Veranstaltung des Ortsverbands:Multinationale Meinungen

Ebersbergs Grüne eröffnen den Wahlkampf in ungewohnter Besetzung: Vier Frauen aus dem europäischen Ausland diskutieren über die Zukunft der EU

Von Franziska Spiecker, Ebersberg

In der Politikwissenschaft wird immer wieder darüber diskutiert: Braucht es paneuropäische Parteien, damit bei Europawahlen auch über Europathemen diskutiert wird? Die Ebersberger Grünen hatten wohl eine ähnliche Idee, eröffneten sie doch ihren EU-Wahlkampf am Donnerstagabend mit einer Diskussionsrunde nicht-deutscher Bürgerinnen der Europäischen Union. "Der Blickwinkel auf EU-Fragen soll ausgeweitet werden", erklärte Grünen-Ortsvorstand Matthias Konrad.

Er saß als Moderator neben dem Podium, vor ihm eine EU-Flagge, auf der die kreisförmig angeordneten gelben Sterne, die europäische Einheit vor grünem statt blauem Hintergrund symbolisierten. Es war nicht sonderlich voll im Nebenzimmer des griechischen Restaurants Akropolis in Ebersberg, knapp 20 Menschen hatten sich versammelt und Konrad scherzte, ob das Wetter wohl zu gut sei für die Veranstaltung? Doch das Thema war ernst, denn am 26. Mai, so Konrad, stehe im Zeichen vieler Krisen eine Wahl bevor, "wie die EU sie seit Langem nicht mehr erlebt hat".

Veranstaltung des Ortsverbands: Petra Behounek, Sarah Wales, Madeleine Oelmann, Caterina Maurizi und Matthias Konrad (von links) beim Europa-Abend der Grünen.

Petra Behounek, Sarah Wales, Madeleine Oelmann, Caterina Maurizi und Matthias Konrad (von links) beim Europa-Abend der Grünen.

(Foto: Christian Endt)

Als "Wahl durch das Volk" sei es wichtig, auch einmal ein Podium ohne Polit-Prominenz zu haben, und so ging es los mit einer Vorstellungsrunde der Diskutantinnen: Petra Behounek, selbst Stadträtin der Grünen, deren Vater kurz nach ihrer Geburt in Wien Arbeit in Hamburg fand und mit Baby ins Nachbarland zog. Und Sarah Wales, die vor 55 Jahren nach Deutschland kam, "weil es damals in Großbritannien schlecht aussah mit der Arbeit". Madeleine Oelmann, die in Algerien geboren nach der Unabhängigkeit ihres Landes zunächst nach Frankreich und Anfang der 70er Jahre dann als Werkstudentin nach Deutschland kam. Und die Italienerin Caterina Maurizi, die es vor fünf Jahren, ebenfalls auf der Suche nach Arbeit, nach München zog. Heute wohnen oder arbeiten sie alle im Landkreis Ebersberg - und dank der Europäischen Union, so der Tenor, war dafür weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch eine Arbeitserlaubnis nötig.

Ob sie denn auch Kritik an der EU hätten, fragte Konrad. "Wir brauchen eine gemeinsame Sprache", so die Französin Oelmann. Sie begründete dies mit ihren Erfahrungen: Vor 15 Jahren seien zum ersten Mal Ungarn aus der Partnergemeinde Forstinnings bei ihnen gewesen. Sie konnten weder Deutsch, noch Englisch oder Französisch. Da sie selbst auch kein Ungarisch sprachen, hätte man sich nicht verständigen können - ganz im Gegensatz zu dem Deutsch sprechenden, ungarischen Besuch in diesem Jahr, mit dem sie gemeinsam etwas unternehmen konnten. Konrad nutzte diese Vorlage, um auf das EU-Wahlprogramm der Grünen zu verweisen: Wenn die EU einheitliche Bildungsstandards hätte, mit Englisch als verpflichtender Bildungssprache, dann wäre die Kommunikation einfacher.

logo_europawahl2019

Die Italienerin Maurizi wünschte sich vor allem mehr Solidarität innerhalb der EU: "Die Länder sollten zusammenarbeiten anstatt zu konkurrieren". Italien hätte mehr als "guten Wein, gutes Essen und Sonne", dennoch höre sie in Deutschland manchmal: "Die Italiener können nichts". Sarah Wales, die mittlerweile neben der britischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit hat, stimmte ihr zu. Vor allem in den neueren EU-Ländern müsste der Solidaritätsgedanke der EU gestärkt werden.

Ein weiteres Problem, so die Französin

Oelmann, sei die soziale Ungleichheit der EU-Länder. In der Altenpflege der Caritas würde die Arbeit von Menschen aus Osteuropa gemacht, weil viele Deutsche sie aufgrund der niedrigen Gehälter meiden würden. Oelmann weiter: "Warum machen Firmen in Deutschland zu, um in Polen oder Ungarn zu öffnen?" Konrad antwortete: "Wenn Rumänien und Ungarn die gleichen Sozialstandards hätten, würde das nicht passieren." Damit soziale Ungleichheiten bekämpft und Dumping-Löhne verhindert würden, seien die Grünen für soziale europäische Mindeststandards.

Gut zwei Stunden wurde so diskutiert: Über Grundrechtsdurchsetzung und Klimaschutz, Austausche und Volksentscheide, Schutz vor Privatisierung der Daseinsvorsorge und Außenpolitik. Grünen-Ortsvorstand Matthias Konrad resümierte: "Die ganze Weltpolitik lässt sich wohl nicht an einem Abend klären". Doch eines stand schon an diesem Abend fest: Europäisch, da waren sich die Anwesenden einig, sollten die Lösungen sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: