraffiti in einer Unterführung, einige Wochen später fand man Keltenkreuze, SS-Runen und die Schmiererei "NS-Area". Ein damals 31-Jähriger gestand, für einiges davon verantwortlich zu sein. Er sei eben unzufrieden mit den bestehenden politischen Verhältnissen gewesen, erklärte er. Seit April 2015 tauchten in Poing auch immer wieder Sticker mit eindeutigen Botschaften auf: "Integration kostet Million, Rückflüge nur 19 €". "Bitte flüchten Sie weiter! Es gibt nichts zu wollen." "Antirassismus ist Rassismus gegen Weiße." "Asylheime dichtmachen." Im März 2017 waren bei Aida 273 solcher Sticker dokumentiert. Mitglieder der Neonazipartei "Der dritte Weg", Nachfolgeorganisation des 2014 verbotenen bayernweiten Netzwerks "Freies Netz Süd", verteilten Anfang 2016 rassistische Flugblätter im unmittelbaren Umfeld der zwei Poinger Turnhallen, in denen Asylbewerber untergebracht waren.

Doch nicht immer blieb es bei hetzerischen und verfassungsfeindlichen Schmierereien, bei denen ein Großteil der Täter davonkam. So mussten sich vor allem in den vergangenen Jahren immer wieder Landkreisbewohner wegen Volksverhetzung vor dem Ebersberger Amtsgericht verantworten. Der Fall, der deutschlandweit für ein großes Echo sorgte, spielte sich in Zorneding ab: Der damalige Gemeindepfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende gab im März 2016 sein Amt auf, nachdem er mehrere Schreiben mit Beleidigungen und Morddrohungen erhalten hatte. Zuvor hatte der aus dem Kongo stammende Geistliche die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin gelobt und die damalige CSU-Ortsverbandsvorsitzende Sylvia Boher für rechtspopulistische Aussagen kritisiert. Ihr Stellvertreter Johann Haindl bezeichnete daraufhin Ndjimbi-Tshiende mit einem rassistischen Wort. Ein Münchner konnte damals überführt werden, zwei der Schreiben stammten von ihm. Eines davon soll den Wortlaut "wir schicken Dich (...) nach Auschwitz" enthalten haben. Der Mann wurde zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt.

Einige Monate zuvor, 2015, wurde eine ehemalige Ebersberger Anwältin verurteilt, weil sie auf einem Kongress vor etwa 2000 Zuhörern den Holocaust geleugnet hatte. Ihr damaliger Lebensgefährte Horst Mahler zog 2006 in den Landkreis. Er sitzt aktuell eine Haftstrafe ab, weil auch er den Holocaust wiederholt leugnete. Und erst in diesem Jahr wurde ein Mann zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil er sich im Vollrausch unter anderem mehrmals von der Polizei mit "Sieg Heil" verabschiedet und den Hitlergruß gezeigt hatte.

Vor allem aber wegen Volksverhetzung, die online verbreitet wird, verurteilt das Gericht regelmäßig Menschen, die im Landkreis leben: Ein 39-Jähriger beleidigte auf Facebook Bewohner eines Flüchtlingsheims unter anderem als "Dreckspack", ein 67-Jähriger schrieb auf derselben Plattform "Moslems sind Bestien vom schlimmsten", die weder menschliches noch tierisches Leben achteten. 2015 drohte ein Mann online Ausländern Gewalt an. Ein anderer zitierte in einer Mail den rechtsextremen Publizisten Gerard Menuhin. Ein 30-Jähriger kommentierte, ebenfalls auf Facebook: "Eine U-Bahn bauen wir, von Manus bis nach *******tz", gemeint ist "Auschwitz". Das Zitat stammt von einem Lied aus dem Hooligan-Milieu. Rechte Gruppen verwenden es, um zu beleidigen, dabei wird der Abfahrtsort der "U-Bahn" jeweils durch den Namen der anderen Mannschaft ersetzt, der Ankunftsort bleibt der gleiche. 2008 fand man außerdem auf der Festplatte eines Vaterstetteners rechtsextreme, gewaltverherrlichende und rassistische Lieder.

Nicht immer blieb rechte Gewalt bei Sachbeschädigungen und Hetzparolen: Es ist gut ein Jahr her, als acht Männer aus dem Landkreis verurteilt wurden, drei davon zu Gefängnisstrafen. Mit Baseballschläger, Schlosserhammer und Holzstange hatten sie 2015 einen Dönerladen in Ebersberg überfallen und vier Zuwanderer verletzt - einer der schlimmsten fremdenfeindlichen Gewaltakte in der Region München. 2006 schlug in Poing ein Skinhead aus Markt Schwaben ein aus Afrika stammendes Pärchen zusammen. Und im September 2018 beleidigte ein Mann in einer S-Bahn der Linie 2 auf dem Weg vom Münchner Ostbahnhof nach Markt Schwaben zwei Frauen und verletzte sie: Der 23-jährigen Frau aus Äthiopien trat der Unbekannte gegen die Hüfte, der 20-jährigen Somalierin schlug er ins Gesicht, zog sie an den Haaren und würgte sie. Der Mann konnte fliehen.

Die Protestaktion findet statt am Samstag, 16. März. Von 12 Uhr an werden überall im Landkreis selbst gestaltete Banner gegen Rassismus entrollt. Anschließend beginnt um 14 Uhr die Demonstration am Ebersberger Marienplatz. Zum Abschlus s gibt es eine After-Demo-Party im Jugendzentrum. Mitmachen können alle Interessierten.

© SZ vom 15.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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