Süddeutsche Zeitung

Verwaltung verärgert Politiker :Welche Kosten verursachen Anträge?

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Das Ebersberger Landratsamt führt eine Neuerung ein, die bei Kreisräten auf erhebliche Kritik stößt

Von Wieland Bögel

Ein beliebtes Fernsehformat der 1980er ging der Frage nach, was Alltagsprodukte denn so kosten. Errieten die Kandidaten den korrekten Preis oder kamen nahe genug heran, konnten sie attraktive Preise gewinnen - und das Publikum an den TV-Endgeräten riet stets gespannt mit. Nun sind die 80er auch schon eine Weile her, genau wie die Freude am Preiseraten - zumindest hat man im Landratsamt offenbar diesen Eindruck. Daher verteilt die Behörde nun offiziell Preisschilder - für Anträge der Kreistagsmitglieder. Was wiederum nicht bei allen besonders gut ankommt.

Etwa bei Albert Hingerl, SPD-Fraktionschef und Mitglied des Kreis- und Strategieausschusses. Dort stand kürzlich ein Antrag der Sozialdemokraten auf der Agenda, es ging um die Frage, ob der Landkreis Anleihen ausgeben soll, aus deren Erlös dann Investitionen etwa in Bildung oder Klimaschutz finanziert werden können. Die Verwaltung sollte prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen diese Kommunalanleihen möglich seien.

Die Antwort der Verwaltung in der jüngsten Sitzung fiel relativ klar aus: unter keinen Voraussetzungen. Laut Kreiskämmerin Brigitte Keller habe die Verwaltung "weder das Personal, noch das Know-how" als Emittent kommunaler Wertpapiere tätig zu werden. Zwar könne man beides beschaffen - also die entsprechenden Fachleute einstellen - was aber deutlich teurer und umständlicher sei, als wie bisher einfach Kredite bei einer Bank aufzunehmen.

Apropos teuer: Zusammen mit der Einschätzung über Sinn und Unsinn der Kommunalanleihen hatte die Verwaltung auch gleich dazugeschrieben, was diese Prüfung ungefähr gekostet habe: Insgesamt zehn Arbeitsstunden seien für die Bearbeitung aufgewendet worden - zum Beweis für den Fleiß waren der Vorlage ganze 84 Seiten Anhang mit diversen Stellungnahmen beigefügt - was, "Durchschnittsarbeitskosten" zugrundegelegt, einen finanziellen Aufwand von rund 500 Euro ausgelöst habe.

Die Stellungnahme der Verwaltung löste nun beim Antragsteller einen gewissen Unmut aus. Weniger wegen der Einschätzung der Verwaltung, dass der Landkreis besser keine eigenen Anleihen ausgeben sollte, diese akzeptiere er, so Hingerl. "Was ich aber merkwürdig finde, ist aufzuschreiben, was die Prüfung gekostet hat. Das empfinde ich als respektlos." Der SPD-Fraktionschef mutmaßte gar, dahinter könne der Zaunpfahl-bewehrte Wink stecken, "dass wir die Anträge künftig bleiben lassen sollen".

Das wollte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) so direkt zwar nicht bestätigen, wohl aber, dass man damit einen gewissen erzieherischen Zweck verfolge: In der aktuellen Wahlperiode sei die Zahl der Anträge stark gestiegen. Dadurch entstehe "sehr viel Aufwand, die Belastung der Verwaltung hat enorm zugenommen". Darum werde man künftig bei jedem Antrag dokumentieren, wie viel zusätzlicher Aufwand - und auch Kosten - dieser verursacht habe. Übrigens ohne Ansehen der Person oder Fraktion, der SPD-Antrag sei nur eben zufällig der erste gewesen, der nun ein Preisschild bekommen habe.

"Das ist doch unglaublich", zeigte sich der Antragsteller empört, die Verwaltung wolle den Kreisräten offenbar vorschreiben, wie sie ihre Arbeit zu tun hätten, so Hingerl. "Da weiß ich nicht, ob ich noch Lust habe, hier weiter mitzumachen." Unterstützung kam von den Grünen, Kreisrat Reinhard Oellerer zitierte aus der Bayerischen Landkreisordnung, wonach der Kreistag die Aufgabe habe, die Verwaltung zu kontrollieren - und nicht umgekehrt. "Uns die Anträge vorzurechnen, da sind Sie etwas aus der Balance", meinte er in Richtung Landrat.

Zumindest bleibt das Preisschild ohne konkrete Folgen für die Antragsteller. Das Angebot Hingerls, die 500 Euro für die Bearbeitung des Antrags aus der SPD-Fraktionskasse zu bestreiten, blieb ohne Antwort der Verwaltung.

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Quelle:
SZ vom 15.11.2021
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