Vernissage in der SZ-Galerie:Von Rittern, Heiligen und Stilikonen

Der georgische Maler Gio Kiladze aus München zeigt Werke, in denen er christliche Bildsprache mit modernen Symbolen kombiniert.

Von Sophie Rohrmeier

"Wenn man doch nur Künstler wäre, und nicht Elektroingenieur", sagt Volker Fritz seufzend, während sein Blick auf einer Brandung blauer Symbole und Körper haften bleibt. Das Gemälde, das ihn so fasziniert, ist ein Werk des jungen georgischen Malers Gio Kiladze, dessen Ausstellung am Donnerstag in der SZ-Galerie eröffnet wurde. Wäre man Künstler, die Vorstellung schwingt im sehnsüchtigen Ausruf des Besuchers aus Zorneding mit, dann hätte man vielleicht Mittel, näher zum Wesentlichen vorzudringen. Ornamente und Fische, arabische Muster und Fragmente der christlichen Bildersprache stürzen in Kiladzes blauer "Flut" durch den Raum um eine sich empor reckende Frau. All das kreist um eine Frage: was dem Menschen heilig ist.

In Georgien, wo Kiladze 1981 geboren wurde, spielt das orthodoxe Christentum eine große Rolle und genießt eine staatliche Sonderstellung. Die Symbole der Religion sind im georgischen Alltag sehr präsent. "Fast ein bisschen zu viel für meinen Geschmack" sagt Kiladze zu den Besuchern. Die Ausstellung spiegelt wider, dass er mit dieser Bildersprache aufgewachsen ist. Zum Beispiel in dem Werk "Heute". Der gekreuzigte Jesus hängt da von den Querstreben des Facebook-"f". Das soziale Online-Netzwerk als göttliche Instanz? Kiladzes Erfahrungsschatz bestimmt seine Assoziationen: Die Form des Buchstabens, der überall als Index für Facebook zu finden ist, erinnert ihn an das christliche Kreuz, an das Symbol der Kirche, eine der Urformen eines allumfassenden, sozialen Netzwerks.

Das leuchtende Blau, aus dem das weiße "f" hervortritt, ist wie der Himmel, die Ewigkeit - der Sitz des allmächtigen Gottes. "Die Idee, dass diese beiden Welten, Religion und Technik, in dieser Form zusammengebracht werden können, und dass daraus diese Aussage entsteht, das ist unglaublich", sagt Fritz. Er ist bereits im Besitz eines anderen Werkes von Kiladze. Eine jener Arbeiten, die weniger plakativ, aber nicht weniger eindringlich religiöse Symbole und fundamentale Zeichen des menschlichen Lebens verweben. Auch solche Bilder hängen in der SZ-Galerie. In mal kräftigen, mal zarten schwarzen Linien zeigt etwa das Motiv "Dorf Lilea" den verschachtelten Kosmos eines Ortes. Eines Ortes, der so nicht existiert, sondern das Destillat ist aus Geschichten, die Gio Kiladze aus eigenen Erlebnissen, aus Legenden sammelt. Gesichter, Leiber, Pflanzen, Häuser, Paläste und wilde Ornamentik gehen ineinander über. Der Künstler hat die Szenerie genauso wenig geplant wie das ähnlich gebaute Bild des "Ritters" aus den Canterbury Tales von Geoffrey Chaucer. "Es ist besser, wenn du nicht so viel denkst", habe ihm ein befreundeter Philosophie-Lehrer einmal gesagt, erzählt der Künstler. Das "Unterbewusste, von dem Freud sprach", will auch er zu Wort kommen lassen.

Die Kunst des Georgiers stimuliert an diesem Abend Gespräche über Abendmahl und Verrat, über georgische Schriftzeichen, wie man sie auf dem Bild "Die Erkenntnis" findet, und Dichtung, und plötzlich erhebt sich aus dem hinteren Teil des Flurs der Gesang dreier Frauen. Es sind Liebeslieder; für ein paar Minuten erfüllen sie die Galerie mit fremden Lauten. Vielleicht setzen die Bilder bei den Frauen Erinnerungen frei. Auch bei anderen Besuchern wecken die Motive Gedanken und Emotionen. Eine junge Frau läuft auf das "Abendmahl" zu, eine abstrakte Darstellung von Jesus und seinen Jüngern in Regenbogenfarben. Deutlich zu erkennen sind die Kopf-Silhouetten der Apostel aus dem "letzten Abendmahl" von Michelangelo. Die Besucherin klatscht in die Hände und dirigiert ihre Freundinnen vor die Leinwand. Wie viele der Arbeiten von Kiladze wirkt "Das Abendmahl" zunächst über die Farben. Die stehen hier für Verrat, Blutopfer und Hybris.

Woher eine Gesellschaft ihre unverletzlichen, ihre heiligen Regeln nimmt, thematisiert er auch in seinem großformatigen Bild "Domenico & Stefano". In weißen Lettern steht "D&G" auf elegantem Braun. Sonst werben sie für edles Leder, edle Seide und edel gebräunte Menschen. Irritierend an dieser "Werbung": Die beiden Figuren, gemalt im Stil christlich-orthodoxer Ikonen, tragen einen Heiligenschein. Kiladze inszeniert sie als Stilikonen der italienischen Modemarke "Dolce und Gabbana". "Es ist ein Protest", sagt er über dieses Acrylbild, dessen Hintergrund sich in einen luziden Raum verschiedener Farbschichten auflöst. Für Volker Fritz war dieses Bild der Auslöser, die Vernissage zu besuchen. "Ich habe den Künstler in der S-Bahn beobachtet, wie er das Gemälde nach Ebersberg transportiert hat", sagt er. Da müsse wohl eine Ausstellung stattfinden, habe er gedacht, und nun ist er hier.

Kiladzes Bilder machen uns bewusst, was einst heilig war, und was heute heilig ist. In unseren Ikonen spiegeln sich unsere Werte. Und manchmal erschrecken wir selbst davor.

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