Vogelscheuche im Schutzgebiet:Gans schön unbeliebt

Um Wildgänse zu verjagen, hat ein Landwirt auf seinen Wiesen am Egglburger See ein Holzgerüst mit Jacke aufgestellt. In der Unteren Naturschutzbehörde ist man davon naturgemäß wenig begeistert

Von Korbinian Eisenberger

Einen Vogel zu kriegen, das versuchen die meisten Menschen in der Regel mit aller Macht zu verhindern. Ihre Methoden sind verschieden, und über deren Erfolg lässt sich von Fall zu Fall streiten. Ein riesiges Problem hat allerdings, wer es, wie der Landwirt Alois Höher, gleich mit einer ganzen Horde gefiederter Zeitgenossen zu tun bekommt. Eine Schar Wildgänse belagert bereits seit mehreren Wochen die Wiese des Bauers am Ufer des Egglburger Sees. Abknallen darf Höher die lästigen Vögel zu seinem Leidwesen nicht. Um sie zu vertreiben, hat er deshalb eine drei Meter hohe Vogelscheuche in die Wiese am Seeufer gepflockt - mitten hinein in ein Vogelschutzgebiet.

Die Spaziergänger, die unter den Eichen am Ufer entlang zum Waldrand flanieren, dürften ihren Augen kaum trauen: Denn unweit des Wegrands, wo die Hinweisschilder des Bunds Naturschutz stehen, ragt das hölzerne Gestell mit einem darübergespannten Kapuzenpulli empor. Von einem "Unding" spricht der Naturschutzbeauftragte Max Finster. Er könne zwar den Ärger des Landwirts verstehen. Dennoch erwarte er "ein bisschen mehr Sensibilität". Er wolle jetzt sogar prüfen, ob Höhers Konstrukt rechtlich erlaubt sei: "Eine Vogelscheuche im Vogelschutzgebiet - das kann man doch niemandem vermitteln."

Dass die schäbig dekorierte Puppe aus Holz und Stoff weder zur Landschaft noch zur Beschilderung am Seeufer passt, nimmt Bauer Höher gerne in Kauf. Schließlich ist seine selbst entworfene Konstruktion eine ernst gemeinte Kriegserklärung an jene 30 hungrigen Wildgänse und ihre Verwandtschaft, die dem Landwirt seit fünf Jahren die Ernte zunichte machen. "Jedes Frühjahr habe ich den ganzen Scheißdreck im Futter", sagt er. Ein Drittel seiner Wiesen könne er nicht mehr mähen, weil die Gänse das Gras platt getrampelt hätten. Der Rest des etwa vier Hektar großen Geländes auf der Nordseite des Sees sei von Vogelmist übersät. Seit die Wildgänse 2009 zum ersten Mal ihr Frühjahrsdomizil in Höhers Futterwiesen bezogen hätten, sei das Gras zum Großteil verdorben. Beweise dafür, dass der Vogelmist seinen Kühen auf den Magen schlägt, hat er zwar nicht. Der Bauer ist sich aber sicher: "Selbst für ein Rindviech muss Vogeldreck im Futter eine Zumutung sein."

Einzig wirksames Gegenmittel in seinen Augen: Ein Teil der Gänse muss von einem Jäger erlegt werden. Aus Angst um seine Erträge hat sich Höher deshalb an die Untere Naturschutzbehörde gewandt. Die verwies ihn prompt an die Jagdbehörde, und die wiederum zurück an den Naturschutz. "Ich kam mir vor wie der Buchbinder Wanninger", sagt Höher. Schließlich erhielt er ein Angebot des Naturschutzbeauftragten Finster. Er solle eine finanzielle Entschädigung bekommen. Dagegen, dass Jäger im Vogelschutzgebiet auf Vögel schießen, werde er sich jedoch "mit Händen und Füßen wehren", sagt Finster.

Zumal die Vögel keine Ausweichmöglichkeiten hätten. Ein Großteil des Landkreises ist von Getreidekulturen überzogen. Für Wildgänse sind bewirtschaftete Felder jedoch ungeeignet, da sie ihre Eier auf Wiesen ausbrüten. Zudem fressen Wildgänse große Mengen Gras. In den immer mehr verbreiteten Maisfeldern mit gespritzten Ackerböden können Wiesenbrüter nicht überleben. Sie benötigen vielmehr saftige Grasflächen in ruhiger Lage.

Dass die 30 Wildgänse ausgerechnet das Naturschutzgebiet am Egglburger See zu ihrem stillen Örtchen auserkoren haben, ist also nicht verwunderlich. Erstaunlich ist jedoch, wie wählerisch die Tiere zu sein scheinen. Tatsächlich haben sie es offensichtlich nur auf jene Grundstücke im Norden abgesehen, die Bauer Höher seit zehn Jahren ebenso gepachtet hat wie offenbar das Pech: Die Wiesen der Nachbarn am südlichen Ufer wurden von den Vögeln weitgehend verschont.

Wegen der hohen Schäden hat Finster dem Landwirt jetzt Entschädigungen in Aussicht gestellt. "An stark überlasteten Stellen würden wir zum Beispiel die Pacht übernehmen", sagt der Naturschutzbeauftragte. Überzeugt ist Höher von dieser Idee jedoch nicht. Bis die Schäden geschätzt seien, müsse er aufwendige Gutachten in Auftrag geben. Das sei teuer und koste viel Zeit. Zumal er sein Problem damit nicht gelöst sieht: "Wenn immer mehr Gänse meine Wiesen vollscheißen, brauche ich bald gar nicht mehr mit dem Mähen anfangen", schimpft er. "Und alles nur, weil man die Viecher nicht auf ein erträgliches Maß herunterjagen darf."

Den Kampf gegen die Wildgänse dürfte Höher freilich verlieren. "Es wäre ja der Gipfel", sagt Naturschützer Finster, "wenn sich Wildgänse nicht mal mehr in einem Vogelschutzgebiet ausbreiten können." Höhers Rinder dürften sich also mit den Hinterlassenschaften der Gänse arrangieren müssen. Zumal auch die Vogelscheuche die erwünschte Wirkung verfehlt hat. Das Gestänge und der flatternde Stofffetzen schrecken nur kleine Vögel ab, von denen weder plattgetretene Wiesen noch größere Mengen verdauter Grashalme zu befürchten sind. Sein Zielpublikum hat die Scheuche aber nicht erreicht. Inzwischen tummeln sich zeitweise an die 40 Wildgänse zwischen den saftigen Grasbüscheln zu Füßen der Vogelscheuche.

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