Erst ertönt eine Fanfare, dann plätschert es. Damit ist das Thema auch schon grob umrissen: Es geht um etwas Historisches und um ein Gewässer - die Geschichte des Bades am Ebersberger Klostersee nämlich. Ja, wir alle sind fokussiert auf optische Darstellungen, doch wie lässt sich etwas zum Klingen bringen? "Das Hören ist ein ziemlich vernachlässigter Sinn", sagt Alexandra Hessler, "deswegen ist es sehr schön, sich mal nur darauf zu konzentrieren, ein Thema hörbar zu machen". Und wer das selbst mal ausprobieren will, dem bietet sich nun die Gelegenheit: Ende April startet in Vaterstetten das Projekt "Hörpfad", unter der Leitung von Hessler. In dem Kurs, der sich mit diversen Treffen und Workshops über mehrere Monate verteilt, sollen Bürgerinnen und Bürger ihren ganz persönlichen Audioguide für die Gemeinde produzieren. Wie echte Radioreporter recherchieren sie und führen Interviews mit Zeitzeugen und Experten. So nehmen sie ihre Zuhörerinnen und Zuhörer mit an ungewöhnliche Orte oder lassen vergangene Zeiten wieder lebendig werden.
Viele schöne Beispiele dafür liefert Ebersberg, sage und schreibe 22 Hörstücke sind schon für die Kreisstadt entstanden. Der zweite Standort des bayernweiten Projekts im Ebersberger Landkreis ist Kirchseeon, hier gibt es bislang zwei Audiofiles. Eines zu "Fritz Litzlfelder - Fabrikant mit Heimatliebe", und eines mit dem geheimnisvollen Titel "Schwarze Löcher". Da geht es aber mitnichten um astronomische Phänomene, sondern um das ehemalige Bahnschwellenwerk, ein verbotener Ort, den drei neugierige Schüler erkunden wollen. Doch so weit kommt es freilich nicht, Heimatkundler Elmar Kramer hält und klärt die Jugendlichen auf.
Das Projekt "Hörpfade - Bayerische Regionen sprechen für sich" ist eine Kooperation der "Stiftung Zuhören" des Bayerischen Rundfunks mit dem Bayerischen Volkshochschulverband, das heißt, die Kurse werden über die jeweilige VHS angeboten und organisiert. Mittlerweile haben sich 36 Orte und Regionen mit eigenen Hörpfaden daran beteiligt. Die Kulturwissenschaftlerin und Journalistin Alexandra Hessler ist bereits seit acht Jahren als Hörpfad-Referentin in Bayern unterwegs, auch die Gruppe in Ebersberg hat sie begleitet. Und nun steht eben Vaterstetten auf dem Programm.
Wie klingt eine Blumenwiese?
(Foto: Peter Hinz-Rosin)Was ist das Besondere an meiner Heimat? Was zeichnet den Ort aus, an dem ich lebe? Was macht Vaterstetten und seine Umgebung unverwechselbar? Das sind die generellen Fragen, um die es bei den Hörpfaden geht. "Wir möchten mit diesem Angebot Bürgerinnen und Bürger aus all unseren Mitgliedsgemeinden ansprechen", erklärt VHS-Chef Helmut Ertel. Und gerade in diesen schwierigen pandemischen Zeiten, in denen die Menschen verunsichert seien und mit Kursanmeldungen zögerten, könne dieses Outdoor-Projekt sehr interessant sein. Ertel jedenfalls hofft, dass der Kurs stattfinden kann und sich genügend Interessierte melden. "Ab sechs Teilnehmenden lassen wir das Projekt laufen." Der erste Infoabend, zu dem alle Neugierigen eingeladen sind, findet statt am Donnerstag, 29. April, um 19 Uhr. Die Teilnahme am Kurs ist kostenlos.
Das Projekt so offen wie möglich zu gestalten, gehört zum Konzept. "Es ist wichtig, dass möglichst viele Menschen vor Ort davon wissen, denn wir brauchen nicht nur einen harten Kern aus Autoren dafür, sondern auch ganz viele Mitarbeiter", sagt Alexandra Hessler. Als Ideengeber, Experten, Sprecher oder Schauspieler. Denn die Hörpfade können ganz unterschiedliche Formate in sich vereinen: nüchterne Information, Interviews, nachgespielte Szenen, Geräusche. "Man kann zum Beispiel auch eine Statue zum Leben erwecken und erzählen lassen", sagt Hessler, "der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt". Und ihrer Erfahrung nach ziehe so ein Projekt immer große Kreise: "Erst ist nur der Lehrer dabei, am Ende dann seine ganze Schulklasse." Ziel sei es, dass die Menschen sich mit den Geschichten und der Geschichte ihrer unmittelbaren Heimat auseinandersetzten und regionale Besonderheiten für alle anderen Bürgerinnen und Bürger ansprechend aufbereiteten.
Doch woher kommen die Themen? Inhaltlich vorbereiten müsse sie sich für die Hörpfade eigentlich nie, sagt die Dozentin, denn die Teilnehmer brächten meist schon großes Wissen und viele Ideen mit. Oft bieten sich historische Themen an, aber auch besondere Orte, Sagen oder Persönlichkeiten können per Audioguide vorgestellt werden. "Manchmal sind es auch ganz persönliche Erinnerungen, die die Teilnehmer mit anderen teilen möchten", so Hessler. In Unterhaching zum Beispiel erzähle ein Audiostück davon, wie im Zweiten Weltkrieg das brennende München den Himmel habe rot aufleuchten lassen - so wenig Bebauung habe es damals dort gegeben.
Alexandra Hessler (links) mit Teilnehmern des Ebersberger Hörpfads.
(Foto: Peter Hinz-Rosin)Voraussetzung für den Kurs sind lediglich Interesse und ein wenig Zeit, denn alles andere, das technische und journalistische Know-how, werde gemeinsam erarbeitet, sagt Hessler, unter anderem mithilfe von Redakteuren des Bayerischen Rundfunks. "Und es ist erstaunlich, wie schnell selbst ältere, wenig digital-affine Menschen ganz nebenbei lernen, zum Beispiel mit einem Schnittprogramm umzugehen." Usus ist es laut Hessler aber auch, Gruppen zu bilden, die gemeinsam an einem Hörstück arbeiten, sodass die Aufgaben auf mehreren Schultern verteilt werden können. "Überhaupt entsteht unter den Teilnehmern immer ein sehr bereichernder Austausch."
Zum Abschluss, vermutlich Ende September, werden die Vaterstettener Hörstücke bei einem Spaziergang der Öffentlichkeit präsentiert. Aber auch danach bleiben die Audioguides präsent, abrufbar über diverse Homepages oder per OR-Code, so dass alle Vaterstettener ihre Heimat darüber besser kennenlernen können. "Ich jedenfalls bin schon total gespannt, was für Geschichten es hier zu erzählen gibt", sagt Alexandra Hessler.
Alle Hörpfade unter www.klingende-landkarte.de. Kurs in Vaterstetten: Anmeldung und Infos unter www.vhs-vaterstetten.de oder (08106) 35 90 35.