Vernissage in Vaterstetten:"Man braucht Talent und sehr, sehr viel Fleiß"

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Caroline Seewald und ihre Mentorin Waltraud Fichter beim Vorbereiten der Ausstellung. Das Werk an der Wand stammt von Lisa Christlieb. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ausstellung von Waltraud Fichter und ihren Schülerinnen Lisa Christlieb und Caroline Seewald im Haus Maria Linden

Von Michaela Pelz, Vaterstetten

Wenn man genau hinschaut, hört man sie trompeten, die Elefanten, die sich in der lichtdurchfluteten Halle von Haus Maria Linden auf dem vierteiligen Bild gleich rechts neben dem Eingang befinden, direkt über einer Sitzgruppe, die so rot ist wie der Sonnenball auf dem Gemälde. Dieser Eindruck beruht in erster Linie auf dem Gefühl, das der Anblick der Dickhäuter vermittelt, denn bei aller Gegenständlichkeit sind sie doch eher frei dargestellt. Genau das ist es, was Malerin Lisa Christlieb am liebsten tut - erst sucht sie sich ein Motiv, dann lässt sie ihrer Kreativität freien Lauf. Genau wie Waltraud Fichter, von der die 28-jährige vor einem Vierteljahrhundert erstmals in den Umgang mit Farben eingewiesen wurde. Denn die Grafingerin, die seit 37 Jahren selbst malt und zudem in ihrer kleinen Galerie Anfänger und Fortgeschrittene unterrichtet, ist nicht nur Christliebs Lehrerin, sondern auch ihre Großtante.

Solche familiären Bande gibt es zwar nicht zu Caroline Seewald, die ihre Werke ebenfalls bei der Ausstellung zeigen darf, doch hebt Fichter bei beiden Schülerinnen dieselbe Eigenschaft hervor: "Sie haben eine gute Vorstellung von dem, was sie wollen, und lassen sich von mir auf dem Weg mit konkreter Hilfestellung begleiten."

Für die Hobby-Schwimmerin Seewald hieß dies zum Beispiel Unterstützung beim Nachmalen eines Dünenfotos aus dem Dänemarkurlaub, aber auch Ermutigung beim Anfertigen ganz unterschiedlicher Werke - hier ein grasgrüner Rabe, dort wilde Linien auf dunklem Untergrund. Dabei sorgt die Verwendung verschiedenster Materialien für ungewöhnliche Strukturen und Hingucker. Überraschend ist auch die Maltechnik der angehenden Hotelfachfrau: Nicht nur, dass sie dabei gerne Oldies hört ("meist aus den Achtzigern" - was für eine 19-jährige in der Tat ziemlich altes Liedgut ist), sondern sie arbeitet auch gern auf dem Boden.

Was sie wiederum mit Lisa Christlieb verbindet - auch diese hat diverse ihrer am Tisch begonnenen Tier-, Blumen- und Gemüsebilder auf dem Boden des Ateliers fertiggestellt, das sie sich mit der Tante teilt, in deren Haus die junge Ergotherapeutin ihre Wohnung hat. Wenn sie mit den Kindern in ihrer Frühförderstelle mit Fingerfarben malt, denkt sie auch immer wieder an die eigenen Anfänge zurück. Mit einem warmen Lachen erinnert sich Christlieb: "Die Tante, die ja gelernte Schneiderin ist, hatte für meine Schwester und mich jeweils einen Maleroverall genäht, der ursprünglich total weiß war." Was sich natürlich beim dauernden Kontakt mit farbverschmierten Fingerchen schnell änderte. Den kunterbunten Overall gibt es noch heute - er passt nur leider nicht mehr.

Die intensive Zusammenarbeit mit der Tante hingegen ist geblieben. Die beiden beginnen meist zur selben Zeit und hören dann auf, wenn sie sagen können: "Wir sind zufrieden." Tatsächlich meint man beim Blick auf den Ausschnitt eines Frauengesichts - ebenfalls von Christlieb - diese Gelassenheit zu spüren.

Allerdings lässt Waltraud Fichter keinen Zweifel daran, dass es manchmal ein weiter Weg ist, bis eine solche Zufriedenheit erreicht ist. Wie lange es dauere, bis ein Bild fertig sei, könne man nie sagen. So hat sie ihr Werk "Farbenspiel der Natur", bei Sturm entstanden, immer wieder verändert - "jeder Pinselstrich ist eine Entscheidung!" Das Ergebnis: Eine große Acrylarbeit, die mehr noch als etwa die farbenprächtigen Blumenbilder deutlich macht, was Fichter meint, wenn sie dem Betrachter trotz Erkennbarkeit des Motivs Raum zur eigenen Interpretation geben will.

Es geht eine Menge Energie aus von dieser Siebzigjährigen und man spürt die Freude, mit der sie ihr Wissen und ihre Erfahrung an ihre Schülerinnen weitergibt. "Natur, Bewegung und Freiheit" sind die Themen, die die begeisterte Rad- und Skifahrerin immer wieder in ihrer Arbeit aufgreift. Dabei sagt die Frau, die trotz ihrer Vielseitigkeit der Malerei bewusst Priorität einräumte: "Man braucht Talent und sehr, sehr viel Fleiß."

Darüber verfügen offensichtlich alle drei Künstlerinnen, deren insgesamt etwa 35 Bilder die aktuelle Ausstellung im Haus Maria Linden, einer Wohn- und Pflegeeinrichtung für ältere Menschen mit seelischer oder geistiger Behinderung, bilden. Diese viermal jährliche Veranstaltung wird organisiert von Helen Barkhaus, die früher mit den Bewohnern gemalt und gefilzt hat. Diese reagieren mit großer Begeisterung auf Kunst und stellen interessiert Fragen. Vielleicht werden sie Waltraud Fichter bei der Vernissage am Freitag ja in ein Gespräch über das größte ihrer mitgebrachten Bilder verwickeln. Das "gigantische" Sujet liebte sie schon, bevor sie vor zwei Jahren dieses mehrere Meter große Bühnenbild eines "Rustikals" gestalten durfte. Für die, denen nicht schon beim ersten Blick die Ohren klingeln, steht der Titel sogar mitten im grünen Gras: "Der Watzmann ruft!"

Ausstellung im Haus Maria Linden, Vaterstetten, Arnikastraße 1, Vernissage am Freitag, 8. November, um 14 Uhr. Zu sehen bis 19. Januar, täglich von 9 bis 17 Uhr.

© SZ vom 07.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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