Die Wirtshausschlägerei ist als komisches Element aus vielen Brettl-Stücken bekannt, in der Realität ist sie meist weniger lustig. So im vergangenen Herbst in einer Gaststätte im südlichen Landkreis: Der dortige Wirt begann eine tätliche Auseinandersetzung mit zwei Polizistinnen, bei der alle drei die Treppe hinunterstürzten. Dafür stand der 44-Jährige nun vor dem Amtsgericht Ebersberg.
Der Vorwurf lautete auf gefährliche Körperverletzung sowie tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall. Außerdem wurde bei einer Hausdurchsuchung noch eine verbotene Schlagwaffe gefunden. Was zwar alles ernste Anschuldigungen sind, aber immerhin eine Verbesserung zu dem, was dem Wirt kurz nach der Tat vorgeworfen wurde: versuchter Totschlag. Deshalb saß der 44-Jährige auch zunächst für drei Wochen in Stadelheim in Untersuchungshaft. Dies ließ sich indes nicht erhärten, zeigt aber, für wie bedrohlich die Beteiligten die Situation gehalten haben müssen.
Vor Gericht zeigte sich der 44-Jährige schuldbewusst. Er entschuldigte sich und betonte, er habe niemanden verletzen wollen. Noch in U-Haft hatte er schriftlich Kontakt mit den Beamtinnen aufgenommen und ihnen Schmerzensgeld angeboten. Dieser Täter-Opfer-Ausgleich ist inzwischen auch offiziell, die verletzten Polizistinnen bekommen 1200 beziehungsweise 2500 Euro, einen Teil davon hat der Wirt auch schon überwiesen. Er beteuerte vor Gericht, dass er nur habe fliehen wollen. Die Sache, vor der er die Flucht ergreifen wollte, stellte sich als eher kleinere heraus. Kurz vor dem Vorfall in der Wirtschaft hatte der Angeklagte einen Unfall mit seinem Motorrad gehabt. Nach einem Überholmanöver war er gestürzt. Laut Zeugen habe er danach einen desorientierten, möglicherweise betrunkenen Eindruck gemacht, sei aber trotzdem weitergefahren.
Dies bestätigte der Angeklagte: Er habe bemerkt, dass einige Zutaten ausgegangen waren und sei schnell zum Einkaufen gefahren. Ganz nüchtern war er dabei nicht mehr, er gab an, zum Mittagessen etwas Wein getrunken zu haben. Zwei Alkotests ergaben später einen Wert von 1,7 beziehungsweise 1,8 Promille. Was aber daran gelegen habe, so der Angeklagte, dass er nach dem Unfall ein großes Glas Gin getrunken habe, auf den Schreck.
Da sich die Zeugen das Kennzeichen gemerkt hatten, bekam der Wirt kurz nach der Rückkehr in sein Lokal Besuch von zwei Streifenbeamtinnen. Diesen, so sagten es die beiden als Zeuginnen vor Gericht, sei sofort der Alkoholgeruch beim Angeklagten aufgefallen, weshalb sie ihn zu einem Test baten. Dies habe der Wirt aber verweigert, er sei aggressiv geworden und habe herumgeschrien, dass man sein Geschäft ruiniere, habe sich dann aber wieder beruhigt. Er erklärte, seinen Führerschein von oben holen zu wollen, die Beamtinnen begleiteten ihn, doch mitten auf der Treppe versuchte er die Flucht.
Dazu habe er ungezielt nach hinten geschlagen, wodurch er eine der Beamtinnen im Gesichtsbereich traf. Durch die Wucht schlug sie mit dem Hinterkopf gegen die Wand und fiel die Treppenstufen hinunter. Der Angeklagte habe sich daraufhin umgedreht und sei Richtung Ausgang gelaufen. Dabei habe er die zweite Polizistin mit sich gerissen, diese sei ebenfalls auf die Treppe und diese hinunter gestürzt, habe den Angeklagten aber packen können, woraufhin dieser ebenfalls die letzten Stufen hinuntergefallen sei. Anschließend habe dieser versucht, zur Türe hinauszurobben, was die Polizistinnen aber verhindern konnten. Wenn auch mit viel Einsatz, wie die Zeuginnen berichteten. Der Wirt habe sich nämlich nach Kräften gewehrt und um sich geschlagen und getreten. Es sei ihr "wie Stunden" vorgekommen, bis der Angeklagte endlich gebändigt war, sagte eine der Beamtinnen.
Beide waren danach einige Zeit krankgeschrieben, laut Attest unter anderem wegen Gehirnerschütterung, Prellungen und Verstauchungen, eine Polizistin hatte außerdem eine Platzwunde über dem Auge. Dass sie der Angeklagte nicht absichtlich verletzen wollte, bestätigten beide Zeuginnen, "aber es war ihm auch egal", so eine der Polizistinnen.
Dieses "hohe Gefährdungspotenzial" durch den Treppensturz werteten auch Richter Markus Nikol und die Schöffen zulasten des 44-Jährigen: "Es ist nur einem glücklichen Umstand zu verdanken, dass der Angeklagte nicht vor dem Schwurgericht sitzt", so der Vorsitzende. Zugunsten zu werten sei seine Reue und die Bereitschaft, freiwillig Schmerzensgeld zu zahlen. Sie verurteilten den nicht vorbestraften Angeklagten zu einem Jahr und fünf Monaten auf Bewährung, seinen nach dem Vorfall eingezogenen Führerschein wird er zudem für weitere fünf Monate nicht wiederbekommen.