Süddeutsche Zeitung

Vergessener Widerstand:Aus Nummern werden Menschen

Markt Schwabener Gymnasiasten präsentieren den sechsten und letzten Teil der Ausstellungsserie. Sie porträtieren sieben Personen und ihren Kampf mit der Nazi-Diktatur

Von Isabel Meixner

Sogar bis ins südkoreanische Fernsehen haben es die neun Schüler des Franz-Marc-Gymnasiums mit ihrem Lehrer Heinrich Mayer geschafft. Eineinhalb Jahre lang forschten sie in ihrem Praxisseminar über Menschen aus Markt Schwaben und Umgebung, die sich dem NS-Terror entgegengestellt haben, sind in Archiven jedem noch so kleinen Hinweis nachgegangen, der Aufschluss über das Schicksal eines Widerständlers geben konnte. Nun präsentieren sie das Ergebnis: Von diesem Freitag an ist im Gymnasium der sechste und letzte Teil der Ausstellungsserie "Vergessener Widerstand", entstanden in Kooperation mit der Weiße-Rose-Stiftung, zu sehen.

Auf sieben Tafeln stellen die Schüler Menschen vor, die von den Nationalsozialisten aus politischen oder religiösen Motiven verfolgt wurden. Ludwig Büttner etwa, der als KPD-Mitglied unter verschiedenen Vorwänden in "Schutzhaft" genommen wurde. Oder die in Markt Schwaben beerdigte Nazi-Gegnerin Ursula Huber, die während des Zweiten Weltkriegs wegen "illegaler kommunistischer Tätigkeit" im Gefängnis saß und deren Mann wegen Hochverrats umgebracht wurde. Von vielen dieser Personen, erzählt Geschichtslehrer Heinrich Mayer, hätten die Schüler anfangs kaum mehr gehabt als eine Häftlingsnummer, einen Namen und mit Glück ein Geburtsdatum.

Dann hieß es Informationen sammeln im Findbuch, im Landesentschädigungsamt, im Staatsarchiv. Manchmal ließen sich Nachfahren ermitteln, wie im Fall von Josef Schön, dessen Sohn der Schüler Thomas Benzinger interviewen konnte. Bei Ursula Huber hieß es in den Archiven, sie stamme aus Neufahrn. Aus welchem Neufahrn, war nicht ersichtlich. Nach längerer Recherche stellte Sarah Fürstberger fest, dass es sich um den Ort bei Walpertskirchen handelte. Beim Markt Schwabener Vinzenz Stanek dagegen war es Maxi Wachler und Max Engel nicht möglich, Genaueres über dessen aus Polen stammende Familie herauszufinden; ebensowenig, weshalb Stanek verhaftet wurde oder wie er starb.

Vor allem das Landesentschädigungsamt hielt für die Schüler viele Informationen bereit - vorausgesetzt, der Widerständler hatte den Zweiten Weltkrieg überlebt und Entschädigung beantragt. Denn dann wurde unter anderem festgehalten, woher eine Person kam, weshalb sie mit den Nazis in Konflikt geriet, welches Gericht mit dem Fall betraut war und welche Zeugen ausgesagt haben. Der Schüler Max Engel sagt, bei den Recherchen habe sich gezeigt, wie wichtig "Connections" seien. Und "Connections" die hat Lehrer Heinrich Mayer nach zahlreichen Projekten und Jahren der Forschung in der NS-Vergangenheit. Auch die Nähe zur Weiße-Rose-Stiftung zahlte sich - nicht nur durch eine finanzielle Beteiligung - für die Schule aus: Die Stiftung habe es geschafft, dass geschwärzte Dokumente wieder lesbar und auswertbar waren, sagt Robin Würz.

Bei der Ausstellung werden auch die Tafeln der übrigen fünf Projektgruppen zu sehen sein. Geschichtslehrer Mayer ist stolz auf das, was seine Schüler in den vergangenen Jahren geleistet haben: "Wir haben eine andere Geschichte Markt Schwabens und der Umgebung gezeigt." Davor sei das Thema tabuisiert worden. Nun, so hofft Mayer, habe man zumindest einen Teil der Bürger mit der Ausstellung erreicht. Die Plakate haben einige Stationen hinter sich: die Rathäuser in Ebersberg, Vaterstetten und Gilching, das Landratsamt in Ebersberg und die Mittelschule Poing. Und das Rathaus in Markt Schwaben? Heinrich Mayer schüttelt den Kopf und schweigt kurz. Dann sagt er: "Wir sind noch nicht eingeladen worden."

Bei der Eröffnung der Ausstellung am Freitag werden die neun Schüler die von ihnen erforschten Biografien der sieben Widerständler vorlesen. In ihre Texte haben sie auch Originalpassagen, etwa aus Gerichtsdokumenten, eingearbeitet. Die etwa 30 Plakate möchte Lehrer Heinrich Mayer dann als Dauerausstellung im Franz-Marc-Gymnasium installieren und immer wieder an Gemeinden und Schulen verleihen. Durch die Seminare hätte auch er eine Menge gelernt, sagt Mayer: "Es ist verblüffend, wie wenig wir wissen."

Ausstellung "Vergessener Widerstand", Eröffnung am Freitag, 24. Januar, um 19.30 Uhr in der großen Aula des Franz-Marc-Gymnasiums. Die Ausstellung ist während der Schulzeit zugänglich.

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Quelle:
SZ vom 24.01.2014
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