Verkehrsplanung:Interkommunales Kaffeekranzerl

Verkehrsplanung: Ob ein interkommunales Verkehrskonzept Vaterstetten, hier Weißenfeld, vor dem Kollaps rettet, darüber gibt es Zweifel im Gemeinderat.

Ob ein interkommunales Verkehrskonzept Vaterstetten, hier Weißenfeld, vor dem Kollaps rettet, darüber gibt es Zweifel im Gemeinderat.

(Foto: Christian Endt)

Vaterstetten beteiligt sich an einer ortsbergreifenden Initiative, obwohl es aufgrund vorhandener Untersuchungen Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer weiteren Analyse gibt

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Wenn die Situation verfahren ist, dann kommt SWAT, die Spezialeinheit, zumindest in den USA und in vielen von dort stammenden Filmen. Im Münchner Osten soll nun SWOT eine - im Wortsinne - verfahrene Situation retten: Dem alltäglichen Verkehrschaos auf den Straßen soll es endlich an den Kragen gehen. Nun ist SWOT nicht SWAT, daher werden keine martialischen Aktionen, sondern vor allem Zahlen zu erwarten sein - oder auch gar nichts, wie nun einige Vaterstettener Gemeinderäte bei einer Beratung zu dem Thema befürchteten. Eine Beteiligung an der von mehreren Nachbargemeinden initiierten Bestandsaufnahme der Verkehrsprobleme stimmte das Gremium zwar zu, macht aber auch verbindliche Verbesserungsvorschläge.

Auf die Idee, das gemeinsame Problem des immer weiter unkontrolliert wachsenden Verkehrs auch gemeinsam anzugehen, kamen elf Gemeinden aus den Landkreisen München, Ebersberg und Erding sowie die Landeshauptstadt bereits Ende vorvergangen Jahres. Anstatt, dass jede Gemeinde für sich alleine Verkehrsplanung betreibt, soll diese künftig zwischen den Partnern - Anzing, Aschheim, Feldkirchen, Finsing, Forstinning, Haar, Kirchheim, Markt Schwaben, Pliening, Poing, Vaterstetten sowie den Stadtteilen Bogenhausen und Trudering-Riem - enger abgestimmt werden. Auch "staatliche Stellen" - ohne genauere Spezifizierung, welche - und der MVV sowie ebenso undefinierte "weitere Akteure" sollen einbezogen werden. Nach einem Jahr und mehreren Gesprächen der möglichen Partner einigte man sich nun darauf, eine SWOT-Analyse in Auftrag zu geben.

Diese soll gemäß ihres Namens, der offensichtlich in sehr eigenwilligem Gebrauch eines Englisch-Lexikons entstand, "Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats", also Stärken, Schwächen, Gelegenheiten, Bedrohungen ermitteln. Der Schwerpunkt soll dabei zum einen auf dem Thema Mobilität und Verkehr, zum anderen auf Siedlungs- und Freiraumentwicklung liegen, so die Beschlussvorlage. Diese gibt auch Auskunft über den weiteren Plan: Ist die erste Analyse fertig, wird erst einmal weiter beraten, vielleicht über die Erstellung eines Verkehrsentwicklungskonzeptes. Ob es dazu kommt, steht noch nicht fest. Klar ist dafür der Preis: Die SWOT-Analyse soll maximal 80 000 Euro kosten, der Vaterstettener Anteil betrüge 8571,42 Euro. Für ein Verkehrsgutachten wären laut Verwaltung von allen beteiligten Kommunen insgesamt etwa 185 000 Euro zu zahlen. Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) warb für eine Beteiligung an der interkommunalen Verkehrsplanung: "Es ist das erste Mal, dass so etwas gemacht wird." Dass sich die Gemeinden im Münchner Osten zusammentun sei dringend nötig. Dem wollte Sepp Mittermeier zwar nicht widersprechen, die Idee sei "auf jeden Fall zu begrüßen", allerdings, so der SPD-Fraktionschef weiter, habe er Zweifel, dass ein brauchbares Ergebnis zustande komme. Denn "es fehlt mir eine konkrete Zielsetzung", und auch der geografische Zuschnitt sei unpraktisch: Zwar beteiligten sich viele Gemeinden im Nordosten, der Südosten, also die gesamte B 304, sei dagegen mit nur zwei Gemeinden - Haar und Vaterstetten - unterrepräsentiert. Außerdem sei grundsätzlich das Problem nicht das Fehlen von Daten, wie sie nun erhoben werden sollen, diese gebe es längst. Etwa aus dem Mobilitätskonzept des Landkreises, "und den anderen Gemeinden geht es sicher ähnlich". Mittermeier beantragte darum, diese Daten erst einmal zusammenfassen, bevor Neue erhoben werden.

Unterstützung kam aus der CSU-Fraktion: Seit 20 Jahren höre er im Gemeinderat immer wieder von angeblicher Zusammenarbeit der Kommunen bei der Verkehrsplanung, sagte Manfred Vodermair (CSU), aber alle Besprechungen zu dem Thema hätten genausogut "Kaffeekranzerl" sein können, "rausgekommen ist bisher nichts". Das gleiche Ergebnis erwarte er von der zu beschließenden Analyse. "Das Problem ist doch seit Jahren bekannt, wir haben zu viel Straßenverkehr", sagte Christl Mitterer (CSU), auch die Lösung sei eigentlich allen klar: "Wir brauchen mehr öffentlichen Nahverkehr". Jetzt eine Analyse zu beauftragen, die genau das erneut feststellt, sei "eine Bankrotterklärung". Wie Mittermeier plädierte sie auch für die Einbeziehung vorhandener Daten und Untersuchungen.

Er "teile die Skepsis", sagte CSU-Fraktionschef Michael Niebler, dennoch sollte die Gemeinde sich beteiligen, alleine schon, damit die Nachbarn nicht irgendetwas beschließen, "was Auswirkungen auf uns hat". Davor warnte auch Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU): "Wir können es uns gar nicht leisten, dagegen zu sein." Die Gefahr, bei Planungen der Nachbarn "außen vor" zu sein, sah auch Renate Will (FDP). Trotzdem sollte man nicht auf die vorhandenen Daten verzichten. Mittermeier schlug vor, entsprechende Formulierungen aus seinem Antrag in den Beschluss einzubauen, etwa dass die Beteiligten ihre Probleme benennen und dass vorhandene Analysen aufgenommen werden sollen. Gegen die Stimme von FBU/AfD-Gemeinderat Manfred Schmidt - der kritisierte, das echte Problem sei der Zuzug, und dagegen helfe kein Verkehrskonzept - wurde der Antrag angenommen.

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