Süddeutsche Zeitung

Villa Drachenstein:St.-Patricks-Brunch statt Osterfrühstück: Viel Geschrei um nichts

Wer in einem zusätzlichen Feiertag nur die Konkurrenz zum heimischen Brauchtum sieht, hat nichts verstanden.

Kommentar von Korbinian Eisenberger

In Deutschland ist St. Patrick vor allem als Symbol fleißiger Biertrinker bekannt. In Irland wird er hingegen von der katholischen Kirche als Heiliger verehrt - als nationaler Schutzpatron, mit Bischofsmütze auf dem Kopf und einem dreiblättrigen Kleeblatt in der Hand, einem Symbol für die Dreifaltigkeit des Herrn. Bischofsmütze und Bier - da könnte man meinen, das passt zu Bayern wie die Faust aufs Auge. Wenn man in diesen Tagen in den Ort Markt Schwaben schaut, wird jedoch klar, dass das ein Trugschluss ist.

In den vergangenen Tagen gab es in den Boulevardmedien einen bundesweiten Aufschrei. Da ersetzt eine Kindertagesstätte ihr Osterfest durch eine St.-Patrick's-Day-Feier. Genauer gesagt das Awo-Kinderhaus "Villa Drachenstein" in Markt Schwaben. Online ging es bei dieser Nachricht drunter und drüber, Netztrolle krochen aus ihren Löchern und beschworen ihn herauf, den Niedergang des Abendlandes, mitten in Oberbayern. Hört man den Beteiligten jedoch genau zu, sieht man sich näher an, was in den Räumen der Markt Schwabener Kita vor sich geht, so wird doch eines sehr deutlich: Das ganze Bohei war deutlich übertrieben.

Denn: Die Kita hat Ostern nicht gestrichen, sondern angereichert. Weil der St. Patrick's Day dieses Jahr in die vorösterliche Zeit fällt, haben die Verantwortlichen der Awo das in ihr Programm miteingebaut. Die Kinder dort werden also dieses Ostern nicht nur mit dem bekannten heimischen Ritus konfrontiert. Sie werden dazu ermutigt, über die Grenzen zu schauen. Und das ist gerade in diesen Zeiten wichtig, wo man in der Region so viele Zuwanderer trifft wie schon lange nicht mehr. Weil das Zusammenleben nur funktioniert, wenn man versucht, einander zu verstehen.

Klar: Die Eltern-Rundmail der Villa Drachenstein war unglücklich formuliert. Wer nur die Mail liest und nicht durch die Kita geht und sich umschaut, kann tatsächlich Sorge bekommen, dass Ostern dort verdrängt werden soll. Und so wurde aus einem Missverständnis ein großes Geschrei. Weit über Bayerns Grenzen hinaus wurde darüber diskutiert, selten sachlich, dafür oft mit Ideologie. In diversen Internetforen wurde die vermeintliche Oster-Schikane der Kita politisch instrumentalisiert. Das ist das eigentlich Tragische an dieser Geschichte.

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SZ vom 21.03.2018/koei
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