Süddeutsche Zeitung

Versuch einer gütlichen Einigung:Grafinger Biogasgipfel

Anlagenbetreiber wollen neuartigen Geruchshemmer ausprobieren

Thorsten Rienth

Es sind nur informelle Gedanken, doch sie reichen aus, um in Grafings Osten seit Wochen die Gemüter zu erhitzen. Die Betreiber der Biogasanlage am Schönblick wollen deren Leistung von jährlich 2,3 auf drei Millionen Kubikmeter Gas erhöhen. Die Anwohner sind erbost und mit den Betreibern heillos zerstritten. Ausgerechnet der als Heißsporn bekannte Stadtrat Heinz Fröhlich (Bündnis für Grafing) hat sich am Donnerstagabend als Schlichter versucht. Zumindest teilweise war er sogar erfolgreich.

"Das stinkt ohne Ende, da kannst du dich abends nicht mehr zum Bier auf die Terrasse setzen", schimpfte Nachbar Reinhold Güntner bei der BfG-Veranstaltung im Heckerbräu, "Da kommen Gestankswolken runter, die sind kaum zum Aushalten." Und dann der Anlieferverkehr: "Die rasen, wie die Wahnsinnigen, und durch die Stollenreifen ist das ein Lärm, der verrückt macht. Das ist wie, wenn ein Hubschrauber daherkommt." Die von den Betreibern geplante Kapazitätserweiterung lehnen die Nachbarn prinzipiell ab. Sie fürchten mehr Gestank und mehr Lärm. "Das wird ein gigantisches Industriegebiet", fasst Anwohner-Sprecher Güntner die Befürchtungen der Nachbarn zusammen.

Da half es wenig, dass Florian Rothmoser vom gleichnamigen Grafinger Energieversorger versicherte, die Anlage doch überhaupt nicht baulich vergrößern zu wollen. Es ginge um die Effizienz. "Wir betreiben die Anlage jetzt seit gut zwei Jahren. Wir haben in dieser Zeit unsere Erfahrungen gesammelt und festgestellt, dass wir etwas mehr Gas produzieren könnten, als wir dachten." Gelingen soll dies mit etwas mehr Biomasse und deren erhöhter Energiedichte: "Wir könnten mehr Getreide einsetzen, das in der Lebensmittelindustrie nicht mehr verwendet werden darf."

Daraus ließe sich aber nicht per se auf eine Mehrbelastung der Anwohner schließen, erklärte Rothmoser. Für den Geruch sei schließlich die vor der Anlage gelagerte Silage verantwortlich. Und deren Menge könne man wegen der beschränkten Lagerfläche gar nicht mehr erhöhen. Gleichwohl, gab Rothmoser zu, würde sich die Verkehrsbelastung etwas erhöhen: Von derzeit 0,1 Prozent Verkehrsanteil in der Rotter Straße auf 0,13 Prozent. Während der Maisernte würde sich der Anteil auf 6,2 Prozent erhöhen.

Bislang ist die Anlage nach dem sogenannten privilegierten Verfahren genehmigt. Das bedeutet, dass Landwirte unter bestimmten Bedingungen relativ einfach eine Biogasanlage bauen und betreiben können. Eine der Beschränkungen ist beispielsweise die maximale jährliche Gasproduktion von 2,3 Millionen Kubikmetern. Wollen Rothmoser und der Landwirt Hans Zeller drei Millionen Kubikmeter im Jahr produzieren, muss der Stadtrat das Areal zu einem sogenannten "Sondergebiet Erneuerbare Energien" deklarieren. Für die Anwohner wäre dies das sprichwörtliche rote Tuch. "Wir wissen überhaupt nicht, welche Türen dadurch neu aufgemacht werden", klagte eine Anwohnerin. Die Sorge ist, dass die Anlage danach praktisch nach Gutdünken der Betreiber immer weiter vergrößert werden kann.

Der Straußdorfer Martin Lechner, CSU-Kreisrat und ebenfalls einer der Anlagenbetreiber, konnte angesichts solcher Vorwürfe nur noch mit den Achseln zucken. "Ich weiß langsam wirklich nicht mehr, was wir noch machen sollen. Das ist - vor allem was den Geruch angeht - die fortschrittlichste Anlage im weiten Umkreis." Ein weiterer Ausbau mit beispielsweise zusätzlichen Gebäuden sei alleine schon deshalb obsolet, weil die Betreiber bei einem Sondergebiet weiterhin an die bestehenden Grundrisse gebunden seien.

Der Vorschlag, den Florian Rothmoser wenig später machte, ist der letzte Versuch einer gütlichen Einigung . "Wir wollen mit einem Präparat aus der Landwirtschaft versuchen, die Schnittflächen an der Silage einzusprühen. Das ist Neuland, auch nicht groß erprobt, aber das könnte den Geruch tatsächlich spürbar verringern." Inwieweit dieses Verfahren funktioniert, wird sich in den nächsten Monaten klären.

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SZ vom 23.02.2013
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