Süddeutsche Zeitung

Vernissage mit Verleihung:Meditation in Mechanik

Stefan Stock und Hans Lindenmüller teilen sich den Kunstpreis des Landkreises Ebersberg. Beide zeigen bei der Jahresausstellung des Kunstvereins Installationen

Von Michaela Pelz

Die Jahresausstellung des Kunstvereins Ebersberg wird gleich drei Bedürfnissen der Besucherinnen und Besucher gerecht: Die Exponate zum Thema "Schwarz und Rot und Gold" erfreuen das Auge, regen zum Nachdenken an - und spielen kann man mit manchen interaktiven Objekten außerdem. Weil die meisten Werke überdies käuflich sind, gibt es eine Preisliste. Das mit Abstand teuerste Werk wird in der Galerie Alte Brennerei allerdings mit Füßen getreten. Denn die laut Projektleiter Hubert Meier "genmanipulierten Pril-Blumen" von Juror Werner Bauer kleben im Eingangsbereich der Säulenhalle auf dem Boden. Das stört jedoch weder das äußerst zahlreich erschienene Publikum, noch Robert Niedergesäß, der die "Verschönerung" (so der offizielle Titel) elegant überschreitet, bevor er mit launigen Worten den Kunstpreis des Landkreises in Höhe von 2 000 Euro verleiht.

Von den 31 Künstlern, die es von 130 Bewerbern in die Ausstellung geschafft haben, landeten dabei dieses Jahr gleich zwei auf dem ersten Platz - wobei, wie der Landrat bedauert, das Preisgeld leider nicht verdoppelt wurde: Stefan Stock und Hans Lindenmüller.

Linendmüllers rote "Boje", die im Westraum auf einer hellen Holzstele schaukelt, lässt manche an das Flüchtlingsthema denken, andere an Orientierung in stürmischen Zeiten. Der tatsächliche Auslöser allerdings ist deutlich banaler: "Bei einer Fahrradtour mit meiner Frau an der Donau fiel mein Blick auf eine Boje." Das "ruhige und meditative" Spiel von Wind und Wellen wollte der Münchner mit künstlichen Mitteln nachbilden. Das sinnliche Erleben sollte dabei im Vordergrund stehen - anders als bei seiner früheren Tätigkeit als Computergrafiker, wo er zuständig war für Special Effects in Science-Fiction-Filmen.

Heute ist die Technik für den Künstler nur Mittel zum Zweck und soll eigentlich unsichtbar bleiben. Doch weil ein Batteriewechsel ansteht, darf eine Handvoll Zuschauer ins Innere des Objekts blicken. So hat man nach dem Lösen der Rückwand freie Sicht auf den Sensor, der, ausgelöst durch einen Bewegungsmelder, mittels hochfrequenten Radarwellen ein an Federstahl aufgehängtes Pendel in Gang setzt. Es ist mit einem Gewicht beschwert, um die natürlichen Schwankungen einer Boje nachzuempfinden. Dadurch entstehen die typisch runden Bewegungen auf der leicht angeschrägten Oberfläche aus dunklem Plexiglas. Die ist zur Simulation des Wellengangs auch an einer Aufhängung befestigt.

Eigentlich wäre es dem 51-Jährigen lieb, man möge all diese Details ganz schnell wieder vergessen und sich nur auf die Atmosphäre konzentrieren. Gleichzeitig verhehlt er nicht, dass für einen natürlich erscheinenden Effekt Modellbau und Technik unabdingbar dazugehören, und man da ungemein exakt arbeiten müsse. Oft per "Trial und Error". Da schadet es nicht, dass er sich schon als Jugendlicher mit Lötkolben und Schaltungen beschäftigt und den Physik-LK belegt hatte. Ganz besonders hilfreich bezeichnet er aber den "abgeschirmten Schutzraum" seines "Daniel-Düsentrieb"-Ateliers in einem alten Bauernhof, den er mit seiner Frau Christine, ebenfalls Künstlerin, nutzt. Dort gibt es nicht nur Platz, sondern "ohne Telefon und W-Lan" vor allem keinerlei Ablenkung. Im Hinblick auf die Lage in der Nähe von Wasserburg flachst er scherzend, dass man für den Gewinn des Preises "nicht ein Hipster aus Berlin sein muss."

Das ist auch sein Sieger-Kollege nicht: Stefan Stock kommt aus Kastl bei Amberg. Im Gegensatz zu Lindenmüllers kinetischem Objekt soll man bei seiner Assemblage aus Kristallen, LEDs, Soundmodul und Maschinenteilen die Mechanik sehr wohl erkennen, ja sogar interaktiv in Gang setzen. "B013" hat er den Kasten mit zahlreichen Schaltern, blinkenden Lichtern und unterschiedlichen Geräuschzuspielungen genannt. Der Titel verweist auf die Art des Gehäuses, stets Ausgangspunkt von Stocks Arbeiten: Das ehemalige französische Telefon-Messgerät ist "black" und passt damit perfekt zur Ausschreibung. Die Teile eines Druckluftfilters, die er ins Innere einbaute, "waren eh schon gold lackiert", also brauchte er nur noch etwas Rotes. Das fand der gelernte Augenoptiker in einer (jetzt für Blitze zuständigen) Plasmascheibe aus seinem Fundus. Den hat er immer grob im Kopf, auch weil er zweimal im Jahr alle - zum Glück beschrifteten - Kisten mit Einzelteilen von Ebay, Flohmarkt oder Wertstoffhof durchschaut, die sich auf 25 bis 30 Quadratmetern in Keller, Schuppen und Außenlager stapeln.

Noch bis 8. März kann man die beiden Sieger- und alle anderen Objekte bewundern - und über einen möglichen Kauf nachdenken. Die für Bauers eingangs erwähntes Pril-Blumen-Werk aufgerufenen 63 Milliarden Euro dürften den meisten allerdings zu viel sein. Wie die Summe zustande kam? Sie orientiert sich am Preis, den Bayer für Monsanto bezahlt hat.

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Quelle:
SZ vom 17.02.2020
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