Verhandlung in Ebersberg:Attacke oder Fahrradunfall?

Die Anklage liest sich schrecklich, doch die Beweislage ist unklar

Von Jörg Lehne, Ebersberg

Als der Streit eskaliert sei, habe er mit einer Tasse nach ihr geworfen. Er habe in ihre Haare gegriffen und ihren Kopf mehrmals auf die Oberseite des Herdes geschlagen. Danach habe er eine Hand in ihren Mund gesteckt und sie mit der anderen gewürgt. Sie sei zu Boden gefallen. Liegend habe er ihr zehn Mal in den Bauch getreten. Als sie begann, um Hilfe zu rufen, habe er ihr zehn bis 15 Mal auf den Hinterkopf geschlagen, so stark, dass die Gelenke an seiner Hand aufgeplatzt seien. Er würde sie mehr schlagen, wenn seine Hände nicht so weh täten, soll er gesagt haben.

Es sind schwere Vorwürfe gegen den Angeklagten vor dem Ebersberger Amtsgericht: Im September vor drei Jahren soll er auf diese Art seine damalige Ehefrau körperlich misshandelt haben. Hinzu kommen ein weiterer Fall der Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung und Verstoß gegen das Gewaltschutzverbot in zwei Fällen - insgesamt stehen sechs Punkte auf der Anklageschrift.

Furchtbar klingt die Tat, die von der Staatsanwaltschaft so bildhaft beschrieben und später durch die Zeugin bestätigt wurde. Der Angeklagte zeichnete jedoch ein gänzlich anderes Bild. Seine Ex-Frau beschrieb er als bipolare und streitsüchtige Person, die ihm aus Unzufriedenheit und Eifersucht oft Vorwürfe gemacht habe, ihn sogar angegriffen habe. Nie habe er die Hand gegen sie erhoben. Die oben beschriebenen Verletzungen habe sie sich zugezogen, als sie vom Fahrrad gestürzt sei. Er habe sie nur angesprochen, nachdem er erfahren habe, dass sie inzwischen mit seiner anderen Ex-Frau und deren Tochter zusammenwohne, aus Furcht sie würde die beiden gegen ihn aufhetzen. Beleidigt habe er sie nie, geschweige denn ihr gedroht. Fast 20 Jahre lebe er nun in Deutschland und habe sich nie etwas zuschulden kommen lassen.

Er gab allein zu, die Geschädigte bei einer Gelegenheit angesprochen zu haben, obwohl er wusste, dass gegen ihn ein Annäherungsverbots verhängt wurde. Damit hatte er gegen das Gewaltschutzgesetz verstoßen. Die übrige Beweislage, wie sich später herausstellte, ist mangelhaft. Miteinander sprachen die Ex-Eheleute stets bosnisch. Zudem gibt es keine Zeugen für die körperlichen Misshandlungen, lediglich die Tochter des Angeklagten soll die Geschädigte bei einer Gelegenheit mit blutender Nase gesehen haben. Sie war jedoch nicht als Zeugin geladen.

Die Geschädigte spricht kaum Deutsch und bekam daher für ihre Zeugenaussage vor Gericht eine Dolmetscherin zur Seite gestellt. Doch sie verstrickte sich in Widersprüche. Ihre Aussagen stimmten nicht mit früheren polizeilichen Vernehmungen überein. Zeitliche Abläufe brachte sie durcheinander. In ihrem Namen ist damals ein Versicherungsformular eingereicht worden, das einen Fahrradunfall ohne Fremdeinwirkung deklariert. Warum, konnte sie nicht beantworten. Sie selbst sei es nicht gewesen.

Eine ehemalige Arbeitgeberin aus Bruck sagte jedoch aus, das Formular auf ihre Bitte hin und entsprechend ihren ausdrücklichen Anweisungen für sie ausgefüllt zu haben. Von häuslicher Gewalt sei damals nicht die Rede gewesen. "Aber sie schien nicht glücklich zu sein", erinnerte sich die Zeugin.

Eine ärztliche Untersuchung der Frau einen Tag nach der vermeintlichen Attacke ergab Hämatome an Armen und Beinen, einen Tinnitus, Druckschmerzen an Nasenwurzel, Jochbein und Hinterkopf, sowie ein Halswirbelsäulensyndrom. Jedoch seien die Schwellungen nur leicht gewesen, Würgemale gab es keine. "Nein, von der beschriebenen Tat könnten diese Verletzungen nicht herrühren. Das hätte ich bemerkt", so der behandelnde Arzt vor Gericht. Dass ein Fahrradunfall die Ursache gewesen sein könnte, ließe sich dagegen nicht ganz ausschließen.

"Ich glaube nicht, dass sie lügt", so die Vorsitzende Richterin Vera Hörauf über die Ex-Frau des Angeklagten, "aber ihre Aussage reicht nicht für eine Verurteilung." Der Angeklagte wurde darum in fünf Punkten freigesprochen. Für den eingestandenen Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz erhält er eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen in Höhe von 50 Euro.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: