Süddeutsche Zeitung

Neue Verkehrsstudie:Landkreis der Vielfahrer

Die Menschen im Landkreis Ebersberg sind im regionalen Vergleich besonders weite Strecken und meist mit dem Auto unterwegs. Das könnte auch an der Situation des öffentlichen Nahverkehrs liegen, der nur mittelmäßig bewertet wird

Von Wieland Bögel

Mobil bedeutet im Landkreis Ebersberg meistens Automobil. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie des Bundesverkehrsministeriums und des Infas-Institutes. Basis ist eine Umfrage aus dem Jahr 2017, gefragt wurde unter anderem nach der Nutzung der Verkehrsmittel im MVV-Verbundraum, also der Landeshauptstadt und allen MVV-Landkreisen.

Demnach gehen die Ebersberger lieber zu Fuß, als sich Bus und Bahn anzuvertrauen, zumindest was die Anteile der zurückgelegten Wege betrifft. 18 Prozent davon werden gegangen, je elf mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt. Die meisten Wege im Landkreis werden jedoch mit Privatautos zurückgelegt, 43 Prozent sind es als Fahrer, weitere 17 als Mitfahrer. Noch deutlicher liegt das Auto vorne, wenn nach Personen- oder Passagierkilometern - die Zahl aller Leute, die unterwegs sind, mal der insgesamt zurückgelegten Strecke - gemessen wird. Selbst am Steuer werden dann 59 Prozent dieser Strecken zurückgelegt, als Mit- oder Beifahrer 19 Prozent.

Allerdings steigt hier auch der Anteil der öffentlichen Verkehrsmittel, der Wert liegt ebenfalls bei 19 Prozent. So gut wie keine Rolle bei den zurückgelegten Strecken spielen die unmotorisierten Verkehrsmittel: Zu Fuß werden rund zwei Prozent der Personenkilometer zurückgelegt, mit dem Fahrrad lediglich knapp eines.

Die Freisinger nutzen das Auto besonders intensiv

Die Werte entsprechen weitestgehend jenen, wie sie auch in den anderen Umlandkreisen ermittelt wurden. Überall ist das selbst gefahrene Auto das wichtigste Verkehrsmittel. Beim Anteil der Wege wird es mit 51 Prozent am häufigsten in Erding, mit je 41 Prozent am seltensten in Fürstenfeldbruck und im Landkreis München eingesetzt. Die meisten Personenkilometer am Steuer legen die Freisinger mit 63 Prozent zurück, am wenigsten sind es im Landkreis München mit 48 Prozent.

Stark schwankend sind die Anteile des öffentlichen Nahverkehrs. So legt man in Bad Tölz und Wolfratshausen zwar 14 Prozent aller Wege mit Bus und Bahn zurück, mehr als in allen anderen untersuchten Landkreisen. Bei den Personenkilometern sind es dagegen 18 Prozent, das liegt im guten Mittelfeld, Spitze ist hier der Landkreis München mit 26 Prozent. Nur der letzte Platz ist in beiden Kategorien gleich: Der geht an den Landkreis Aichach-Friedberg, wo nur für drei Prozent der Strecken und sechs Prozent der Personenkilometer öffentliche Verkehrsmittel genutzt werden. Absoluter Spitzenreiter ist hier übrigens der Münchner Bezirk Schwanthalerhöhe, wo 54 Prozent der Personenkilometer auf den öffentlichen Nahverkehr entfallen.

Der öffentliche Nahverkehr bekommt die Note 2,9

Warum das so ist, könnte eine weitere Untersuchung im Rahmen der Studie erklären: die Zufriedenheit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Diese fällt im Umland erwartungsgemäß deutlich schlechter aus als in der Landeshauptstadt. Die im Jahr 2017 befragten Ebersberger gaben ihrem Nahverkehr die Durchschnittsnote 2,9. Nur zwölf Prozent der Befragten nannten die Verkehrssituation im öffentlichen Nahverkehr sehr gut, 34 Prozent befanden sie für gut und 24 befriedigend. 16 Prozent vergaben die Note ausreichend, die übrigen 14 Prozent mangelhaft oder ungenügend - die jeweiligen Anteile werden nicht aufgeschlüsselt.

Auch bei der Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr gibt es von den Ebersbergern keine Topnoten: Zwar halten 31 Prozent der befragten Landkreisbewohner diese für sehr gut und fünf Prozent für gut. Der größte Anteil von immerhin 60 Prozent gibt bei der Anbindung aber ein Befriedigend, vier Prozent bewerten sie als schlecht.

Dabei liegt der Landkreis Ebersberg hier sogar noch im Mittelfeld, vergleicht man die Werte mit denen der anderen Umlandkreise. Die Spanne reicht von den Noten 2,4 und 2,6 in den Kreisen München und Fürstenfeldbruck bis 3,3 in Freising sowie 3,8 in Bad Tölz-Wolfratshausen und Erding. In diesen drei Landkreisen ist auch der Anteil der Personen besonders hoch, welche die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr als schlecht einstufen. Dies tun 16 Prozent der Wolfratshauser, 26 Prozent der Freisinger und 33 Prozent der Erdinger.

Die Radfahrer sind eher zufrieden mit der Situation

Erwartungsgemäß gute Noten bekommt der öffentliche Nahverkehr in der Stadt München, die schlechteste gibt es in Allach-Untermenzing mit 2,8, die beste in Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt und Milbertshofen-Am Hart mit 1,8. Was insofern erstaunlich ist, als im letzteren Bezirk 86 Prozent der Befragten die Anbindung lediglich als befriedigend bezeichnen - aber immerhin null Prozent als schlecht. Diese Bewertung gibt es ohnehin nur in einem Bezirk, in Feldmoching-Hasenbergl, wo ganze ein Prozent der Befragten bei der Anbindung für schlecht votierten.

Interessanterweise gibt es bei der Frage, wie die Verkehrssituation für Radler bewertet wird, ein viel geringeres Stadt-Land-Gefälle. So sagen 20 Prozent der befragten Ebersberger, die Situation sei sehr gut, 51 Prozent vergeben gute und 13 Prozent befriedigende Noten. Lediglich zwölf Prozent der Befragten im Landkreis halten die Verkehrssituation für Fahrräder für ausreichend, der Rest für mangelhaft oder ungenügend. Damit bekommt die Fahrradsituation im Landkreis die Gesamtnote 2,3. Das ist der drittbeste Wert unter den Landkreisen - lediglich München mit 2,1 und Fürstenfeldbruck mit 2,2 liegen knapp darüber - und er ist besser, als in so manchem Münchner Bezirk. In der Landeshauptstadt reicht die Spanne von 1,9 in Milbertshofen-Am Hart bis 2,6 in Aubing-Lochhausen-Langwied. Auf die gleiche Note kommt die Radlersituation in den Landkreisen Erding und Dachau, darunter liegen nur noch Freising mit 2,6 und Bad Tölz-Wolfratshausen mit 2,8.

Genauer untersucht wurden auch die aus dem Mobilitätsverhalten resultierenden Folgen für die Umwelt. Dabei schneidet der Landkreis Ebersberg im regionalen Vergleich am schlechtesten ab: 6,7 Kilogramm CO₂ pro Person und Tag entstehen im Landkreis aus der Mobilität. Ähnlich viel ist es nur noch in Freising, wo die Statistiker 6,5 Kilogramm errechnet haben. Den niedrigsten täglichen CO₂-Ausstoß pro Person gibt es in der Münchner Innenstadt mit 3,7 Kilogramm.

Was auch mit der täglich zurückgelegten Strecke zu tun hat. In Ebersberg legt jeder Einwohner statistisch 50,8 Kilometer am Tag zurück, in Freising sogar 54,5. Dagegen sind es in München innerhalb des Mittleren Rings nur 38,3 Kilometer, in Bad-Tölz-Wolfratshausen 36,3 und Miesbach sogar nur 33,1. Dass dort der CO₂-Wert pro Tag und Person mit 3,9 beziehungsweise 3,8 Kilogramm etwas über dem in München liegt, hat mit dem höheren Anteil der mit dem Auto zurückgelegten Strecke zu tun. Dass Ebersberg und Freising hier die CO₂-Tabelle anführen liegt wiederum an der Kombination aus den längsten Strecken und dem vergleichsweise hohen Anteil des Autoverkehrs.

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SZ vom 08.04.2021
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