Viel Arbeit für Ebersberger Kreisklinik:"Der pflegerische Aufwand ist doppelt so hoch"

Viel Arbeit für Ebersberger Kreisklinik: Peter Huber ist Pflegedirektor an der Kreisklinik.

Peter Huber ist Pflegedirektor an der Kreisklinik.

(Foto: Privat)

Die Zahlen der an Covid-19-Erkrankten und Verdachtsfälle steigen auch im Landkreis Ebersberg stetig an - immer mehr von ihnen müssen in der Kreisklinik behandelt werden. Pflegedirektor Peter Huber berichtet, wie Personal und Klinik auf die Dynamik der Pandemie reagieren

Interview von Johanna Feckl, Ebersberg

Bereits vergangene Woche hat die Ebersberger Kreisklinik einen Aufruf gestartet, in dem sie Medizinstudierende um deren Unterstützung bat. Am Montag wurde bekannt, dass ein Hilfskrankenhaus zusätzliche Kapazitäten für die Patientenaufnahme schaffen soll. Die Klinik wappnet sich für die Corona-Pandemie. Für die mehr als 500 Mitarbeiter, die an der Klinik als Gesundheits- und Krankenpfleger, Hilfskräfte, Notfallsanitäter oder Rettungssanitäter arbeiten, bedeutet das große Veränderungen und Stress in einer Zeit, die von Unsicherheit geprägt ist. Ihr Chef ist Peter Huber. Der 51-Jährige arbeitet seit 2007 an der Klinik, zunächst als stellvertretender Pflegedirektor, seit 2014 als Pflegedirektor. Im Gespräch mit der SZ berichtet Huber über die aktuelle Lage.

SZ: Herr Huber, Sie kommen gerade aus der täglichen Corona-Sitzung der Kreisklinik. Gibt es etwas Neues zu berichten?

Peter Huber: Wir führen solche Sitzungen sogar zweimal am Tag durch. Es geht um eine kurze Bestandsaufnahme über die aktuellen Entwicklungen. Wir versuchen dann entsprechend der neuen Lage Strukturen und Abläufe anzupassen und im besten Falle auch vorbeugend zu planen.

Eine vorbeugende Maßnahme ist das Hilfskrankenhaus, das seit Montag in der Dreifachturnhalle an der Realschule eingerichtet wird - in zwei Wochen könnte es voraussichtlich schon genutzt werden. Welche Patienten werden dann dort und welche in der Klinik selbst versorgt?

Dafür haben wir im Moment drei Modelle. Wir werden das sorgfältig abwägen und uns entsprechend der Situation dann kurzfristig entscheiden sowie das Modell auch immer wieder anpassen. Das erleben wir im Moment in der Klinik auch, dass wir unsere Pläne wegen der dynamischen Entwicklungen laufend modifizieren müssen.

Vergangene Woche haben Sie in einem Aufruf um die Unterstützung von Studierenden gebeten. Die Kreisklinik hat dafür extra Stellen für studentische Hilfskräfte geschaffen, die bei den pflegerischen Abläufen mitarbeiten sollen. Hat sich daraufhin bei Ihnen schon jemand gemeldet?

Ja, wir haben bereits zehn Medizinstudenten eingestellt, die an diesem Montag beginnen werden. Zusammen mit unserer Berufsfachschule haben wir einen Drei-Tage-Crashkurs entwickelt, damit die Studenten ihr Wissen auffrischen können und in den wesentlichen pflegerischen Tätigkeiten geschult sind.

Welche Aufgaben werden die studentischen Hilfskräfte dann erledigen?

Wir werden die Pflegezuteilung, also das Verhältnis Pflegekraft zu Patienten, ganz enorm dehnen müssen. Im Moment versorgt eine Fachkraft circa zwölf bis 13 Patienten auf den Normalstationen und zwei bis drei Beatmungsfälle auf der Intensivstation - sollten die Prognosen eintreten, wird sie doppelt so viele versorgen müssen. Deshalb soll dann eine Pflegekraft idealerweise mit einem Medizinstudenten zusammen ein Tandem bilden. Natürlich werden die Studierenden nicht alleine ins Rennen geschickt, und sie können auch keine Pflegefachkraft ersetzen. Aber unter Anleitung gewisse Aufgaben durchführen, das können sie schon.

Müssen die Studierenden weitere Voraussetzungen erfüllen, außer dass sie in einem Studienfach im Gesundheitsbereich immatrikuliert sind?

Wir suchen primär solche, die mit dem Thema Pflege bislang ein bisschen in Berührung gekommen sind. Jemanden, der noch nie im Krankenhaus gearbeitet hat, können wir in einem Katastrophenfall nicht einsetzen. Die Erfahrung hat da einfach gezeigt, dass derartige gut gemeinte Angebote bei der direkten Patientenversorgung keine große Unterstützung sind. Ein wichtiger Faktor ist ja auch, dass sich niemand aus dem Personal bei einem der positiv Getesteten infiziert. Bei jemandem ohne pflegerische Erfahrung ist dieses Risiko aber ungleich höher. Wir planen aber schon eine Schulung für Unerfahrene und haben Bereiche definiert, wo wir sie dennoch einsetzen können.

Wenn Erfahrung in der Pflege so relevant ist, bedeutet das, dass sich auch Menschen melden können, die eine Ausbildung in dem Bereich haben, aber mittlerweile in einem anderen Beruf arbeiten?

Auf jeden Fall! Einige externe Pflegekräfte haben sich sogar schon gemeldet und sind bereits eingestellt. In der Klinik gibt es auch Gesundheits- und Krankenpfleger, die in Bereichen außerhalb der Pflege arbeiten, etwa in der Verwaltung. Auch hier ist die Bereitschaft sehr groß, vorübergehend wieder in der Pflege mitzuhelfen.

Und wie kompensieren Sie dann den Ausfall der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung?

Das ist eine Abwägungsfrage: Wo ist der Bedarf gerade am größten, um eine gute Versorgung sicherzustellen? Im Moment ist das eindeutig am Krankenbett und nicht im Büro.

Also ist Ihr Vorgehen keine übertriebene Vorsichtsmaßnahme? Die Zahlen sagen ja Folgendes: Am Freitag behandelte die Klinik 12 Infizierte, fünf davon wurden auf der Intensiv beatmet; 22 Verdachtsfälle wurden isoliert stationär versorgt, einer mit Beatmung auf der Intensivstation.

Nein, unser Vorgehen ist auf keinen Fall übertrieben. Wir wissen natürlich nicht, wie es tatsächlich kommen wird. Aber wir stützen uns auf Daten und Prognosen des Robert-Koch-Instituts und der Johns Hopkins Universität: 80 Prozent der Covid-19-Fälle verläuft mild. Die übrigen 20 Prozent entwickeln aber schwere Symptome und müssen ins Krankenhaus. Von diesen schweren Verläufen werden fünf Prozent beatmungspflichtig. Und die Verdopplungszeit der Fallzahlen liegt in Deutschland momentan bei 5,1 Tagen. Wir müssen damit rechnen, dass die Dynamik so weitergeht und unsere Vorbereitungen weiter voran treiben.

Gehen wir davon aus, dass dies so sein wird: Was für Schlüsse ziehen Sie aus dieser Annahme?

Treten die Prognosen ein, wird unsere Mannschaft, die im normalen Betrieb eh schon sehr belastet ist, bei weitem nicht ausreichen, um dann vermutlich 200 Patienten mehr zu versorgen. Deshalb brauchen wir Unterstützung.

Das klingt mehr als eindeutig ...

Ja. Man darf auch nicht vergessen, dass es unabhängig von Corona ja Patienten gibt: Der Schlaganfall, der Herzinfarkt und der Oberschenkelhalsbruch wird weiterhin zu uns kommen. Und jeder der Corona-Patienten ist pflegerisch hoch aufwendig, egal ob Verdachtsfall oder tatsächlich infiziert.

Was bedeutet das konkret?

Der pflegerische Aufwand ist doppelt so hoch wie bei einem anderen Patienten. Wir spüren die Auswirkungen schon jetzt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten bereits Überstunden. Wenn es so weiter geht, dann sind unsere Vorkehrungen in absolut keinster Weise übertrieben.

Wie geht Ihr angestelltes Pflegepersonal mit der Situation um?

Innerhalb von ein paar Tagen mussten wir die Grundstruktur und Organisation der Pflege komplett umbauen, wir haben Abteilungen aufgelöst, neue Abteilungen implementiert und neue Abläufe definiert. Wir haben jetzt eine komplette Isolierstation und eine zentrale Aufnahme dafür und verdoppeln derzeit unsere Beatmungsplätze. Knapp 50 Mitarbeitern haben wir einen neuen Einsatzort und Aufgaben zugewiesen. Das sind alles radikale Veränderungen, die wir unserem Personal zumuten müssen. Aber alle machen es mit, diese Solidarität und Motivation innerhalb der Berufsgruppe Pflege hat mich schwer beeindruckt und ich bin ehrlich gesagt als Chef sehr stolz darauf. Das ist bereits jetzt eine ganz besondere und herausragende Leistung, jeder reagiert hoch professionell auf diese Entwicklungen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bereit.

Herr Huber, haben Sie vielen Dank für das Gespräch - und ein noch viel größerer Dank gilt Ihnen, Ihrem Pflegepersonal und der gesamten Klinik für die großartige Arbeit, die sie alle in dieser schwierigen Zeit leisten.

Gern geschehen.

Wer sich bewerben möchte, kann sich an Pflegedirektor Peter Huber, Telefon (08092) 82-2601, oder seine Stellvertreterin Stefanie Dieterle, Telefon (08092) 82-2600 wenden. Bewerbungen sind zudem auf www.klinik-ebe.de möglich.

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