Videoüberwachung:Digitaler Müllmann

Vaterstetten lässt Wertstoffinseln mit Kameras überwachen, einige Gemeinderäte sorgen sich um den Datenschutz

Wieland Bögel

- Vorsicht Kamera, heißt es ab Ende Oktober an vier Wertstoffinseln in der Großgemeinde. Im Rahmen eines Pilotprojektes der Firma Bosch und Vaterstetten, sollen die elektronischen Wächter dabei helfen, die Verschmutzung der Sammelstellen zu reduzieren. Das Besondere dabei: Die Anlagen sind mit einem Lautsprecher ausgerüstet, so können die Müllsünder sofort ermahnt werden.

Es bestehe durchaus Handlungsbedarf, erklärte der Leiter des Umweltamts, Wolfgang Kuhn, im zuständigen Ausschuss. Wegen illegaler Müllentsorgung und Vandalismus an den Wertstoffinseln entstünden der Gemeinde pro Jahr Kosten von 82 000 Euro für Reinigung und Entsorgung. Um dem Einhalt zu gebieten, werde man zusammen mit der Grasbrunner Firma Bosch Sicherheitssysteme einen dreimonatigen Modellversuch starten.

Geplant ist, zwischen dem 29. Oktober und dem 29. Januar vier Wertstoffinseln per Videokamera zu überwachen. An der Möschenfelder Straße, der Wankstraße, beim Rossinizentrum und in der Verdistraße sollen die Anlagen installiert werden. Während der regulären Nutzungszeiten der Sammelstellen, zwischen 7 Uhr und 20 Uhr, machen die Kameras im Abstand weniger Sekunden Fotos, die für eine spätere Ermittlung möglicher Müllsünder gespeichert werden. Nachts werden die Kameras über einen Bewegungsmelder aktiviert und das Bild in Echtzeit an die Leitstelle geschickt. Von dort aus kann ein Mitarbeiter der Sicherheitsfirma per Lautsprecher Personen an der Müllinsel ermahnen, die sich vorschriftswidrig verhalten.

Schon während der Vorstellung durch die Bosch-Mitarbeiter hielt es den dritten Bürgermeister Wolfgang Will (FDP) kaum auf seinem Platz, mehrfach schüttelte er verärgert den Kopf. "Alle, die die Sammelstelle benutzen, werden aufgenommen", das Vorhaben sei eine Missachtung des Datenschutzes, argumentierte er bei der anschließenden Diskussion. "Unser ganzes Leben wird überwacht." Außerdem sei eine Ahndung möglicher Verstöße nur sehr schwer möglich, kritisierte Will, "wie wissen wir denn, ob es der Müller oder der Meier ist". Die Gemeinde müsste theoretisch Bilder aller ihrer Bürger vorhalten, um diese mit den Fotos der aufgenommenen Müllsünder vergleichen zu können, so Will.

Und selbst wenn es gelänge, die Personen auf den Bildern zu identifizieren, könne es Probleme geben, meinte Cordula Koch (SPD). Sie erinnerte an das erst vor einigen Wochen veröffentlichte Foto einer angeblichen Diebin in der Hypo-Vereinsbank Baldham. "Die Frau war unschuldig, es war das falsche Bild." Auch Stefan Ruoff (Grüne) zeigte sich nicht überzeugt. Man solle auf jeden Fall eine Stellungnahme des bayerischen Datenschutzbeauftragten einholen, forderte er. Kuhn sicherte dies zu, man könne die Genehmigung des Datenschützers als Voraussetzung in den Antrag schreiben. Ruoff führte auch ein anderes Argument gegen die Kameras an: "Das wird doch teurer als die Entsorgung, das können wir uns sparen."

Damit könnte er nicht ganz unrecht haben: Rund 300 Euro pro Kamera und Monat werde Vaterstetten nach dem Ende des Versuches wohl zahlen müssen, rechnete Janette Nickel von der Firma Bosch den Gemeinderäten vor. Würden also alle derzeit 34 Vaterstettener Wertstoffinseln überwacht, müsste die Gemeinde pro Jahr 122 400 Euro an die Firma Bosch überweisen, also deutlich mehr als man derzeit für die Reinigung aufwendet.

Sehr positiv bewertete dagegen Karl Müller (CSU) das Pilotprojekt. Ihn überzeuge "die intelligente Technik, und dass es uns nichts kostet". Auch Thorsten Bader (CSU) sah kein Problem in der Videoüberwachung. "Von mir aus sollen die mich filmen, von oben, von unten oder sonst wie, aber die anderen auch." Es sei doch eine gute Sache "die Drecksäue" zu ermitteln, die für die Verschmutzung der Wertstoffinseln verantwortlich seien.

Bürgermeister Niedergesäß erklärte, es gehe nicht darum, zu beschließen, eine dauerhafte Überwachung aller Sammelstellen einzuführen, sondern es handele sich um einen Pilotversuch. "Wenn man die Ergebnisse hat, sehen wir weiter." Niedergesäß betonte, man nehme den Datenschutz durchaus ernst, "aber ich finde es nicht in Ordnung, wenn 99 Prozent der Bürger zahlen müssen, wegen ein paar Schweinen, die denken, dass sie sich an nichts halten müssen." Gegen die Stimmen von Will, Ruoff und Koch wurde der Pilotversuch beschlossen.

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