Süddeutsche Zeitung

Nachhaltigkeit:Ideenreiche Bio-Bauern

Regional, ökologisch, nah am Verbraucher: Die Verwaltungsgemeinschaft Glonn wird Öko-Modellregion. Treibende Kraft waren ansässige Landwirtsfamilien, die große Pläne haben.

Von Barbara Mooser, Glonn

Die Rinder und Schweine auf Gut Georgenberg dürfen ebenso wie die Schafe und Lämmer das ganze Jahr ins Freie. Auf den üppigen Weiden rund um das prächtige Gut haben sie genügend Auslauf und Futter. Wenn man davon sprechen kann, dass Tiere ein glückliches Leben haben, dann wohl auf Höfen wie diesem. Doch vom Idyll allein können Landwirte nicht leben, auch wirtschaftlich muss es stimmen - und da ist auch der Verbraucher gefragt, dem der Mehr-Wert ökologisch und regional produzierter Produkte bewusst sein muss. In der Verwaltungsgemeinschaft Glonn wollen nun Landwirte und Kommunen gemeinsam darauf hinwirken, dass die Bio-Produktion ausgebaut wird und die Wertschöpfung noch stärker in der Region bleibt. Unterstützung bekommen sie vom Freistaat: Das Landwirtschaftsministerium hat nun bekannt gegeben, dass die VG Glonn eine von neun neuen Öko-Modellregionen wird.

Angestoßen haben die Bewerbung mehrere Landwirte aus der Region, Florian Weil vom Gut Georgenberg ist einer von ihnen. Seit 1996 sind die Schafe und Lämmer das Markenzeichen des Betriebs, verkauft werden sie vor allem über die Direktvermarktung. "Man muss mit Herzblut dabei sein", sagt Florian Weil, wenn man ihn fragt, welche Tipps er anderen Landwirten geben kann, die den selben Weg wie er einschlagen wollen. Recht ähnlich sieht es Leonhard Neuner, der schon 25 Jahre seine Hofkäserei Stroblberg betreibt. Ziemlich erfolgreich, sagt er, sieht man vom vergangenen Wirtschaftsjahr ab, das enttäuschend ausgefallen ist. Der Käse kostet hier mehr als beim Discounter, das konnten - oder wollten - sich angesichts der insgesamt hohen Lebenshaltungskosten nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine wohl weniger Menschen leisten.

Dass sich die Nachfrage nach Bioprodukten erst einmal stabilisiert und dann erhöht, das ist deshalb eine der Hoffnungen, die Leonhard Neuner mit dem neuen Zusammenschluss verbindet. Mit im Boot sind schon jetzt viele Landwirtsfamilien aus der Region - 28 tragen das Konzept mit - und mit den Herrmannsdorfer Landwerkstätten auch ein Vorzeigebetrieb mit Zugkraft. Auch deren Chefin Sophie Schweisfurth hat an der Bewerbung mitgearbeitet.

Hier gibt es schon jetzt mehr Bio-Betriebe als im Landkreisdurchschnitt

Die Ausgangsbedingungen in der VG Glonn sind nicht schlecht: Während landkreisweit der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen bei 11,17 Prozent liegt, ist er in der Modellregion mit 21,42 Prozent fast doppelt so hoch. Allerdings sind bei weitem nicht alle Gemeinden gleich weit: In Glonn selbst liegt der Anteil bei 44,4 Prozent, in Baiern bei 26,59 Prozent, in Oberpframmern hingegen wird nur 1,67 Prozent der Fläche ökologisch bewirtschaftet, in Moosach sind bisher gar keine ökologisch wirtschaftenden Betriebe angesiedelt. Es ist also noch Luft nach oben - und an Ideen mangelt es nicht.

Vier Hauptprojekte haben die Landwirtinnen und Landwirte gemeinsam mit den Kommunen geplant. Und alle diejenigen, die sich dafür interessieren, einmal direkt zu erleben, wie regional und ökologisch gewirtschaftet wird, können sich schon einmal freuen: Bei Bauernhof-Radltouren können Betriebe erkundet werden, dort sind je nach Eignung auch Führungen und Verkostungen geplant. Auch konventionelle Landwirtschaftsbetriebe, die in Teilen ebenfalls auf vorbildliche ökologische Produktionsweisen setzen, sollen dabei möglichst eingebunden werden, ebenso Vereine aus der Region.

Das zweite Projekt zielt vor allem auf regionale Wertschöpfung ab - und auch auf's Tierwohl, auch wenn es vielleicht etwas seltsam klingt: Eine mobile Schlachtbox soll dazu beitragen, dass Tiere dort geschlachtet werden können, wo sie sich ihr Leben lang wohlgefühlt haben. Weite Transporte, die für die Tiere mit Stress und Angst verbunden sind, können dadurch vermieden werden - ebenso wie Arbeitsunfälle beim Verladen der Tiere. Idealerweise soll nach der Schlachtung auch das Fleisch möglichst regional vermarktet werden, mehrere Wirtshäuser in der Region haben bereits Interesse bekundet.

Auf eine größere Wertschöpfung von Lebensmitteln und gleichzeitig die Nutzung von Synergien zielt das dritte Projekt ab: "Wirtschaften im Kreislauf" haben es die Landwirtinnen und Landwirte in ihrer Bewerbung genannt. Hintergrund ist, dass viele Nebenprodukte aus der Landwirtschaft derzeit nicht so gut genutzt werden, wie es möglich wäre. Dies soll sich durch Kooperationen ändern: Schlachtnebenprodukte etwa könnten in der Region zu Tiernahrung verarbeitet werden. Die Molke, die bei der Käseproduktion anfällt, wäre verwendbar als Futter für Schweine. Wollpellets, für die die Schafzüchter keine Verwendung haben, könnten als natürlicher Langzeitdünger genutzt werden.

Und schließlich geht es auch um einen besseren Weg für den Umgang mit den männlichen Kälbern, die in den Milchviehbetrieben zur Welt kommen, dort aber nicht gebraucht werden. Bisher werden die so genannten Bruderkälber zur Mast weiterverkauft, allerdings in weiter entfernte Betriebe, in der Region sind sehr wenige Mastbetriebe tätig. Deswegen sollen im Rahmen des Projekts Partner gefunden und Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen geschaffen werden. Das Fleisch der regional aufgezogenen Rinder könnte beispielsweise in der Bio-Gastronomie, aber auch in Seniorenheimen, Schulen oder Kantinen angeboten werden.

So sieht es jedenfalls das Konzept vor, bis es an die Umsetzung geht, muss jedoch noch viel Zeit und Arbeit investiert werden. Und auch Geld. Einen Teil davon trägt das Landwirtschaftsministerium bei: Es übernimmt in den anerkannten Öko-Modellregionen 75 Prozent der Kosten für eine Projektmanagement-Stelle, maximal 75 000 Euro im Jahr. Die Förderung läuft zwei Jahre und kann um weitere drei verlängert werden. Darüber hinaus wollen auch alle Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Glonn das Projekt fördern, sie haben je 5000 Euro pro Jahr zugesagt.

Dass die vergleichsweise kleine VG Glonn zum Zug gekommen ist, nimmt man auch in den Rathäusern erfreut zur Kenntnis: "Ich habe damit am Anfang nicht unbedingt gerechnet", sagt der Glonner Bürgermeister und VG-Vorsitzende Josef Oswald (CSU), doch schon bei der Bereisung der Region durch die Jury habe sich abgezeichnet, dass die Fachleute vom Konzept überzeugt seien. Dass es nun letztlich geklappt habe, sei natürlich "sehr erfreulich".

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