Vaterstettener Geschichten:Berg der feurigen Männlein

Die Vaterstettener Geschichten in zwei Bänden und die Baldhamer Chronik sind neu erschienen. Text und Bild bringen dem Leser die Historie und manch lokale Sage anschaulich nahe.

Von Rita Baedeker

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Archivarin Ulrike Flitner und Erster Bürgermeister Georg Reitsberger freuen sich über die komplette Auflage. Foto: Gemeinde

Mit Latein mühten sich die Leute auch schon im 16. Jahrhundert. So befindet sich in der Purfinger Laurentius-Kirche in der Mitte des Hochaltars über einer Marienfigur eine rätselhafte Inschrift, die scheinbar keinen Sinn ergibt: "Ipsacon teret - caput tuums - genis capis" steht da in Wortpaaren auf einer Tafel. Zweifellos ein lateinischer Text, nur: Die Wörter "ipsacon" und tuums" gibt es nicht. Bei der Lösung des Rätsels helfen die Schlange, die sich zu Füßen der Madonna ringelt - und Band eins der "Gemeindegeschichte(n) Vaterstetten".

Die Autoren der neu aufgelegten Chronik in zwei Bänden glauben, ein Kirchenmaler ohne Lateinkenntnisse habe damals Worte auf die Tafel übertragen, ohne deren Sinn zu verstehen. Nicht nur habe er die Wörter falsch getrennt, sondern auch einen Schnörkel, der im Original anstelle eines Punktes gesetzt war, als "S" interpretiert. Richtig müsse es also heißen: "Ipsa conteret - caput tuum - Gen. Cap.III". Das bedeutet übersetzt: "Sie (die Schlange) wird dir den Kopf zertreten. Genesis, Kapitel III." Man darf annehmen, dass dem Maler der Kopf nicht abgerissen, sondern höchstens gewaschen wurde.

Jahrelang waren sie vergriffen, jetzt sind sie wieder vorrätig: die Bände eins und zwei der Gemeindegeschichte sowie der Einzelband "Baldham 1055 bis 1980". In den nachgedruckten Heften wird anschaulich die Geschichte der aus den Ortschaften Vaterstetten, Baldham, Hergolding, Neufarn, Parsdorf, Purfing und Weißenfeld bestehenden Gemeinde erzählt.

Doch nicht nur Geschichten von Haus und Hof, von Hunger und Krieg, von widerspenstigen Frauen, alten und neuen Post- und Bahnstationen sind in den blauen Heften zu finden; auch Sagen und Spukgeschichten werden erzählt, schöne Lektüre an dunklen Winterabenden. So erinnern die Autoren an das geheimnisvolle Schicksal des Ortes Fachham im "Steinfeld" bei Neufarn, von dem nichts übrig ist als ein paar urkundliche Erwähnungen.

In einer Quelle zum Leben der Dorfbewohner um 1800 heißt es: Sie (die sieben Dörfer) lagen "auf dem Gefiel, einer wüsten Fläche von München her, die mit vielen Schwarzwaldungen, Mösern und öden Strecken bedeckt ist und dem Reisenden einen düsteren Anblick verschafft." Kein Wunder, dass in solcher Düsternis der Gespensterglaube prächtig gedieh. In Purfing geisterten Irrlichter besonders gern umher, trieb die "Trud" ihr Unwesen, in Neufarn halfen "feurige Männlein" Fuhrleuten über den Berg. Näherte sich ein Gespann dem Hügel, dann griff sich ein Männlein die Zügel. Einmal habe sich ein Fuhrmann bei seinem Helfer bedankt, worauf dieser geantwortet haben soll: "Dank dir Gott, dass du mich erlöst hast!" Dazu muss man wissen, dass auf dem Berg bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein Galgen stand.

Einen heißen Draht zu den Geistern hatte vermutlich Amalie Hohenester, die als "Doktorbäuerin" von Mariabrunn in die Geschichte einging. Ihre Wiege stand in Vaterstetten, wo sie am 4. Oktober 1826 als 9. Kind von Michael und Philippina Nonnenmacher geboren wurde. Ihr Vater war Gemeinderat. Als das Kind ein Jahr alt war, zog die Familie nach Deisenhofen. Amalies schwarze Heilkunst wurde legendär.

Auch von den "Rittern von Purfing", die "mit Singen und Pfeifen" ins Turnier gezogen seien, berichtet die Sage. Die Heimatforscher wissen allerdings recht gut, dass kein Purfinger jemals zum Lanzenstechen antreten musste, und halten die Geschichte für erfunden. Den listigen Posthalter Hirner aus Anzing dagegen hat es gegeben. Er hat sich während des Spanischen Erbfolgekriegs als Kundschafter zwischen den Fronten betätigt und konnte sich schlau der Strafverfolgung entziehen.

Vaterstetten zählt bedeutende Persönlichkeiten zu seinen Bürgern, etwa den Physiker Ernst Mach und dessen Sohn Ludwig, der 1910 in die heutige Ernst-Mach-Straße nahe der Möschenfelder Straße zog. Der Vater folgte 1913. Der dritte Band ist eine Neuauflage der 1982 erschienenen Baldhamer Chronik von Erich Mandel. Spurensucher können darin die Geschicke einzelner Höfe und deren Familien nachvollziehen.

Alle drei Bände sind angereichert mit reichlich Foto-, Karten- und Quellenmaterial. Die Hefte können zum Preis von je zehn Euro am Empfang des Vaterstettener Rathauses erworben werden.

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