Der berühmte Philosoph Oliver Kahn hat mal diesen Satz gesagt: "Das ganze Stadion wird gegen uns sein. Ganz Deutschland wird gegen uns sein. Etwas Schöneres gibt es nicht." Es braucht diesen Exkurs, um den Vaterstettener Gemeinderat Manfred Schmidt zu verstehen. Schmidt ist philosophisch ähnlich bewandert wie Kahn, nur dass in sein Stadion weniger Leute hinein passen: Schmidts Spielstätte ist der Sitzungssaal des Vaterstettener Rathauses. Ein Ort, wo er sich als Gegner von allem und jedem einen Namen gemacht hat. Nicht als Torhüter, sondern als Hüter der Satzung - und Verfechter der Verlängerung.
Entsprechende Hinweise bot die letzte Vaterstettener Gemeinderatssitzung des Jahres. Die Zusammenkunft begann mit der Bitte des Bürgermeisters, sich in Zurückhaltung bei Anfragen zu üben, da im Anschluss ein gemeinsames Abendessen stattfinden sollte. Ein Ansinnen, auf das Schmidt reagierte wie Kinder bei einer Schachtel mit der Aufschrift: Streng geheim, nicht öffnen. Schmidt hatte zu nahezu jedem Tagesordnungspunkt einen Hinweis zur Satzung oder eine Nachfrage parat, und sei es nur, weil ihm ein Begriff nicht präzise genug erschien.
Kaum ein Mitglied des Vaterstettener Ortsgremiums kommt auf so viel Redezeit wie Schmidt. Und kaum jemand erntet solch flehende Blicke von Kollegen und Publikum. Höchstens Bürgermeister Georg Reitsberger, der ja im Sitzungssaal so etwas wie der Schiedsrichter ist, aber seine Rolle eben sehr britisch interpretiert. Sprich: Er lässt fast alles laufen und pfeift so gut wie nie ab. Auch nicht in der Verlängerung: Als Schmidt am Ende bei "Bekanntgaben und Anfragen" Punkte mit Unterpunkten aufzählt, sehnt sich der Saal vergeblich John Bercow herbei, den Ex-Sprecher des britischen Unterhauses, mit einem unerbittlichen "Ordeeeeer". Ohne Bercow wird sich der Philosoph Schmidt auch 2020 wieder mit diesem Satz auf die Gemeinderatssitzungen einstimmen: "Der ganze Saal wird gegen mich sein. Ganz Vaterstetten wird gegen mich sein. Etwas Schöneres gibt es nicht."