Vom kleinen Atelier zum europäischen Imperium:Wunderland der Kreativität

Boesner, der große Laden für Künstlerbedarf in Forstinning, feiert am Samstag seinen 30. Geburtstag mit einem Fest

Von Anja Blum

"Das hier ist der gefährlichste Laden im Landkreis", sagt einer, der offenbar öfter herkommt, und lacht. "Man schleppt nämlich immer mehr raus, als eigentlich geplant." Kein Wunder, denn der Boesner ist vieles zugleich: Papeterie, Farbengeschäft, Buchladen, Baumarkt und Schreinerei. "Alles, was Kunst braucht", lautet das Motto - und das kann eben so einiges sein: Mehr als 50 000 Produkte bietet dieser Laden. Trotzdem fühlt man sich als Kunde nicht von der schieren Masse erschlagen. Dank 5000 Quadratmetern Fläche ist hier immer noch viel Luft zum Staunen und Stöbern. Seit nunmehr 30 Jahren gibt es den Boesner in Forstinning, die dritte Niederlassung des Unternehmens, seine erste in Bayern - und insgesamt eine der größten. Gefeiert wird dieses Jubiläum am Samstag, 6. Juli, von 9.30 bis 18 Uhr mit einem großen Fest, mit Kunstvorführung, Workshop, speziellen Editionen, Sonderangeboten und Livemusik.

Gegründet wurde die Firma Boesner ursprünglich aus einer Not heraus: Der Bochumer Wolfgang Boesner, gelernter Kaufmann, kehrt seinem Job bereits mit 30 Jahren den Rücken, um sich seiner eigentlichen Leidenschaft, der Malerei und Bildhauerei, zu widmen. Doch das Schaffen in einem Hinterhofatelier gestaltet sich schwierig, es folgt eine "harte, unsichere Zeit am Rande des Existenzminimums", wie in der Firmengeschichte nachzulesen ist. "Käufer geben sich nicht gerade die Klinke in die Hand." Vor ein großes Problem stellt Boesner aber auch die Beschaffung von Künstlermaterial: "Der Einzelhandel vor Ort ist schlecht und unvollständig sortiert und fordert zudem sehr hohe Preise. Das behindert immer wieder die künstlerische Entfaltung."

30 Jahre Boesner Forstinning

Für Farbfetischisten ist der Boesner in Forstinning ein Paradies.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Also reift in dem jungen Bochumer die Idee, ein Unternehmen aufzubauen, das sich "mit den Künstlern solidarisch erklärt", das deren Arbeit grundlegend erleichtert - mit einem professionellen Sortiment zu fairen Preisen. 1982 wandelt Boesner sein Atelier in einen kleinen Laden samt Lager um. Obwohl es in der Branche durchaus Widerstände gibt - vor allem vonseiten der Lieferanten - kann sich das neue Geschäftsmodell durchsetzen: Die Künstler empfehlen den Laden rege weiter, so dass sich das Unternehmen bereits 1985 vergrößern muss und nach Witten zieht, wo bis heute die Zentrale liegt. Mittlerweile ist Boesner für professionelles Künstlermaterial der Marktführer in Europa, mit mehr als 40 Standorten hierzulande, in Österreich, Frankreich und der Schweiz. Allerdings werden diese nicht zentral gesteuert, sondern sind in Gruppen unterteilt. Zu Forstinning gehören die Filialen in München, Augsburg, Kolbermoor und Bad Reichenhall.

Vom Profi bis zum Kind: Das Angebot in Forstinning soll alle glücklich machen. Die Auswahl an Farben und Papieren ist einfach riesig. Feinste Skizzenbücher, Blöcke aller Art, handgeschöpfte Bögen mit Siebdruckmotiven, Tusche, Kreide, Stifte in sämtlichen Varianten, Spraydosen, Pinsel und Schwämme in diversen Formen, Staffeleien, Rahmen, Leinwände und Beleuchtungssysteme, Ton, Glasuren, Speckstein sowie die dazugehörigen Werkzeuge, Öl, Gouache und Acryl samt sämtlichen Utensilien für Effekte wie Spachtelmassen oder Lasuren: Dieser Ort ist ein Wunderland der Kunst. Und freilich kann man hier viel Geld ausgeben. Eine hochwertige Kassette mit 120 Aquarellbuntstiften zum Beispiel kostet 282 Euro. Doch wer das kolorierte Zeichnen wirklich liebt, wird diese Summe vermutlich auch gerne einmal investieren.

30 Jahre Boesner Forstinning

Zlatko Pezo zeigt seine liebste Einrahmung, einen Ferrari mit Trikolore und Emblem am Passepartout.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Besonders schön an einem Einkauf vor Ort ist freilich auch, dass man die Materialien anfassen kann, die Haptik des Papiers fühlen, Stifte ausprobieren und Farben bei Tageslicht bestaunen kann. "Man sieht nur mit den Händen gut", das wissen auch die von Boesner, weswegen es ausdrücklich erlaubt ist, mit den Produkten auf Tuchfühlung zu gehen. Vermutlich mit ein Grund, warum viele Kunstschaffende für den Einkauf weite Wege auf sich nehmen. "Für manche ist das wie ein Ausflug", sagt Marketing-Chefin Lucia Hornstein. "Sie kommen zum Stöbern, um sich Anregungen zu holen, essen in unserem Bistro und laden dann den Kofferraum voll."

Überhaupt ist Inspiration ein wichtiger Aspekt bei Boesner. Man will ein "Treffpunkt für Kunst" sein, möchte allen Kreativen - vom Einsteiger bis zum Profi - Anregungen und neue Kenntnisse bieten, deswegen finden in den hauseigenen Ateliers sowie auf der Verkaufsfläche regelmäßig Vorführungen, Workshops und Seminare statt. Da geht es um Maltechniken oder andere schöpferische Disziplinen genauso wie um rechtliche Fragestellungen oder Selbstvermarktung für Künstler. "Deswegen haben wir das Haus eigentlich immer voll", sagt Hornstein.

30 Jahre Boesner Forstinning

Matthias Achatz ist stolz auf seine hochwertige Specksteinsammlung.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Darüber hinaus schätzten alle schöpferischen Menschen, Profikünstler, Vertreter von Kunstschulen, Galerien, Kindergärten oder Therapiepraxen das Gespräch mit dem Team, denn die meisten der mehr als 20 Mitarbeiter seien selbst künstlerisch aktiv - und daher mit Hirn und Herz bei der Sache. "Das Fachsimpeln zwischen den Regalen begeistert und bereichert einfach beide Seiten!" Selbst der Geschäftsführer, Sebastian Book, ist obendrein Bildhauer.

Eine ganz besondere Abteilung bei Boesner aber ist die Rahmenwerkstatt: Zlatko Pezo arbeitet seit mehr als 20 Jahren hier - und ist immer noch begeistert. "Was hier alles reinkommt, jeden Tag etwas Neues!" Gemaltes und Fotografiertes, gekrönte Häupter, geheime Automodelle, Bilder aus Kuba, alles landet auf seinem Tisch. Zu den Kunden der Boesner-Werkstatt zählen Privatmenschen genauso wie Künstler, Museen oder andere Firmen. Und auch handwerkliche Herausforderungen liebt Pezo, der Experte für individuelle Lösungen an der Wand. In seinem "Wald" gibt es etwa 1200 unterschiedliche Leisten, von Natur bis Gold, von schlicht bis barock, hinzu kommen mehr als hundert verschiedene Passepartouts, auch beim Glas kann man je nach Anforderung wählen zwischen mehreren Varianten. Überall stehen große Maschinen und vor allem riesige Tische, so dass auch mehrere Meter große Leinwände aufgezogen und Rahmen gebaut werden können. Dass dabei alles passt und sitzt, ist für Pezo Ehrensache, genauso wie der Umstand, dass kein Material verschwendet wird: Die Reste der Passepartouts etwa, hochwertige Kartons, kann man wortwörtlich eimerweise kaufen - zu einem sehr fairen Preis.

30 Jahre Boesner Forstinning

Natalia Hesselbarth betreut den neuen großen Fine-Art-Drucker.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Stolz ist man in Forstinning auch auf einen neuen Drucker, einen Fine Art Printer, der Bilder, Zeichnungen oder Fotografien in bester Qualität und riesigen Formaten reproduzieren kann. Möglich sind Drucke mit einer Breite bis zu eineinhalb Metern in fast unendlicher Länge, verarbeitet werden kann Büttenpapier genauso wie Leinwand oder Klebefolie. Wer das ausprobieren möchte, braucht nur eine Abbildung auf einem Stick mitzubringen.

Nach einem ausführlichen Rundgang lässt sich also festhalten: Boesner steht kreativen Menschen zur Seite - von der Ideenfindung über die Umsetzung bis hin zur Präsentation. Wenn das mal kein Fest wert ist!

Jubiläum: 30 Jahre Boesner in Forstinning, Römerstraße 5, am Samstag, 6. Juli, von 9.30 bis 18 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: