Der Grafinger VHS-Förderverein steht fürs Erste ohne Ersten Vorsitzenden da. Bei der außerordentlichen Mitgliedervollversammlung am Donnerstagabend haben laut Zweitem Vorsitzenden Silvan Rüegg 24 von 26 Mitglieder für die Abberufung des bisherigen Vorsitzenden Jörg Walter votiert. Dieser hatte am 7. Oktober einen umstrittenen, von der VHS-Leitung fürs VHS-Programm abgelehnten Referenten kurzerhand unter Flagge des Fördervereins eingeladen. Dies werteten die 24 Mitglieder als Verstoß gegen die Vereinssatzung, wonach der „FöV“ in beratender, nicht aber in programmgestalterischer Form tätig zu sein habe.
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Der Verein lässt Michael Meyen auftreten, der wegen seiner Nähe zu „Querdenkern“ und Verschwörungstheoretikern in die Kritik geraten ist. Bei der Bildungseinrichtung fühlt man sich düpiert – und auch im Verein selbst gibt es kritische Stimmen.
Walter kritisiert seine Absetzung scharf. Seine Gegner befänden sich „in einer mentalen Ideologiepanik“, erklärte er am Freitag im Gespräch mit der SZ. „Mit Brachialität wird da jetzt auf Biegen und Brechen eine Amtsenthebung daraus. Kontroverse Diskussionen brauchen kontroverse Mitdiskutanten.“ Das müsse eine Demokratie aushalten.
Walter sieht sich vom Zweckverband ausgebootet. „Meine Vorschlags-Annahmequote (bei der VHS-Leitung, Anm. d. Red.) fiel von wunderbaren 100 Prozent auf null Prozent, sämtliche Vorschläge wurden seitdem mehrfach wiederholt beiseitegeschoben.“
Das bestreitet VHS-Leiterin Martina Eglauer nicht: Wenn eine öffentliche Bildungseinrichtung Referenten einlade, müssten diese klar auf dem Boden einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen sowie in ihrem Fach fundiertes Renommee mitbringen, erläuterte Eglauer. Daran gebe es bei Vorschlägen wie Professor Michael Meyen oder der Politikwissenschaftlerin und Publizistin Ulrike Guérot maßgebliche Zweifel.
Der Referent war für eine Zeitschrift tätig, die im Bericht des Verfassungsschutzes auftaucht
Im vergangenen Jahr hatte Meyen als zeitweiliger Mitherausgeber und Autor der Zeitschrift „Demokratischer Widerstand“ gewirkt. Laut Berliner Verfassungsschutz eine „verschwörungsideologische Veröffentlichung“. Die Publikation trage „weiterhin wesentlich zur Verbreitung verfassungsfeindlicher Verschwörungserzählungen bei, durch die sie gezielt versucht, Menschen zu radikalisieren“. Guérot war im vergangenen Jahr wegen Plagiaten von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn gekündigt worden. Das Arbeitsgericht Bonn erkannte die Kündigung mittlerweile für rechtmäßig.
Unter zahlreichen teilweise jahrzehntelangen Mitgliedern herrscht die Sorge, der VHS-Förderverein könnte unter Walters Vorsitz in die Nähe von „Querdenkern“ und Verschwörungstheoretikern abdriften. Außerhalb des Fördervereins könne Walter selbstverständlich einladen, wen er wolle.
Es scheint, als brachte dessen Veranstaltung vom 7. Oktober das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen, was in der Einladung von Walters Stellvertreter Rüeggs zur außerordentlichen Mitgliederversammlung sowie zwei Abberufungsanträgen resultierte. Der eine von Rüegg, der andere in Form eines Gruppenantrags von rund 20 Mitgliedern.
Grafinger VHS-Förderverein:Mitglieder sammeln Unterschriften gegen ihren Vorsitzenden
Im gebeutelten Grafinger VHS-Förderverein läuft die nächste Initiative, den umstrittenen Vorsitzenden Jörg Walter loszuwerden. Diesmal kommt sie aus der Mitgliederschaft.
Die Unterscheidung von Alt- und Neumitgliedern muss vor allem deshalb getroffen werden, weil am Donnerstag um die 30 Neumitglieder im Ebersberger VHS-Gebäude standen. Walter will diese qua Amtes als Erster Vorsitzender in den vergangenen drei Wochen „absolut rechtmäßig“ aufgenommen haben. „Die sind also auch stimmberechtigt.“
Das zweifelt das Lager um Rüegg an. Vielmehr solle mit neuen Machtverhältnissen Walters Abberufung verhindert werden. Dass es sich bei den Neumitgliedern auf der Zeitachse um eine auffällige Häufung handelt, bestreitet Walter nicht. „In den zehn Jahren davor gab es ein neues Mitglied.“
Den Beschluss über seine Abberufung will Walter nicht anerkennen
Was die Abläufe am Donnerstagabend zusätzlich komplex machte: Einige Tage nach Rüeggs Ladung lud Walter „bestätigend“ fürs gleiche Datum und die gleiche Adresse ein. Allerdings mit teilweise anderer Tagesordnung und anstelle von 20 Uhr auf 19.43 Uhr.
Auch nach zweieinhalb Stunden konnte man sich am Donnerstagabend nicht darauf verständigen, wer der Anwesenden nun stimmberechtigt sei und wer nicht. Daraufhin habe Walter vorgeschlagen, so berichten mehrere Teilnehmer übereinstimmend, die Versammlung ohne Abstimmung über seine Abberufung zu beenden. Daraufhin, so heißt es, sei ein Großteil der unstrittig stimmberechtigten Altmitglieder in einen Nebenraum gewechselt. Dort hätten die 24 der 26 Mitglieder schließlich für Walters Abberufung votiert. Den Beschluss will Walter nicht anerkennen. „Die haben ja den Veranstaltungsraum verlassen.“ Deshalb sei die neue Runde „ganz eindeutig nicht beschlussfähig“ gewesen. Nach SZ-Informationen liegt mittlerweile ein Widerspruch gegen die Wahlen vor.
Für Altlandrat Hans Vollhardt, der als Mitglied des Fördervereins am Donnerstag ebenfalls zugegen war, stellt sich die Sache anders dar: „Aus meiner Sicht war das eine absolut rechtsgültige Entscheidung.“ Der Wechsel in den Nebenraum sei lediglich erfolgt, um die außerordentliche Mitgliedervollversammlung überhaupt abhalten zu können.
Rüegg zufolge müssten die verbleibenden sechs Vorstandsmitglieder nun entscheiden, wer den Verein bis zu den voraussichtlich im ersten Quartal 2025 stattfindenden turnusgemäßen Neuwahlen führt.