Vaterstetten:Wo geht's denn hier nach Hause?

Vaterstetten: Staatssekretär Bernd Sibler eröffnet in Vaterstetten die Heimat-Woche der Bibliotheken.

Staatssekretär Bernd Sibler eröffnet in Vaterstetten die Heimat-Woche der Bibliotheken.

(Foto: Christian Endt)

Heimat-Woche der Bibliotheken wird in Vaterstetten eröffnet

Von Johannes Hirschlach, Vaterstetten

"Heimat": kein leicht zu definierender Begriff. Das hatte Thomas Peters feststellen müssen, als er sich auf seinen Vortrag am Freitagabend in der Gemeindebücherei Vaterstetten vorbereiten wollte. Dort sollte der Schauspieler die Heimat-Woche der Bibliotheken im Landkreis Ebersberg und des Katholischen Kreisbildungswerks (KBW) eröffnen. "Heimat ist wahrscheinlich eines der schwierigsten Themen überhaupt", sagte er dem Publikum im gut besetzten Saal der Bücherei.

"Entschuldigung, wo geht's denn hier nach Hause?" hatte er sein Abendprogramm betitelt. Unter den Gästen war auch der Staatssekretär im Kultusministerium und Schirmherr der Veranstaltungsreihe, Bernd Sibler (CSU). Der hatte, wie viele weitere der geladenen Gäste auch, eine Menge Fragen, die sich um den Begriff Heimat drehen. Heimat, "wo liegt das?", wollte Sibler vom Publikum wissen. Sei es schon Heimat, wenn man eine Tracht trage, dabei aber astreines Hochdeutsch spreche, so wie Thomas Peters an diesem Abend? Die KBW-Vorsitzende Jutta Sirotek fragte: "Was ist der Unterschied zwischen Heimat und Zuhause?" Und auch Thomas Peters selbst hatte mehr Fragen als Antworten im Gepäck: "Ist Heimat der Wille, dass sich nichts ändert?" Und woher komme überhaupt die Sehnsucht nach einer Heimat?

Um dem Ganzen auf den Grund zu gehen, hatte der Schauspieler eine belletristische Spurensuche vorbereitet und dafür, passend zum Ambiente aus hoch aufragenden Bücherregalen in der Vaterstettener Bibliothek, Literatur-Schnipsel aus Jahrhunderten zusammengetragen. Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich von Kleist, Janne Teller, Gerhard Polt: Alle hatten in ihren Zeilen mal humoristisch, mal nachdenklich etwas zum Heimatbegriff beizutragen. Kurt Tucholsky hatte einst den Rat nieder geschrieben: "Reisende, meidet Bayern!" Womit dieses Bundesland, ulkte Peters, als ideale Heimat für alle wohl schon einmal auszuschließen sei. Auch abseits von Thomas Peters' Vortrag ließ sich so manches entdecken, das Anstoß zum Nachdenken sein konnte: ein Gartenzwerg mit einer E-Gitarre, die Hand zur "Mano cornuta", dem Rockergruß mit den zwei Hörnchen aus kleinem und Zeigefinger erhoben, als Gegenentwurf heimatlicher Spießbürgeridylle etwa. Die drei Musiker des Sunny Side Trio, die Peters zur Seite standen, nahmen in ihren Texten ihr bajuwarisches Zuhause mit einem Augenzwinkern aufs Korn: "Wer a Geld hat, geht mit'm Jet auf Reis'n/wer koans hat, der wohnt in der Einflugschneis'n."

Selbst die gereichten Schnittchen ließen dem persönlichen Nachdenken darüber Raum, ob sich Heimatgefühl über Fleischpflanzerl, Schwarzwälder Schinken oder mediterrane Tomatenspieße definiert. Die Schnittchen - eine Steilvorlage für Thomas Peters: Er führte die Gäste in ein imaginäres bayerisches Wirtshaus. Dialekt, Essen, Gefühl: Alles spiele für das Heimatbewusstsein eine Rolle.

Die literarische Reise von der Gaststube über niedersächsische Friedhöfe und die brandenburgische Einöde endete für die Zuhörer schließlich in "Wild America". Nur um feststellen zu müssen, auch dort keine universelle Antwort auf die eine Frage zu finden. "Alles, was ich heute Abend vorgelesen habe, stimmt irgendwie", sagte der Schauspieler. Als Angebot allerdings, nicht als Lösung.

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