Die seit fast drei Jahrzehnten geplante Umfahrung für Vaterstettens nördliche Ortschaften kann endlich gebaut werden – zumindest aus rechtlicher Sicht. Wie in der jüngsten Gemeinderatssitzung zu erfahren war, ist das seit 2020 am Verwaltungsgericht laufende Verfahren mittlerweile erledigt. Laut Gemeindeverwaltung wurden die letzten Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss zurückgezogen, dieser sei damit seit Ende Dezember gültig.
Dieser Beschluss ist gewissermaßen die Baugenehmigung für die Umgehungsstraße, damit könnte die Gemeinde Vaterstetten nun eigentlich in die Umsetzungsphase gehen. Schon seit den frühen 1990er-Jahren gab es Ideen für eine Umgehung für Weißenfeld, diese sollte im Süden um den Ort herumführen. 2007 machte der damalige Bürgermeister Robert Niedergesäß (CSU) dann den Vorschlag einer gemeinsamen Umfahrung auch für den Ort Parsdorf.
An der Trassenführung gab es von Anfang an Kritik wegen des hohen Flächenverbrauchs
Begonnen hatten die Planungen für die nun rechtssicher festgestellte Trassenführung dann im Jahr 2010. Diese sieht eine im weiten Bogen nördlich um Weißenfeld herumführende Straße vor. Dort soll sowohl der Durchgangsverkehr der Kreisstraße EBE 4 als auch der EBE 17 abgefangen werden. Etwa in der Mitte des Bogens zweigt ein Ast ab Richtung Parsdorf, dieser umfährt den Ort ebenfalls in dessen Norden, und zwar jenseits der Autobahn bis zum Kreisverkehr an der Heimstettener Straße. Über die – in weiser Voraussicht bereits groß angelegten – Straßen im Gewerbegebiet Parsdorf II soll der Durchgangsverkehr dann nach Osten abgeleitet werden.
An dieser Planung aber gab es von Anfang an Kritik, vor allem wegen des hohen Landverbrauchs: Rund sieben Hektar würden für diese Straße benötigt, zudem würde sie das Landschaftsbild im Norden der Großgemeinde deutlich verändern – nach Meinung vieler nicht zum Besseren. Einer der vehementesten Kritiker der neuen Straße war der damalige Bürgermeister Georg Reitsberger (FW). Dieser legte sich vor genau sieben Jahren sogar mit seinem Gemeinderat an, als er eigenmächtig die Mitarbeit der Gemeinde am Planfeststellungsverfahren stoppte – wenn auch nur kurzzeitig. Im April 2018 wurden die Arbeiten wieder aufgenommen, knapp zwei Jahre später genehmigte die Regierung von Oberbayern den Plan für den Bau der Ortsumfahrung.
Eigentümer von für den Bau benötigten Grundstücken klagten gegen die Straße
Doch damit begannen nicht die Bauarbeiten, sondern langwierige Gerichtsverhandlungen. Geklagt hatten die Eigentümer mehrerer Grundstücke, welche die Gemeinde für den Bau der Straße erwerben wollte. Verkaufen wollten diese von Anfang an nicht, da sie als Landwirte auf ausreichend Flächen angewiesen sind. Darum hatte man bei der Gemeinde bereits vor gut zehn Jahren ein Verfahren entwickelt, die sogenannte „Tauschkette“. Ausgangspunkt waren mehrere Flächen, die der Landkreis Ebersberg im Zuge der alten Umgehungsplanungen für Weißenfeld in den 1990ern erworben und der Gemeinde zur Verfügung gestellt hatte. Der Plan der Gemeinde Vaterstetten war nun, den betroffenen Landwirten im Vaterstettener Norden Ausgleichsflächen anzubieten und so an die Grundstücke für den Straßenbau zu kommen.

Verkehrsplanung in Vaterstetten:Verfahrene Situation
Der Bau einer Umgehungsstraße für die nördlichen Ortschaften der Großgemeinde gilt auch ihren Befürwortern als wenig wahrscheinlich. Ganz verabschieden will man sich von dem Vorhaben aber nicht .
Bereits in den Erörterungsterminen zum Planfeststellungsverfahren hatten indes die Landwirte erklärt, müssten sie auf die neuen Flächen ausweichen, würde dies ihren Betrieb nachhaltig beeinträchtigen. Im Kern ging es in der Klage am Verwaltungsgericht nun also darum, ob die Gemeinde letztlich die Grundeigentümer zum Tausch oder Verkauf zwingen kann – diese sogenannten Besitzeinweisungen sind möglich, sobald ein Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig wird. Neben anfangs acht Landwirten hatte zunächst auch die Nachbargemeinde Feldkirchen geklagt, mit der Begründung, die neue Straße leite zu viel Verkehr auf die eigenen Ortsstraßen.
Feldkirchen zog seine Klage allerdings bald wieder zurück, genau wie drei der anfangs acht Privatkläger. Das Verfahren zog sich trotzdem jahrelang hin, zwischenzeitlich wechselte die zuständige Kammer, noch im vergangenen Jahr wagte man bei der Gemeinde keinerlei Prognose, wann mit einem Urteil zu rechnen sei. Über die Hintergründe, warum jetzt die letzten Klagen zurückgezogen wurden, war seitens der Gemeinde nichts zu erfahren.
Die geschätzten Kosten für die Straße liegen mittlerweile bei rund 50 Millionen Euro
Dass das Verfahren beendet und der Planfeststellungsbeschluss gültig ist, bedeutet allerdings noch lange nicht, dass die Straße nun gebaut wird. Dies liegt vor allem an den Kosten für die Umfahrung, laut den jüngsten Schätzungen aus dem vorvergangenen Jahr betragen diese 47,39 Millionen Euro. Der Anteil der Gemeinde liegt abzüglich von Zuwendungen und einem Finanzierungsanteil des Landkreises bei 28,32 Millionen – das ist mehr als die Gesamtkosten bei Planungsbeginn, die lagen damals bei 21,46 Millionen. Fast schon unerheblich angesichts dieser Summe ist, dass der Gemeinde durch die Verzögerungen ein Zuschuss von rund vier Millionen Euro entgangen ist. Dieses Geld hatte der Investor des Gewerbegebietes Parsdorf II 2014 zugesagt, sollte der nördliche Abschnitt der Umgehungsstraße binnen eines Jahrzehnts gebaut werden.

Verkehr im Landkreis Ebersberg:Zurück auf Los
Laut neuen Berechnungen würde die Umfahrung für Vaterstettens Ortschaften rund 47 Millionen Euro kosten. Doch zumindest Weißenfeld könnte eine Umgehung bekommen - wenn auch nicht so bald.
Wie es mit der Umfahrung jetzt weitergeht, soll der Gemeinderat in knapp zwei Monaten in seiner Haushaltssitzung entscheiden. Thema soll dann auch der aktuelle Stand bei der Umplanung der Kreisstraße EBE4 beziehungsweise M18 sein. Diese verläuft derzeit durch Weißenfeld und schräg unter der Autobahn 99 hindurch. Im Zuge der Sanierung und Verbreiterung der A99 müsste die Kreisstraße indes verlegt werden, dies hatte die zuständige Autobahn GmbH bereits 2023 verlauten lassen.
Geplant ist, dass die Straße künftig direkt vom Gewerbegebiet Feldkirchen Süd abzweigt und die Autobahn mit einem geraden Tunnel quert. Je nachdem, wie weit man den Bogen nach Süden führt, könnte die neue EBE 4 erst wieder im Osten von Weißenfeld auf die bestehende Trasse treffen – das wäre dann genau die Umfahrung, mit der die Planungen vor gut 35 Jahren begonnen haben.