Süddeutsche Zeitung

Versteigerung in Grafing:Das Stadtmuseum lädt zur Auktion

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Im Angebot sind am 19. September Antiquitäten aus dem Nachlass der Lehrerin Luise Rauch

Von Barbara Mooser, Grafing

Es gibt eine nette Geschichte über Luise Rauch und ihre Leidenschaft für Schönes und Altes. Bei einer Italienfahrt hatte sie auf dem Kunstmarkt in Venedig einige Schnitzereien erstanden. Als sie mit ihren Reisegefährten, dem Grafinger Kunstschreiner Georg Braun und dessen Frau sowie dem damaligen Grafinger Pfarrer Georg Hunklinger, über den Brenner zurück fuhr, fragten die Grenzer, ob man denn etwas zu verzollen dabei habe? Die beiden Herren auf den Vordersitzen deuteten lässig hinter sich: "Ja, die zwei Engel da hinten." Die Zöllner gingen charmant davon aus, dass die Damen auf dem Rücksitz gemeint seien - die Holzenglein im Kofferraum blieben unverzollt.

Bernhard Schäfer, Grafinger Stadtarchivar und Museumsleiter, lacht, wenn er die Geschichte erzählt. Die zwei Englein gehören zwar nicht zu den Gegenständen, die Luise Rauch dem Museum der Stadt Grafing vermacht hat, dafür viele andere kostbare Möbel und Dekorationsobjekte. Weil das Museum dafür im Depot keinen Platz hat und zumal jene Sachen ohne Grafinger Bezug dort nie ausgestellt werden können, sollen sie jetzt versteigert werden.

Viele ältere Landkreisbürger werden sich an Luise Rauch, die 2018 im Alter von 94 Jahren gestorben ist, sicher noch erinnern: Sie war Volksschullehrerin, erst in Hohenlinden, später in Vaterstetten. Der Stadt Grafing war sie vor allem durch ihre Freundschaften verbunden - so sehr, dass sie später der früheren Museumsleiterin Rotraut Acker versprach, das Museum in ihrem Testament zu bedenken und dieses Versprechen auch hielt. Der heutige Museumsleiter Bernhard Schäfer lernte die großzügige Gönnerin bereits vor gut zehn Jahren kennen, als sie ihn zu sich nach Waldtrudering einlud, um sich die Gegenstände schon einmal anzusehen.

Porzellanfiguren, historische Möbel, Heiligenbilder und Volkskunst gehörten zu den Dingen, für die sie sich interessierte. Bernhard Schäfer freut sich sehr darüber, dass die Erbstücke nun in Grafing angekommen sind und ist sich sicher, dass Luise Braun einverstanden damit wäre, dass die Gegenstände zwar nicht selbst im Museum bleiben werden, aber durch ihre Versteigerung Investitionen ermöglichen, die sonst vielleicht nicht finanzierbar wären. Ideen, wofür man das Geld gut brauchen könnte, hat Schäfer schon genügend. Er will im Rückgebäude des Museums eine Vor- und Frühgeschichtsabteilung aufbauen, dort sollen unter anderem die vorgeschichtlichen Spangenbarren gezeigt werden, die 2019 auf einem Feld bei Aßling gefunden wurden und nun dem Museum zur Verfügung gestellt wurden. So eine klimatisierte Spezialvitrine, wie man sie dafür benötige, koste schnell 5000 Euro oder mehr, erzählt er: "Da kann man schon Geld ausgeben."

Und deshalb hofft er, dass die Grafinger und vielleicht auch Besucherinnen und Besucher von außerhalb großzügig sind, wenn es am Sonntag, 19. September, an die Versteigerung der Gegenstände geht. Unterstützung bekommt der Museumsleiter dabei von einer Expertin, die sicher viele aus dem Fernsehen kennen: Die Kunsthistorikerin Sabine von Poschinger, die bei der Sendereihe "Kunst und Krempel" mitwirkt, wird als Auktionatorin tätig sein. Sie hat früher im Landkreis gewohnt und kennt Schäfer aus dieser Zeit.

Die Gegenstände, die unter den Hammer kommen, sind schön und vielfältig - und haben zum Teil eine spannende Geschichte. Da gibt es etwa eine Biedermeiervitrine, die einmal im Schloss Egmating als Waffenschrank gedient hat. Oder einen Spieltisch aus Kirschbaumholz, der einmal zum Inventar des Schlosses Höglwörth gehört hat. Dazu Heiligen- und Gnadenbilder, Silberwaren, Kandelaber und Heiligenfiguren. Wer ein Faible für Porzellanfiguren hat, sollte unbedingt bei der Auktion vorbeischauen - von Hundefiguren bis zu Schäferszenen ist alles dabei. Die Mindestpreise sind moderat - sie liegen bei einigen Porzellanfigürchen bei zehn Euro, bei einem Fußschemel aus Kirschbaumholz aus dem 19. Jahrhundert wird mit 30 Euro gestartet. Die Mindestgebote für die meisten Möbel liegen bei wenigen hundert Euro - auch wenn Schäfer auf mehr hofft. Wenn auch einmal von einem Versicherungswert von 300 000 Mark die Rede, war, dann entspricht das seinen Erkenntnissen nicht der Realität. Es stellte sich heraus, dass diese Summe entschieden zu hoch gegriffen war. Für manche Antiquitäten - etwa Biedermeiermöbel - sei früher auch wesentlich mehr gezahlt worden, als Sammler und Liebhaber heute ausgeben wollten, erläutert er.

Ein ganz besonderes Möbelstück aus dem Nachlass von Luise Rauch gibt der Museumschef übrigens nicht in die Versteigerung. Es ist ein Schreibpult vom Anfang des 19. Jahrhunderts, das schon einmal in Grafing stand, es stammt aus dem Besitz der Familie Grandauer. Wer weiß, vielleicht hat Maximilian P. Grandauer, der Grafinger Wohltäter, nach dem auch eine Straße benannt ist, hier seine Briefe geschrieben? Das Pult könnte jedenfalls bald seinen Platz in der Museumsabteilung "Stifter - Gönner - Wohltäter" finden.

Die Auktion findet am Sonntag, 19. September, von 14 Uhr an im Hof des Museums statt. Eine Vorbesichtigung ist von Dienstag, 14., bis Samstag, 18. September, jeweils von 18 bis 20 Uhr möglich.

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Quelle:
SZ vom 10.09.2021
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